FDP-Dreikönigstreffen „Die Große Koalition steht nicht für freie Marktwirtschaft“

Die Liberalen wärmen sich für das Wahljahr 2016 auf. Auf dem Dreikönigstreffen in Stuttgart greift Parteichef Lindner die Bundesregierung frontal an. Schützenhilfe für diese Attacke kommt auch aus Wirtschaft.

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Das Dreikönigstreffen der FDP im Staatstheater Stuttgart. Quelle: dpa

Stuttgart „Das war doch super“, so einen Satz muss man sich erst einmal verdienen – in diesem Fall kommt er von dem Aufsichtsratsvorsitzenden der BASF, Jürgen Hambrecht, und ist gerichtet an FDP-Chef Christian Lindner. Der Mann, der die FDP nach der Wahlschlappe 2013 rundum erneuerte, setzte mit seiner Rede beim traditionellen Dreikönigstreffen im Stuttgarter Opernhaus alles daran, die Liberalen auf das wichtige Wahljahr einzuschwören. Und es geht um viel: Bei den anstehenden Landtagswahlen am 13. März in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt will die FDP in die Landesparlamente einziehen. Denn von diesem Ausgang wird auch ein Signal für die Bundestagswahl 2017 ausgehen.

Ob Linder mit seinem Auftritt beim Dreikönigstreffen die Wähler überzeugen konnte, wird sich also spätestens im Frühjahr zeigen. Einige Manager aus der Wirtschaft konnte Lindner hingegen schon jetzt gewinnen. Er stimme in nahezu allen Punkten mit Lindner überein, sagte Hambrecht nach der Rede des Parteichefs. Es gebe nur kleine Unterschiede: So sieht Hambrecht etwa durchaus Chancen für verbindliche Integrationsregeln. Lindner hingegen hatte ein Integrationsgesetz nach dem Vorbild der CSU in seiner Rede entschieden abgelehnt.

Auch Peter Stihl, Seniorchef des Motorsägenherstellers, war ins Opernhaus gekommen, um sich anzuhören, was der FDP-Chef zu sagen hat. Die Marktwirtschaft spiele in den Großen Koalition keine bedeutende Rolle mehr, sagt Stihl dem Handelsblatt: „Linder ist der Mann für die Marktwirtschaft.“

Bereits im Vorfeld hatten einige Manager sich dafür ausgesprochen, die FDP zu unterstützen. So nahmen am Mittwoch neben Hambrecht und Stihl auch Berthold Leibinger, Gesellschafter von Trumpf, und Jürgen Strube, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der BASF, in der ersten Reihe des Stuttgarter Opernhauses Platz.

Hambrecht äußerte sich zuvor zunehmend unzufrieden mit der Großen Koalition: „Die Große Koalition steht nicht mehr für die freie Marktwirtschaft“, sagte er dem Handelsblatt. Sie reagiere nur und gestaltet nicht mehr. In der Flüchtlingsfrage warnt Hambrecht: „Unsere Leistungsfähigkeit ist begrenzt. Wir müssen die Flüchtlingskrise gestalten und dürfen nicht weiter hinterher regieren.“

Lindner versuchte am Mittwoch dieses Vakuum zu füllen. In der Flüchtlingsfrage kritisierte er die Alleingänge der Bundesregierung innerhalb Europas. Lindner teile zwar den Optimismus, der von Merkels Satz „Wir schaffen das“ ausgeht. Aber die Bundesregierung habe bisher nicht gezeigt, wie die Flüchtlingskrise zu schaffen sei, weil sie seit Monaten zerstritten ist.


Weg vom alten Image

Lindner kritisierte, dass Merkel mit ihrer chaotischen Flüchtlingspolitik für ein „beispielloses Organisationsversagen“ und eine „Sogwirkung“ gesorgt habe. Statt einer „im Wortsinne grenzenlosen Aufnahmebereitschaft oder Abschottung“ plädiert der Parteichef für ein „rationales Einwanderungsgesetz“. Dieses solle Kriterien definieren, wer Schutz bekommt. Kriegsflüchtlinge könnten nach der Befriedung des Landes wieder abgeschoben werden. Zweitens sollte jeder, der sich legal aufhält, sofort in den Arbeitsmarkt integriert werden. Drittens sollten, auch unabhängig von der Herkunft, qualifizierte Arbeitnehmer nach Deutschland geholt werden.

Für die EU-Grenzen plädiert der FDP-Chef für mehr Sicherheit – ohne dabei auf konkrete Maßnahmen zu verweisen. Den Zusammenschluss der EU-Staaten mit dem Türkischen Präsidenten Erdogan kritisierte er jedoch scharf: „In der EU brauche man nicht noch mehr Autokraten.“

Auch die aktuelle Diskussion zu den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln beschäftigte das Dreikönigstreffen. Neuen Sicherheitsgesetze lehnt Christian Lindner jedoch ab. „Unser Problem ist nicht, dass die Sicherheitsbehörden zu wenig dürfen, sondern zu wenig können – wegen ihrer Ausstattung“. Das gelte auch für alle diejenigen, die nach den Anschlägen nach Paris nach mehr Überwachung geschrien hätten. Er kündigte an, dass die FDP Klage vor dem Bundesverfassungsgerichts gegen die im vergangenen Jahr wiedereingeführte Vorratsdatenspeicherung Klage einreichen wollen.

Lindner, das wird deutlich, versucht den Mief der eindimensionalen Steuersenkungspartei, der der FDP lange anhaftete, abzuschütteln. Er will weg von der Klientelpartei für Wirtschaftsinteressen – hin zu einer, die die liberale Grundidee wieder betont: die Stärke des Einzelnen, die Bürgergesellschaft, einen Gegenpol zur überbordenden Staatsverantwortung. Der Bundesvorsitzende führt die FDP inzwischen seit über zwei Jahre. Zwar dümpelt die Partei auf Bundesebene nach jüngsten Umfragen noch immer zwischen vier und fünf Prozent. In Hamburg schafften es die Liberalen zuletzt mit Spitzenkandidatin Katja Suding dank 7,4 Prozent der Stimmen locker in die Bürgerschaft. Auch in Bremen feierten die Liberalen zuletzt Wahlerfolge.

Doch anders als in Hamburg und Bremen sind die Spitzenkandidaten der anstehenden Landtagswahlen kaum bekannt. Umso mehr Verantwortung lastet auf Bundeschef Lindner. Um diese wahrzunehmen, kommt er am Ende der Rede dann doch wieder auf das altbekannte Thema der Liberalen zurück: die Steuern. Den Solidaritätszuschlag will er – anders als die derzeitige Mehrheit im Bundestag – abschaffen. Und die geplante Erbschaftssteuerreform sei sowieso ein „Investitionskiller für Unternehmen“.

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