Flüchtlinge Warum das Recht keine Obergrenze erlaubt

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Verfassungsgerichtspräsident hält Obergrenze nicht für rechtmäßig

Für die Wissenschaftler ergibt sich daraus die Frage, ob auf Basis des Asylrechts künftig eine Obergrenze definiert werden könnte. Mit Verweis auf die Grundrechtecharta halten das die Rechtsexperten für „problematisch“, da es „zu einer pauschalen Ausweisung von Personengruppen international Schutzsuchender käme, ohne dass die individuelle Situation ihrer Mitglieder geprüft würde“. Eine solche Kollektivausweisung sei nur in Notstandsfällen gerechtfertigt. „Ob ein solcher Notstandsfall auf EU-Ebene allein durch einen Zustrom von international Schutzsuchenden ausgelöst werden könnte, erscheint höchst zweifelhaft.“

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Auf EU-Ebene lässt sich nach Ansicht der Rechtsexperten des Bundestages also keine Obergrenze herleiten oder beschließen. Wie sieht es aber auf nationalstaatlicher Ebene aus? Andreas Voßkuhle, Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat im Deutschlandfunk kürzlich Zweifel an einer solchen Idee angemeldet. Das deutsche Asylrecht gelte „für jedermann“, kann seiner Meinung nach also nicht per Obergrenze beschränkt werden. Gleichwohl: „Zuwanderung kann sicherlich beschränkt werden“, sagte Voßkuhle. Er mahnt ein Zuwanderungsgesetz an, durch das sich Deutschland gezielt Einwanderer aussucht.

Die Experten vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages stimmen Voßkuhle zu. Demnach könnet argumentiert werden, dass eine Beschränkung des Asylrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung und der inneren Sicherheit vorgenommen wird. „Es ist jedoch fraglich, ob die autonome Einführung einer mitgliedstaatlich festgesetzten Obergrenze auf dieser Grundlage zulässig wäre“, heißt es im Gutachten. Insbesondere bezweifeln die Autoren, ob eine solche Obergrenze dauerhaft verhältnismäßig wäre. Gegebenenfalls müssten „alternative Maßnahmen“ ergriffen werden.

Vereinfacht gesagt: Wer eine Obergrenze mit den Übergriffen in der Silvesternacht begründen will, kann sich nicht auf das Recht berufen – zumindest nach Meinung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages. Eine Grenzschließung, die der frühere Verfassungsrichter und CSU-Mitglied Udo di Fabio in einem Gutachten fordert, wird in dem Bundestagsgutachten gleichwohl nicht diskutiert. Für die CSU bedeutet das: Weiterärgern, denn das Recht gibt offenkundig keine Obergrenze her. Umso intensiver werden die Christsozialen fortan eine Grenzschließung fordern.

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