Finanzielle Träume Jamaika jongliert mit 40 Milliarden Euro

Die finanziellen Träume von Jamaika wuchsen in den Himmel: Der Finanzspielraum sollte 35 bis 40 Milliarden Euro betragen. Nun holt sie Finanzminister Altmaier wieder runter. Das macht die Sache nicht eben einfacher.

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Am Abend traf der geschäftsführende Finanzminister Peter Altmaier mit den Verhandlungsführern und den Unterhändlern für Finanzen zusammen. Quelle: Reuters

Jamaika-Unterhändler von CDU, CSU, FDP und Grünen gehen inzwischen von einen Finanzspielraum für die kommenden vier Jahre von 35 bis 40 Milliarden Euro aus. Wie Grünen-Politiker Jürgen Trittin am Mittwochabend in Berlin nach den Beratungen zu den Finanzen sagte, habe der geschäftsführende Finanzminister Peter Altmaier (CDU) wie erwartet „noch ein paar Milliarden gefunden“.

Je nach Berechnung - etwa durch Einbeziehung von Umschichtungen im mittelfristigen Finanzplan oder durch Privatisierungen - könnten auch bis zu 45 Milliarden Euro möglich werden. Von anderen Teilnehmern der Beratungen hieß es, man habe lediglich über verschiedene Szenarien geredet, eine feste Zahl sei nicht genannt worden.

Nach der Steuerschätzung von Anfang November werden von 2017 bis 2021 insgesamt 26,3 Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen gegenüber der Mai-Prognose erwartet. Auf der Basis der Mai-Schätzung hatte der bisherige Finanzminister Wolfgang Schäuble(CDU) Mitte des Jahres und vor der Bundestagswahl seinen Haushaltsentwurf 2018 und die Finanzplanung gemacht.

Altmaier traf am Abend mit den Verhandlungsführern und den Unterhändlern für Finanzen zusammen. Um weitere Spielräume auszuloten, wollen die Jamaika-Verhandler - insbesondere Grüne und FDP - auch die noch von der schwarz-roten Regierung aufgestellte mittelfristige Finanzplanung bis 2021 auf den Prüfstand stellen, ebenso wie Subventionen. Zudem werde über Privatisierungen von Bundeseigentum nachgedacht - hier vor allem über Telekom- und Post-Anteile.

FDP-Chef Christian Lindner sagte nach Ende der Beratungen, man sei bei den Finanzen „einen wesentlichen Schritt weitergekommen“. Sein Respekt gehöre auch den Grünen, „die durchaus Beweglichkeit gezeigt haben und damit dokumentiert haben, dass sie wirklich regieren wollen, und das verdient Anerkennung. Und morgen geht es weiter. Das lohnt sich.“

In anderen Bereichen kamen die Unterhändler am Mittwoch kaum voran. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte, es habe sich im Laufe des Tages gezeigt, dass es bis zu einem Durchbruch in der Nacht von Donnerstag auf Freitag noch sehr schwer werde. Die zahlreichen Wünsche der einzelnen Parteien bei begrenzten Haushaltsmitteln zusammenzubringen, sei äußerst schwierig.

Gegenseitige Vorwürfe machen die Gespräche über knifflige Themen wie Migration, Energie, Verkehr oder Klima nicht einfacher. So warf die CSU den Grünen am Mittwoch erneut mangelnde Kompromissbereitschaft vor. Die Grünen stünden praktisch bei allen Themen auf der Bremse, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Die Union sei dagegen kompromissbereit, es gebe aber klare Linien.


Kleiner Wutausbruch von Kretschmann

Die Gespräche über das Thema Migration und Familiennachzug gerieten am Mittwoch ins Stocken. Die CSU sieht die Gefahr, dass bis zu 750 000 Angehörige von Flüchtlingen nach Deutschland nachziehen könnten. Sie widerspreche damit allen bekannten Studien, hieß es in Teilnehmerkreisen. Deren Zahlen liegen deutlich niedriger.

Für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus ist der Nachzug von Angehörigen bis März 2018 ausgesetzt. Die Grünen wollen danach den Nachzug wieder ermöglichen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt forderte Union und FDP auf, dies zuzulassen. Niemand werde in Frage stellen, dass Familien zusammengehören, das müsse auch für Flüchtlinge gelten, sagte sie insbesondere an die Adresse der Union.

In einem kleinem Wutausbruch attackierte Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) Dobrindt und Scheuer. „So geht es mal nicht weiter“, sagte er mit Blick auf deren zahlreiche verbalen Angriffe auf die Grünen.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner sagte der „Passauer Neuen Presse“ (Mittwoch): „Der Familiennachzug muss auf wenige individuelle Härtefälle beschränkt bleiben, solange es kein Regelwerk für die Einwanderung und Rückführung von Migranten ohne Aufenthaltsrecht gibt.“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte bei der Weltklimakonferenz in Bonn die Bedeutung der Kohlestromreduzierung für den Klimaschutz. Kohle und insbesondere die Braunkohle müssten einen „wesentlichen Beitrag“ zur Erfüllung der Klimaziele leisten, sagte sie und fügte hinzu: „Aber wie genau das ist, das werden wir in den nächsten Tagen miteinander ganz präzise diskutieren müssen.“

Das Thema gehört zu den größten Streitpunkten bei den Jamaika-Sondierungen. Mit Blick auf Klimaziele und Kohleausstieg betonten die Grünen, ihnen seien die Arbeitsplätze keinesfalls egal. Und auch die Versorgung mit Strom müsse sichergestellt werden, sagte Göring-Eckardt. Dennoch müssten die Klimaschutzziele erreicht werden.

Dobrindt warf den Grünen vor, in der Verkehrspolitik auf „Uraltforderungen aus der grünen Mottenkiste“ zu beharren und die Autofahrer bevormunden zu wollen. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, hielt ihm daraufhin Verantwortungslosigkeit in den Sondierungen vor. „Die tagtäglichen Dobrindt-Stänkereien lassen doch nur den Schluss zu, der will das Scheitern der Gespräche“, sagte er der dpa.

Trotz der Nickligkeiten gibt es aber auch Fortschritte - etwa bei der Landwirtschaft. Nach Angaben von CDU-Vizechefin Julia Klöckner verständigte sich die zuständige Arbeitsgruppe über die Höhe der EU-Mittel für die Bauern. Einig seien sich die Partner auch über den Einsatz von weniger Chemie, sagte sie der dpa. Auch beim Thema Tierwohl sei man nah beieinander.

Nach Einschätzung von Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hängt die Empfehlung zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen an Kompromissen in wenigen zentralen Punkten.

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