FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel lehnt EM-Boykott ab

FDP-Politiker Niebel spricht sich gegen eine Absage der Fußball-EM in der Ukraine aus. Ein solche Aktion würde „nur die Sportler und die Bevölkerung“ belasten, „die sich zu Recht auf dieses Ereignis freuen“.

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Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) ist gegen die Absage der Fußball-EM. Quelle: AFP

Berlin Trotz des Falls der inhaftierten Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko lehnt Entwicklungsminister Dirk Niebel eine Absage der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine ab. „Ich will, dass die EM stattfindet und bin gegen einen sportlichen Boykott“, sagte der FDP-Politiker in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Eine solche Maßnahme würde „nur die Sportler und die Bevölkerung“ belasten, „die sich zu Recht auf dieses Ereignis freuen“. Niebel mahnte jedoch, Sportler wie Politiker, die in das Land reisten, dürften sich von der Staatsregierung der Ukraine nicht für propagandistische Zwecke „instrumentalisieren“ lassen.

Hintergrund ist die Inhaftierung der früheren ukrainischen Ministerpräsidentin. Experten halten deren Verfahren und Urteil für unrechtmäßig. Timoschenko soll im Gefängnis auch Gewalt angetan worden sein. Führende Politiker in Europa wollen nun der in wenigen Wochen beginnenden Europameisterschaft aus Protest einen Besuch verweigern.

Wie Niebel will auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Gauweiler keine Absage des Fußballturniers. „Die Politik sollte für ihr Handeln die hoheitlichen Gremien nutzen, die eigens dafür geschaffen wurden“, sagte Gauweiler der Nachrichtenagentur dapd in Berlin. Er rief die Bundesregierung auf, den Fall Timoschenko vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Verhandlung zu bringen. „Wir sollten diese unabhängige juristische Instanz in Straßburg unbedingt einschalten“, sagte Gauweiler. Deutschland könne dies im Sinne der Staatenbeschwerde tun. An dem Gerichtshof würden dann „die besten Völkerstrafrechtler über den Fall urteilen“.

Gauweiler betonte, er habe bereits Außenminister Guido Westerwelle in einem Brief zum Handeln aufgerufen, aber noch keine Antwort erhalten. Vor wenigen Tagen hatte sich auch Ex-Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier für eine Staatenbeschwerde ausgesprochen.


Mit Juristen-Ausbildung zum Rechtsstaat

Wenn man zu der Bewertung komme, dass in der Ukraine eine Menschenrechtsverletzung massiver Art geschieht und dies Ergebnis eines Versagens des politischen Systems ist, dann hätten die europäischen Staaten „die besondere Verpflichtung, sich nach Straßburg zu wenden“, begründete Gauweiler, der selbst Rechtsanwalt ist, sein Anliegen. Die europäischen Staaten, welche die Menschenrechtskonvention unterzeichnet haben, hätten „eine gegenseitige Wächterfunktion“. Gauweiler erinnerte daran, dass die Ukraine selbst zu den Unterzeichnern der Menschenrechtskonvention gehört.

Niebel zufolge strebt die Ukraine weiter die Mitgliedschaft in der Europäischen Union an. „Sie gerät unter den selbst gewählten Druck, sich den menschenrechtlichen Standards der EU anzunähern“, sagte der Minister und fügte hinzu: „Wenn sie es wirklich will, muss sie noch einige Hausaufgaben erledigen.“ Deutschland könne dem Land helfen - „etwa dadurch, dass Juristen so qualifiziert werden, dass die vorhandenen Gesetze so umgesetzt werden, wie man es von einem Rechtsstaat erwartet“, sagte Niebel.

Finanzminister Wolfgang Schäuble kündigte an, er werde nicht zu einem Spiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft in die Ukraine reisen. Er begründete dies mit seiner Aufgabe als Finanzminister. „Wenn ich noch für den Sport zuständig wäre, müsste man sehen“, sagte der CDU-Politiker der „Welt am Sonntag“. Zugleich kritisierte er den Umgang der ukrainischen Staatsregierung mit Timoschenko: „Man besiegt den politischen Gegner in Wahlen, aber sperrt ihn nicht ins Gefängnis.“

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