FDP-Bundesparteitag Neuer Teamgeist in der Individualistenpartei

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Finanzierung nach griechischem Vorbild

Ausdruck der neuen Gemeinsamkeit soll auch eine Sonderumlage sein, mit der die Bundespartei einheitliche Kampagnen für die zehn Landtags- und drei Kommunalwahlen bis zur Bundestagswahl 2017 bestreiten will. Dazu will die FDP – ganz ähnlich wie die griechische Regierung in ihrer Finanznot – Geld aus der Provinz zur Zentrale schaufeln. Der Berliner Investitionsfonds, so ist der Topf für den Wahlkampfkonsum etikettiert, bietet nicht nur die Möglichkeit, leichter eine einheitliche Optik zu organisieren. Sie ermöglicht der Führung vor allem, inhaltliche Alleingänge und plakative Peinlichkeiten zu vermeiden. Der brandenburgische Slogan „Keine Sau braucht die FDP“ hatte der Partei viel Spott, aber auch sensationell wenige Prozente eingebracht.

Der kuriose Wahlkampf der FDP Bremen
Der Wahlkampf der FDP Bremen ist voll auf die Spitzenkandidatin Lencke Steiner zugeschnitten. (Foto: FDP Bremen)
Sie soll "eine neue Generation Bremen" verkörpern. (Foto: FDP Bremen)
#dasdingrocken - ist ein gerne genutzter Hashtag der Bremer FDP. Wie frech die Kampagne konzipiert ist, soll offenbar die pinke Zunge unterstreichen. (Foto: FDP Bremen)
Die Wahlkampagne erinnert stark an die Wahl in Hamburg im Februar. (Foto: FDP Bremen)
Hier hatte sich Spitzenkandidatin Katja Suding mit provokanten Plakaten ins Gespräch gebracht. (Foto: dpa)
Im Februar posierten die Bremer FDP-Spitzenkandidatin Lencke Steiner (l-r), Hamburgs FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding und die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer für die Zeitschrift "Gala" - in Anlehnung an die Hollywood-Heldinnen "Drei Engel für Charlie". Nur ging es hier nicht um Charlie, sondern um Christian ... (Foto: dpa)
Gemeint ist Parteichef Christian Lindner. Doch wie viel Klamauk ist erlaubt? "Mit inhaltsleeren Kampagnen ließen sich keine Wähler gewinnen. 99% der Wähler der Freien Demokraten in Hamburg haben gesagt, ihnen fehle ohne die FDP eine starke marktwirtschaftliche Stimme. Deshalb sind wir zwar kreativer als andere, aber bei uns werden Köpfe nur zusammen mit den Themen Wirtschaft, Bildung und Infrastruktur plakatiert", sagte Linder der WirtschaftsWoche. (Foto: FDP Bremen)

Die Einnahmeausfälle durch die katastrophalen Ergebnisse bei Bundestags- und Europawahl machen jährlich 4,3 Millionen Euro pro Jahr aus. Nun kann sich Schatzmeister Hermann Otto Solms freuen, dass die Partei auch finanziell zusammen steht. Und er schaut überrascht auf das Spendenaufkommen. „Es ist unerwartet reizvoll, diese Arbeit zu tun“, bekennt der Kassenwart, der diese Aufgabe mit Unterbrechungen schon rund zwei Jahrzehnte ausübt. „Der Spaß nimmt eigentlich von Tag zu Tag zu, weil man spürt, dass der Erfolg eintritt.“ Im vergangenen Jahr verbuchte er das zweithöchste Resultat außerhalb von Bundestagswahljahren. Dass darunter nur eine Großspende war, sieht Solms als Vorboten einer breiten Unterstützung bei Parteifreunden und Mittelstand. Damit ließe sich auch die Überschuldung von 7,8 Millionen Euro abbauen.

Lindners Glück: Die erfolgreichen Wahlkämpfer in Hamburg und Bremen waren die ersten, die das Angebot der Bundespartei zu einer Kampagne aus einen Guss angenommen hatten. Der Einzug in die beiden Bürgerschaften erleichtert der Führung nun die Werbung für die Umlage.

In seinem Rechenschaftsbericht zu Beginn des Parteitags beschränkt sich Lindner, dessen Wiederwahl garantiert ist, auf ein einziges Sachthema – schließlich soll seine große programmatische Rede erst am Samstag steigen. So versucht er nur, den aktuellen Standpunkt der FDP in der Europapolitik herauszuarbeiten. „Wir sind nicht einen Zentimeter den Eurohassern hinterher gelaufen“, nimmt er für die Freidemokraten in Anspruch. Auch wenn manche meinten, die FDP wäre dann noch im Bundestag vertreten, beharrt er: „Wir haben damals richtig entschieden.“

Heute allerdings sei „ein Verbleib Griechenlands im Euro unter falschen Bedingungen“ die eigentliche Bedrohung. Wenn die Regierung in Athen Reformen verweigere, „dann verabschiedet sie sich selbst aus dem Euro“. Der Weg von Ministerpräsident Tsipras und den anderen südeuropäischen Protestbewegungen führe eher zu Zuständen wie in den sozialistischen Staaten Süd- und Mittelamerikas. Wenn die FDP auf marktwirtschaftliche Reformen bestehe, „dann nicht aus Herzlosigkeit oder mangelnder Solidarität, sondern weil man die Menschen vor falschen Wohltätern schützen muss“. Seit dem Herbst 2013 – soll heißen: seit dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag – sei die Reformpolitik überall zum Erliegen gekommen.

Sorgen macht sich die FDP auch um Großbritannien, das zwar nie ein unkomplizierter Partner gewesen sei, aber ein liberaler. Nun nähmen die Fliehkräfte zu, und die Briten müssten dringend in der EU gehalten werden. „Ohne Großbritannien würde sich die Achse in der EU weiter von der Marktwirtschaft wegbewegen.“ Deshalb dürfe die neue konservative britische Regierung – auch sie kommt nun ohne liberalen Partner aus – „nicht dämonisiert werden. Nicht alle Kritikpunkte aus London sind unbegründet. Europa wird nicht schwächer, wenn bestimmte Aufgaben aus Brüssel wieder zurückgegeben werden in die Parlamente der Länder.“ Eine rote Linie sei lediglich die Freizügigkeit im europäischen Binnenmarkt.

Einigkeit und Recht auf Freiheit – auch so buchstabiert sich die neue FDP.

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