FDP Renaissance mit Ansage

Bei den Liberalen scheint es wieder aufwärts zu gehen: In aktuellen Umfragen ernten sie die Früchte der Trendwende bei den Bürgerschaftswahlen in Hamburg und Bremen.

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Nur wer die Mechanismen der politischen Meinungsbildung nicht kennt, kann überrascht sein: Erstmals seit dem März 2011 erreicht die FDP in einer Umfrage bundesweit wieder sechs Prozent. Natürlich freut sich die Parteiführung um Christian Lindner und wird Mühe haben, überbordende Zuversicht in den eigenen Reihen zu bändigen. Aber das günstige Ergebnis im „Deutschlandtrend“ der ARD, der am späten Abend veröffentlicht wurde, war absehbar.

So wie sich ein Abwärtstrend gerade kleiner Parteien ständig verstärkt, geht es umgekehrt auch verlässlich aufwärts, wenn die Trendwende geschafft ist und vor allem die magische Fünf-Prozent-Hürde ihren Schrecken verliert. Als es mit den Liberalen bergab ging und die Partei bei der Bundestagswahl im September 2013 knapp am Wiedereinzug ins Parlament scheiterte, stürzten die Freidemokraten innerhalb kürzester Zeit noch weiter ab – bis auf drei, ja vereinzelt bis auf zwei Prozent. Nur noch die Treuesten der Treuen hielten zu der zur Splitterpartei degradierten Traditionstruppe. Denn nun schien jedes Kreuzchen bei der FDP eine verschenkte Stimme zu sein, die keinerlei politischen Einfluss mehr geltend machen könnte.

Inzwischen hat sich das Blatt gewendet. Zwar hatte sich die Partei nach dem Bundestagsschock in der Führung flugs erneuert und sich auch programmatisch wieder stärker auf echten – also auch kompromissloseren – Liberalismus verständigt. Aber das fand nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Kaum jemand nahm davon Notiz. Es mutet skurril an und wirft ein bezeichnendes Licht auf die heutige Medienwirklichkeit und die Mechanismen der öffentlichen Wahrnehmung, dass ein simpler Marketing-Trick die Wende brachte. Zum traditionellen Drei-Königs-Treffen am 6. Januar in Stuttgart präsentierte sich die FDP erstmals in einer neuen Farbe. Das poppige Magenta, das so gar nicht zum vertrauten Blau-Gelb passen mag, sorgte für den gewünschten Aha-Effekt, auch weil die Parteiführung erst ein Geheimnis daraus machte und dann Details kurz vor dem offiziellen Start über ausgewählte Medien lancierte.

Plötzlich guckten die Journalisten wieder neugierig hin, was da bei den Totgeglaubten wohl vor sich ginge. Sie sahen neue Gesichter, neue Formen der Präsentation und ein neues Herangehen – an altbekannte Themen: Bildung, Bürgerrechte, Datenschutz, Mittelstand, Steuern. Nur etwas weniger verwässert und angepasst, also unbeeinflusst von einer Koalitionslogik, die Zugeständnisse an einen Regierungspartner verlangt.

Einzug in die Landtage gelang souverän

Die Aha-Effekte setzten die Freidemokraten mit ihren jungen Spitzenkandidatinnen Katja Suding in Hamburg und Lencke Steiner in Bremen bei den Bürgerschaftswahlen fort. Die frischen und engagierten Bewerberinnen brachten Schwung nicht nur in ihre müde gewordenen Landesparteien, sondern auch in die ansonsten eher langweiligen Wahlkämpfe. In beiden Ländern gelang der Einzug in die Landtage souverän, deutlich über sechs Prozent.

