Flüchtlinge in Deutschland In drei Schritten zur gelungenen Integration

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200 Euro für medizinische Versorgung

Projekte wie dieses in der Hauptstadt sind ein Anfang. BA-Chef Frank-Jürgen Weise und Arbeitsministerin Andrea Nahles wollen das Modell künftig bundesweit durchziehen. Ob, wie und wann Hunderttausende Zuwanderer in Deutschland Arbeit finden werden, ist die Schlüsselfrage der Integration. Dass sie eine riesige Herausforderung wird, zeigen die Zahlen: Nur jeder zehnte Asylbewerber gilt als direkt vermittelbar. Nahles rechnet deshalb allein im kommenden Jahr mit bis zu 460.000 zusätzlichen Hartz-IV-Empfängern, die 3,3 Milliarden Euro extra kosten würden. 2019 prognostiziert das Ministerium sogar eine Million Empfänger mehr, die mit rund sieben Milliarden Euro jährlich zu Buche schlagen.

Zudem: „Selbst die qualifizierten Immigranten mit einem Hochschulabschluss werden zunächst nur Jobs unterhalb ihrer formalen Qualifikation erhalten“, sagt Klaus Zimmermann, Chef des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit.

Prominente Fußballer, die einst Flüchtlinge waren
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Damit ist klar: Die gegenwärtige Flüchtlingswelle bedeutet auch Einwanderung in die Sozialsysteme, weil nur wenige derer, die in den vergangenen Monaten über die Grenze ins gelobte Deutschland flüchteten, ohne Weiteres auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen werden. Flüchtlinge sind außerdem häufiger krank als Einheimische. Sie leiden durch Krieg und Vertreibung auch eher an psychischen Problemen. Doch als Asylbewerber können sie nur in Notfällen und bei akuten Schmerzen zum Arzt. Die Gesundheitsministerin von Nordrhein-Westfalen, Barbara Steffens (Grüne), veranschlagt für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen im Schnitt 200 Euro pro Kopf und Monat – das wären 2,4 Milliarden für eine Million Asylbewerber.

So viel Geld bekommen Flüchtlinge in den europäischen Ländern

Demografische Nöte

Aber das ist nur die eine Seite der Rechnung. Auf die andere weisen Demografieforscher hin: „Ohne Zuwanderung wird das Arbeitsangebot bis 2050 um mindestens ein Drittel zurückgehen“, sagt Herbert Brücker vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Das wäre für den Sozialstaat erst recht eine Gefahr: „Immer weniger Erwerbstätige müssten immer mehr Pensionäre finanzieren. Um das Angebot an Arbeitskräften konstant zu halten, ist eine durchschnittliche Nettozuwanderung von gut 500 000 Personen notwendig.“

Deutschland sollte sich also nicht vor Flüchtlingen fürchten – sondern nur davor, dass das Gros derer, die bleiben werden, nicht qualifiziert werden kann. Zunächst werde es wegen der Sprachhürde keinen nennenswerten Anstieg der Schwarzarbeit geben, glaubt Friedrich Schneider, Ökonomie-Professor an der Universität Linz und Experte für Schattenwirtschaft. Aber: „Dauern die Asylverfahren länger als sechs bis acht Monate, dann steigt die Bereitschaft, schwarz zu arbeiten.“ Schneider hält dies nicht einmal für wirtschaftlich schädlich. „Das schwarz verdiente Geld wird sofort in der offiziellen Wirtschaft ausgeben, die davon profitiert. Darüber hinaus ermöglicht es den Flüchtlingen ein besseres Leben.“

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