Flüchtlinge Was die neue BAMF-Chefin angehen muss

Die Leiterin der Berliner Arbeitsagentur, Jutta Cordt, soll Nachfolgerin von Frank-Jürgen Weise beim BAMF werden. Der hat als Krisenmanager in Nürnberg viel erreicht. Aber es bleiben mehr als genug Baustellen.

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Jutta Cordt Quelle: dpa

Man kann nicht gerade behaupten, dass Frank-Jürgen Weise geliebt wird beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das hat gleich mehrere Gründe.

Da war die schonungslose Art, mit der Weise die Zustände im Amt nach seiner Übernahme kritisierte, nachdem er den Job des Krisenmanagers im vergangenen Oktober auf Bitten der Kanzlerin übernommen hatte. Da war seine Neigung, die von ihm reformierte Bundesagentur für Arbeit (BA) als Musterbeispiel einer gut geölten Bürokratie – und als strahlenden Gegensatz zum BAMF – zu präsentieren. Oder seine Entscheidung, teure Unternehmensberater einzukaufen, die den Laden aufmischten, und die, in Hauruckverfahren tausende neue Mitarbeiter zu integrieren.

Nun muss man sagen: Angesichts der Zustände, die im Nürnberger Amt herrschten, war das Meiste davon in der Sache notwendig. Weise musste eine vollkommen überforderte Behörde, die 2015 auf eine beispiellose Zahl von neuen Asylanträgen traf, binnen Monaten auf eine ungekannte personelle wie technologische Leistungsfähigkeit trimmen. Nimmt man als Maßstab, wie das BAMF vor gut einem Jahr, noch vor Weises Feuerwehreinsatz, nicht funktionierte und wie es heute läuft, dann sollte man festhalten: es ist schon einiges besser geworden.


Wenn Weise nun Ende des Jahres – wie angekündigt – seinen Interims-Posten im BAMF aufgibt, wird er eine Menge geleistet haben. Allerdings: Die Wahl seiner Nachfolgerin bedeutet auch, dass er dem verordneten Kulturwandel im Flüchtlingsamt noch nicht traut.

Denn es folgt niemand aus dem Bundesinnenministerium, dem Haus also, das die Oberaufsicht über das BAMF hat. Es folgt auch niemand aus dem Amt selbst. Stattdessen übernimmt eine vertraute Managerin aus dem Kreisen der BA – auch wenn diese Personalie noch nicht offiziell bestätigt wird. Jutta Cordt, bisher Chefin der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg, 52 Jahre, Juristin und Motorrad-Fahrerin wie Weise selbst, ist ein überdeutliches Signal an das Establishment des Amtes. Es bedeutet: Ruht Euch nicht aus, die Reform geht weiter.

Aus dem Umfeld Weises wird sehr deutlich gemacht, dass Cordt seine Personal-Empfehlung war. Und auch, dass der zuständige Bundesinnenminister Thomas de Maizière diesem Rat folgte. Es bestünde, so heißt es, durchaus die „Angst, dass alles wieder in sich zusammen fällt“. So ist die Personalie Cordt also wohl zu allererst folgendermaßen zu lesen: Weises Erbe soll von einem erprobten BA-Gewächs fortgeführt werden, damit im BAMF nicht wieder der verstaubte Schlendrian einzieht.

Auch in der Nach-Weise-Ära wird es noch genügend Baustellen für Cordt geben, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf verschiedenen Posten der BA Karriere machte und einst in der Geschäftsstelle an den Hartz-Reformen mitwirkte. Viele in Nürnberg klagen über den Druck und die Arbeitsbelastung, die mit Weise eingezogen ist. Manche nennen es gar die „BA-isierung“ des Amts – als Lob ist das nicht gemeint. Es gibt zudem scharfe interne Kritik an zu laxer Einstellungspolitik und den Turboqualifizierungen für Asyl-Entscheider. Cordt muss also zunächst die Stimmung aufhellen.

von Simon Book, Max Haerder, Rebecca Eisert, Maximilian Nowroth, Jürgen Salz, Christian Schlesiger, Cordula Tutt, Kathrin Witsch

Vor allem aber, trotz aller Verbesserungen, kämpft das BAMF noch mit einem Berg von nicht erledigter Arbeit. Ende Juli gab es 526.000 unerledigte Asylfälle. In den ersten sieben Monaten des Jahres kamen 430.000 neue Anträge hinzu, beschieden wurden aber nur 336.000. Ergo: Der Berg wächst sogar noch immer. Bis Ende des Jahres, so wie vor Monaten versprochen, ist das Abtragen nicht mehr zu schaffen.

Die Hälfte der neuen Anträge, so betont Weise zwar, kann mittlerweile in den Ankunftszentren binnen einer Woche abgearbeitet werden. Aber das Amt kämpft noch immer mit einer Fülle von Altfällen, die aus 2015, 2014 oder früheren Jahren stammen. Die Folge: Im zweiten Quartal dauerte eine Entscheidung im Schnitt rund 7,3 Monate. Das ist wieder deutlich länger als Ende 2015 (5,1 Monate), und es ist weiterhin sehr weit entfernt von der Zielmarke, eine durchschnittliche Bearbeitungszeit von drei Monaten zu erreichen. Für Jutta Cordt bleibt also eine Menge zu erledigen.

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