Wir wollen noch mal über Steuern reden. Finanzminister Schäuble glaubt, der Mittelstandsbauch könne nur abgeflacht werden, wenn der Spitzensteuersatz steige.
Das ist falsch. In Deutschland zahlen ja keineswegs nur Fußballprofis oder Show-Millionäre den Spitzensteuersatz. Der greift für Leute, die nach dem Tarif der IG Metall bezahlt werden. Wenn Herr Schäuble so dringend Geld sucht, sollte er es wie die liberale EU-Kommissarin Margrethe Vestager halten. Sie knöpft sich die Internetriesen Google oder Apple vor – und will verbieten, dass die in Ländern wie Irland nur Peanuts an Steuern auf Milliardengewinne zahlen.
Als Liberaler müssten Sie Wettbewerb bei Steuersätzen doch gut finden.
Tue ich auch. Aber ich bestehe auf einer transparenten Bemessungsgrundlage. In Deutschland gibt es einen Wettbewerb bei der Gewerbesteuer zwischen den Kommunen. Aber an der Bemessungsgrundlage kann keine Stadt etwas ändern. Genau das hat Irland im Fall Apple aber getan. So etwas ist eben kein fairer Steuerwettbewerb mehr, sondern eine staatliche Beihilfe. Die ist nach EU-Recht verboten.
Bei jeder Landtagswahl ist die AfD erfolgreicher als die FDP – wie sehr ärgert sie das?
Die AfD ist eine latent rassistische und autoritäre Partei. Wir sind eine liberale Partei. Von allen Parteien aus dem demokratischen Zentrum hat nur die FDP bei den letzten Wahlen zugelegt.
Eine Menge Wähler, die unzufrieden mit der Union sind und vor der AfD zurückschrecken, stimmen offenbar nun für die FDP.
Wir sind eine weltoffene und menschenfreundliche Partei, die sich aber dem Rechtsstaat verschrieben hat. Deshalb haben wir uns kritisch mit der zu Beginn grenzenlosen Willkommenskultur von Frau Merkel auseinandergesetzt. Dass das früheren Unionswählern gefällt, kann ich nachvollziehen.
Trotzdem fehlt Ihrer Partei eine echte Machtperspektive.
Darüber grübele ich auch häufig nach, das stimmt. Aber wir wollen ohnehin nur in eine Bundesregierung eintreten, in der wir viele liberale Projekte umsetzen können. Wenn das nicht möglich ist, ist liberale Oppositionspolitik umso wichtiger.
Sie haben die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin scharf kritisiert. Mittlerweile will sie „Wir schaffen das“ nicht mehr sagen. Reicht Ihnen das?
Frau Merkel distanziert sich viel zu langsam von einer Rhetorik, die in Wahrheit gar nicht mehr zu ihrer Politik gepasst hatte. Denn heimlich, still und leise ist die Flüchtlingspolitik dieser Regierung ja längst viel restriktiver geworden. Wir brauchen aber weitere Schritte, etwa ein Einwanderungsgesetz. Flüchtlinge sollten nur auf Zeit Schutz erhalten. Ob sie später auf Dauer bleiben dürften, muss anhand klarer Kriterien entschieden werden: Sprachkenntnisse, Vorstrafenregister, Arbeitsqualifikation. Außerdem müssen wir die Mittel für die EU-Grenzschutzbehörde Frontex mindestens verzehnfachen und mit nordafrikanischen Staaten Rücknahmeabkommen schließen.