FDP-Dreikönigstreffen Lindner versucht den Spagat

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Kernpunkt ist künftig die Bildungspolitik

Im Gegensatz zu seinen Vorrednern hat Lindner nicht einmal Redekärtchen dabei (ein Rednerpult fürs ausgefeilte Manuskript gibt es ja nicht mehr), sondern spricht 70 Minuten frei über die Ziele seiner Partei und Politik. Das hat es unter deutschen Politikern lange nicht mehr gegeben. Um die neue, alte Zielrichtung seiner Partei zu beschreiben, greift Lindner zurück auf eine Erzählung Franz Kafkas. Der habe einen Mann beschrieben, der zeitlebens auf eine Tür geschaut habe, neben der ein Wächter stand.

Zeitlebens zögerte er, die Klinke herunterzudrücken und hindurchzugehen – obwohl er es so gern gewollt hätte. Kurz vor seinem Lebensende habe der Wächter sich bewegt, die Tür abgeschlossen und zu dem Mann gesagt: „Sie war die ganze Zeit offen, und sie war nur für Dich bestimmt.“ Da geht ein Raunen durch den großen Saal des Staatstheaters.

Es ist die Stimmung, die er erzeugen wollte, die Lindner nun fast triumphierend hervorstoßen lässt: „Das ist die Aufgabe der FDP: Den Menschen Lust und Mut machen, ihre Freiheit zu nutzen. Wenn die anderen sagen: ‚Du kannst nicht, Du sollst nicht‘ - dann sagen wir: Klar kannst Du, wir vertrauen auf Deine Fähigkeiten.“

Die modernen Zeiten machten den Menschen immer kleiner, durch Bürokratie, die entfesselten Kräfte der Kapitalmärkte, Digitalisierung, Meinungsdruck. Die Liberalen versprechen: „Wir machen Dich größer, nicht den Staat.“ So ganz neu ist das nicht. Und so sagt Lindner auch, seine Partei wolle ihre Grundüberzeugungen nicht verwässern und verschlanken, sondern die Dosis erhöhen: „Nicht FDH, sondern FDpur.“

Was das konkret bedeuten soll, macht Lindner an drei Beispielen deutlich.

Liberale Erzählung

Kernpunkt der „liberalen Erzählung“ solle künftig nicht mehr die Wirtschafts-, sondern die Bildungspolitik sein, verbunden mit einer liberalen Erziehung. Sie sei die Grundlage der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung. Die Eliteunis in den USA seien die Kaderschmieden der künftigen Nobelpreisträger.

„Wenn wir uns mit Mittelmaß zufrieden geben, dann werden wir künftig nur noch mittelmäßig leben.“ Das weltbeste Bildungssystem sei gerade gut genug. Deshalb dürfe es nicht länger bei der föderalen Kleinstaaterei bleiben. „Bildung ist eine Frage des Gesamtstaats.“

Es dürfe nicht mehr sein, dass 16 Bundesländer darüber stritten, wer welche bildungspolitische Mode besonders bürokratisch umsetze. Auch müsse die Ausstattung der Schulen modernisiert werden. Da habe sich seit Jahrzehnten kaum etwas geändert. „Auf dem Schulhof ist die Zukunft, wenn sich die Kinder über die neusten Apps austauschen. Und dann geht es ins Klassenzimmer, zurück in die Kreidezeit.“ Doch statt mehr Geld für die kommende Generation bereitzustellen, habe die Bundesregierung „230 Milliarden im Rentensystem versenkt“.

Viel gefährlicher sei aber, dass Leistung nicht wertgeschätzt würde. So habe ihn kürzlich ein Radio-Moderator gefragt, ob er in der Schule wohl ein Streber gewesen sei. Er habe sich bei der Antwort unsicher gewunden – und sich später gefragt: Was sagt die Frage über unsere Gesellschaft aus? „Wenn das Streben nach Leistung zu einem Charakterfehler umgedeutet wird, dann muss man sich wehren und unsere Kinder und Jugendlichen davor schützen.“

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