Flüchtlings-Gipfel der Union Mehr als nur Wahlkampfgetöse

Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer können sich in der Flüchtlingspolitik nicht einigen. Nun soll es ein Spitzentreffen richten. Doch es gibt noch so viele weitere Probleme. Eine Analyse.

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Der CSU-Chef und die Kanzlerin liegen seit Monaten über Kreuz – vor allem in der Flüchtlingsfrage. Quelle: AP

Berlin Wenn sich Kanzlerin Angela Merkel, in persona auch CDU-Vorsitzende, und der Chef der Schwesterpartei CSU treffen, dann müssen andere Termine weichen. An diesem Mittwoch ist so ein Tag: Merkel und Seehofer beraten seit 11.30 Uhr gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) und Gerda Hasselfeldt (CSU) sowie Kanzleramtschef Peter Altmaier, zugleich Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble über die Flüchtlingskrise. Leidtragender ist Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt. Haseloff, selbst CDU-Präsidiumsmitglied, steht am 13. März zur Wahl. Seit Monaten plädiert er für Obergrenzen bei der Aufnahme von Flüchtlingen und steht damit Seite an Seite mit Seehofer, nicht mit Merkel. Deshalb tritt auch Seehofer bei ihm im Wahlkampf auf. An diesem Mittwoch sollte es zwei Auftritte geben, einen in Magdeburg um 13 Uhr und einen um 16 Uhr in Halle. „Wir haben die Termine zusammengelegt“, heißt es inzwischen in Magdeburg. Seehofer und Haseloff werden in einem Hotel ein Zwiegespräch vor Publikum führen und sich den Fragen der Bevölkerung stellen.

Der Termin im Kanzleramt steht seit gut einer Woche fest. Er sei die Reaktion auf Seehofers Bitte nach einem Spitzentreffen der Koalitionsspitzen. Bekommen hat er damit nun zumindest ein Treffen der Führungspolitiker von CDU und CSU. Eigentlich sollten solche Treffen regelmäßig alle 14 Zage stattfinden, wie CDU und CSU im November verabredet hatten. Dies gelang bislang aber nicht. Im Gegenteil: CSU-Politiker wie Markus Söder sprachen inzwischen davon, dass die Schwesterparteien nur noch „entfernte Verwandte“ seien bei denen „die Gefahr einer tief greifenden Entfremdung“ bestünde.

Allein deshalb geht es bei dem Treffen mitnichten nur um reines Wahlkampfgetöse, auch wenn zuvor keine genaue Tagesordnung festgelegt wurde. Die Schwesterparteien stehen vor schwierigen Entscheidungen. Nicht nur gilt es, einen gemeinsame Kurs in der Flüchtlingspolitik zu finden. Merkel und Seehofer liegen in der Sache seit Monaten über Kreuz. Die bayerische Staatsregierung plant sogar, gegen die Bundesrepublik und damit gegen die Regierung Merkel zu klagen, was im Zweifel sogar ein Ende der Fraktionsgemeinschaft bedeuten würde. Zumindest bis zu den Landtagswahlen aber bemüht sich Seehofer, keine allzu harte Stimmung gegen Merkel zu machen.


Und dann sind da noch die Konflikte mit der SPD

Der Kanzlerin selbst kommt zu Gute, dass sie in diesen Tagen von der Politik profitiert, die sie nie wollte: Die Balkanstaaten und Österreich haben ihre Grenzen geschlossen, so dass weit weniger Flüchtlinge in Deutschland ankommen, als noch im Januar. Das schafft erst einmal Luft in der Debatte um die Grenzsicherung im eigenen Land, auch wenn die CSU weiter Maßnahmen fordert.

Darüber hinaus fordert Seehofer vom Bund auch Milliardenhilfen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Bayern selbst hat bereits ein Milliardenschweres Integrationspaket aufgelegt, die Kosten aber steigen weiter; und eine Lösung, wie sich Bund und Länder die Kosten aufteilen, gibt es noch nicht.

Und dann sind da noch die Konflikte mit dem Koalitionspartner SPD. So lehnt die CSU den SPD-Vorschlag zur Bekämpfung des Missbrauchs bei der Leiharbeit und Werkverträgen ab. Auch bei der Reform der Erbschaftssteuer gibt es Widerstand aus Bayern. Nicht ohne Grund sitzt Finanzminister Schäuble mit in der Runde. Am Ende könnte es auch noch um die Frage gehen, ob es noch eine Einigung bei der angestrebten Reform der Finanzbeziehungen von Bund und Ländern geben kann. Spätestens um 15 Uhr muss die Runde auseinander gehen.

Danach dann geht es weiter in die wichtigen Wahlkämpfe: Während Seehofer nach Halle fährt, wird Merkel in Rheinland-Pfalz auftreten. Dort versucht CDU-Parteivize Julia Klöckner, die Regierung zu übernehmen. Sie hat sich dazu wie Haseloff in Sachsen-Anhalt von Merkel abgegrenzt und fordert Tageskontingente. Merkel indes lehnt dies weiter ab. Und auch in Baden-Württemberg wählen die Menschen am 13. März einen neuen Landtag. CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf hatte sich erst kürzlich in einem gemeinsamen Papier mit Klöckner von Merkels Flüchtlingskurs distanziert.

Am Freitag indes will er mit der Landes-CDU einen Wahlaufruf für den Endspurt verabschieden ¬ mit einem klaren Bekenntnis zu Merkels Flüchtlingspolitik. Merkel wird auf dem Parteitag auftreten und dafür auf den Besuch des Firmenjubiläums der Stihl AG mit dem amtierenden Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) verzichten. Manches Mal müssen Termine weichen.

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