Finanzkrise Wie stark sich der Staat in die Wirtschaft einmischen darf

Seite 2/2

Warum ist das ein Problem?

Da die Strukturveränderungen gewöhnlich nicht stehen bleiben, sondern sich fortsetzen, da es sich nicht selten um große säkulare Verlagerungen handelt, die sich mehr und mehr verstärken, muss man immer von Neuem und immer schärfer eingreifen, um die beabsichtigte Wirkung immer wieder zu erzielen. Außerdem gewöhnen sich die Interessenten rasch an diese Nachhilfe. Der Appetit kommt beim Essen, und so ergibt sich jene Schraube, die wir kennen, jene Schraube mit dem schlimmen Ende, an dem wir jetzt angelangt sind.

Ist es nicht legitim, wenn die Regierung in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten Unternehmen und Arbeitsplätze retten will?

Wenn wir uns für Volksgenossen mitverantwortlich fühlen, die ohne ihre Schuld in eine wirtschaftliche Notlage kommen, so braucht nicht besonders betont zu werden, dass diese Einstellung an sich einen sozialen Fortschritt darstellt. Ich will nicht von der Übertreibung dieser Einstellung reden, von jener Wehleidigkeit, mit der heute fast jeder Interessent erwartet, dass auf jedes Wehwehchen, und sei es noch so klein, sofort von öffentlicher Hand ein möglichst großes Pflaster geklebt wird, ein Pflaster, das letzten Endes aus unserer Haut geschnitten werden muss. Gegenüber einer solchen Wehleidigkeit bedeutete der vielgescholtene Manchester-Liberalismus eine sehr viel männlichere und mutigere Haltung, in welcher der Unternehmer zu kämpfen wusste, ohne nach öffentlicher Hilfe zu jammern.

Welche Rolle sollte der Staat denn spielen?

Ich bin der Meinung, dass nicht die Wirtschaft unser Schicksal ist, sondern der Staat – und dass der Staat das Schicksal der Wirtschaft ist. Wer sich zum starken Staat bekennt, muss liberale Wirtschaftspolitik wollen. Wer liberale Wirtschaftspolitik für richtig hält, muss den starken Staat wollen. Eins bedingt das andere.

Verstehe ich Sie richtig, Sie wollen einen aktiv handelnden Staat...

...der über den Gruppen steht, einen Staat, der sich aus der Verstrickung mit den Wirtschaftsinteressen wieder herauslöst. Gerade dieses Sichbesinnen und Sichzurückziehen des Staates auf sich selber, diese Selbstbeschränkung als Grundlage der Selbstbehauptung, ist Voraussetzung und Ausdruck seiner Unabhängigkeit und Stärke. Nur so kann er wieder kraftvoll, kann er wieder eigenständig, kann er wieder neutral im Sinne des höheren Ganzen werden, überlegen nicht durch Gewalt und Herrschaft. Sondern durch Autorität.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%