Der kuriose Wahlkampf der FDP Bremen
Der Wahlkampf der FDP Bremen ist voll auf die Spitzenkandidatin Lencke Steiner zugeschnitten. (Foto: FDP Bremen)
Sie soll "eine neue Generation Bremen" verkörpern. (Foto: FDP Bremen)
#dasdingrocken - ist ein gerne genutzter Hashtag der Bremer FDP. Wie frech die Kampagne konzipiert ist, soll offenbar die pinke Zunge unterstreichen. (Foto: FDP Bremen)
Die Wahlkampagne erinnert stark an die Wahl in Hamburg im Februar. (Foto: FDP Bremen)
Hier hatte sich Spitzenkandidatin Katja Suding mit provokanten Plakaten ins Gespräch gebracht. (Foto: dpa)
Im Februar posierten die Bremer FDP-Spitzenkandidatin Lencke Steiner (l-r), Hamburgs FDP-Spitzenkandidatin Katja Suding und die FDP-Generalsekretärin Nicola Beer für die Zeitschrift "Gala" - in Anlehnung an die Hollywood-Heldinnen "Drei Engel für Charlie". Nur ging es hier nicht um Charlie, sondern um Christian ... (Foto: dpa)
Gemeint ist Parteichef Christian Lindner. Doch wie viel Klamauk ist erlaubt? "Mit inhaltsleeren Kampagnen ließen sich keine Wähler gewinnen. 99% der Wähler der Freien Demokraten in Hamburg haben gesagt, ihnen fehle ohne die FDP eine starke marktwirtschaftliche Stimme. Deshalb sind wir zwar kreativer als andere, aber bei uns werden Köpfe nur zusammen mit den Themen Wirtschaft, Bildung und Infrastruktur plakatiert", sagte Linder der WirtschaftsWoche. (Foto: FDP Bremen)

Das wirkt jetzt politisch auch auf Bundesebene nach. Gleich mehrere Faktoren spielen eine Rolle:

  • FDP-Anhänger trauen sich nun wieder, sich zu ihrer Partei zu bekennen;
  • die Liberalen haben den Ekel-Malus abgelegt – die Wahlkämpfer berichten, dass sie auf der Straße und an den Ständen nicht mehr angepöbelt werden.
  • die Stimme für die FDP gilt nicht mehr als weggeworfen, weil sie es nun schon wieder zwei Mal über die Fünf-Prozent-Hürde geschafft hat. Daraus leiten die Umfrageteilnehmer eine realistische Chance ab, dass es die Liberalen auch auf Bundesebene schaffen können.

Aber die Freidemokraten profitieren auch vom Niedergang der Alternative für Deutschland, die als bürgerliches Auffangbecken durch die zänkische Selbstbeschäftigung erheblich an Strahlkraft eingebüßt hat. Zumal der FDP-Vorsitzende Lindner nach dem Aufbau der Euro-Rettungsschirme eine härtere Gangart gegenüber Griechenland eingeschlagen hat. Und bei der Union, dem anderen Konkurrenten im bürgerlichen Lager, geht es eher langweilig zu.
Für bürgerliche Wähler hat sich bei genauem Hinsehen das Blatt sogar völlig gewendet. Galt eine Stimme für die FDP in den vergangenen eineinhalb Jahren als verloren, so ist sie nun plötzlich die einzige, mit der sich eine politische Richtungsentscheidung treffen lässt.

Denn der Abstand der Union zur SPD ist nach wie vor so riesig, dass ein paar Stimmen mehr oder weniger für CDU und CSU keinerlei machtpolitische Auswirkungen hätten. Auch wenn also ein paar Unionsanhänger nicht für die eigene Truppe stimmten, wären die Schwesterparteien immer noch deutlich stärker als die Sozialdemokraten, aber immer schwächer als Rot-Rot-Grün. Kämen die Liberalen aber wieder in den Bundestag, ergäbe sich für die CDU/CSU unter Umständen eine dritte Koalitionsoption – neben dem Elefantenbündnis mit der SPD und Schwarz-Grün. Und manchem Unionswähler dräut vielleicht auch, dass sich ein eventuell doch mögliches rot-rot-grünes Bündnis nur zusammen mit den Prozenten der FDP verhindern ließe.

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