FDP-Wahlkampfauftakt in NRW Lindners Balanceakt

Großer Andrang beim Neujahrsempfang der FDP in Düsseldorf: Zum inoffiziellen Wahlkampfauftakt in NRW sind sie alle gekommen. Für FDP-Chef Christian Lindner ist es auch der Auftakt zu einem politischen Balanceakt.

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Der FDP-Bundesvorsitzende beim Neujahrsempfang der NRW-FDP in Düsseldorf. Quelle: dpa

Düsseldorf Über 1600 Menschen haben sich an diesem Sonntag in Düsseldorf versammelt. „So viele wie noch nie“, betont Generalsekretär Johannes Vogel. Die nordrhein-westfälische FDP ist über den großen Andrang auf ihrem diesjährigen Neujahrsempfang sichtlich erleichtert. Der inoffizielle Wahlkampfauftakt in Deutschlands größtem Bundesland läutet für die FDP die Bewährungsprobe für die Bundestagswahlen im September ein. Auch wenn man sich in Nordrhein-Westfalen eigentlich weniger Sorgen um den Wiedereinzug in den Landtag macht.

Deswegen setzt man gleich zu Beginn ein unmissverständliche Zeichen: Armin Laschet, Spitzenkandidat der nordrhein-westfälischen CDU, sitzt in der ersten Reihe, neben Parteichef Christian Lindner und seinem designierten Nachfolger Joachim Stamp. Seine Partei werde alles dafür tun, wieder gemeinsam mit der FDP in Regierungsverantwortung zu kommen, sagte Laschet.

Er trat in Düsseldorf erstmals beim traditionellen Neujahrsempfang der NRW-FDP auf. Der Regierungswechsel sei vor allem wichtig für die innere Sicherheit, sagte der CDU-Landesvorsitzende. CDU und FDP hatten NRW von 2005 bis 2010 unter dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) regiert.

Auch an diesem Sonntag war die Innere Sicherheit das dominierende Thema. Und der Ton wird nach den aktuellen Ereignissen am Wochenende schärfer. Erst am Samstag wies die nordrhein-westfälische Landesregierung Medienberichte zurück, wonach der Berliner Attentäter Anis Amri ein V-Mann des Landesverfassungsschutzes gewesen sein könnte. „Er war kein V-Mann“, sagte ein Sprecher. Die CDU-Landtagsfraktion hatte zuvor eine entsprechende Anfrage an die Landesregierung gestellt.

Landtagsfraktionschef der FDP Joachim Stamp, der in einer Sondersitzung des Innenausschusses vor zwei Wochen noch der Meinung war, NRW-Innenminister Ralf Jäger müsse nicht zurücktreten, sondern nur mal Verantwortung übernehmen, forderte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft jetzt auf, ihren Innenminister endlich zu entlassen. CDU und FDP werfen Jäger vor, nicht dafür gesorgt zu haben, dass der in NRW gemeldete islamistische Gefährder Anis Amri dingfest gemacht wird.

Der 24-jährige Tunesier Anis Amri hatte am 19. Dezember einen Lastwagen in einen Berliner Weihnachtsmarkt gesteuert, 12 Menschen getötet und mehr als 50 verletzt. Bevor er nach Berlin kam, hatte sich Amri lange in NRW aufgehalten.

Christian Lindner forderte ebenfalls „Jäger muss weg“ und ging sogar noch einen Schritt weiter. Der Bundesinnenmister Thomas de Maizière habe mit seiner „aktionistischen Forderung“ nach schärferen Sicherheitsgesetzen ein reines „Wahlkampfmanöver“ ausgeführt. „Es braucht keine neuen Sicherheitsgesetze, solange die alten noch nicht einmal genutzt werden.“

Jäger hatte in einer Sondersitzung des Innenausschusses im Düsseldorfer Landtag betont, dass man im Fall Amri bis an die „Grenzen des Rechtsstaates gegangen sei“. Das zu behaupten, ruft Lindner mit gehobener Stimme, sei eine Zumutung. Lautstarke Zustimmung im Saal. Und schon ist der 37-Jährige auf der Bühne wieder ganz in seinem Element.


Spagat zwischen Land und Bund

Wie um die eigene Überflüssigkeit zu demonstrieren, steht zwar noch ein vereinsamtes Rednerpult in der hinteren Ecke, aber Christian Lindner würdigt es selbstverständlich keines Blickes. Mit einem kleinen Mikrofon an der Wange redet er frei und mit viel emotionalen Ausreißern an den richtigen Stellen: Inklusion, Bildung, Wirtschaft, Sicherheit, Rechtspopulismus.

Und dabei springt Lindner nicht nur von Thema zu Thema, sondern versucht auch ständig den Spagat zwischen Land und Bund. Der NRW-Vorsitzende wird in diesem Jahr sowohl bei den Landtagswahlen als Spitzenkandidat antreten, als auch bei der kommenden Bundestagswahl.

Mit seiner Themensetzung bleibt er aber dann doch meistens in der Bundespolitik. Und betont die urliberalen Themen: Mehr Freiheit für die Wirtschaft, weniger Einmischung vom Staat. Das Endgeldgleichheitsgesetz sei ein Witz, Unternehmer dürften nicht als Betrüger abgestempelt werden und Schulen und Universitäten sollen wieder mehr Selbstbestimmung haben. In Sachen G8 oder G9 und bei der Erhebung von Studiengebühren zum Beispiel.

Umfragen in Nordrhein-Westfalen stehen aktuell bei sieben Prozent. Zweistellig wolle man aber schon werden. Die FDP, sie will wieder ganz vorne mit dabei sein in diesem Jahr. Parteichef Lindner sorgt für den nötigen Optimismus. Im Moment würde Politik mit Angst gemacht. Die angekündigte „rechtspopulistische Sturmflut“ dieses Jahr aber, sehe er nicht.

In Frankreich „liegt nicht Marine Le Pen vorne und in den Niederlanden nicht Geert Wilders“. Man müsse den Rechtspopulisten eben zeigen, „dass sie nicht das Volk sind“, fordert Lindner mit derselben Überzeugung, mit der er seine Partei dieses Jahr wieder in den Düsseldorfer Landtag und zurück in das Berliner Parlament führen will.

Viele fürchten, dass der doppelt kandidierende Lindner im Wahlkampf ein Hindernis sein könnte. Aber ist es nicht das erste Mal, dass ein Kandidat zweigleisig fährt: Gerhard Schröder, hatte seinen Erfolg bei der Landtagswahl in Niedersachsen im März 1998 als Generalprobe für die Kanzlerkandidatur im Oktober des gleichen Jahres genommen. Und die Wähler haben es ihm goutiert.

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