Flüchtlingskind gegen Flüchtlingspolitik „Wer hierher flüchtet, bekommt alles auf dem Servierteller“

Seine Eltern sind aus Sri Lanka geflüchtet. Als Chef des Rings Christlich Demokratischer Studenten sitzt Jenovan Krishnan im CDU-Bundesvorstand. Nun kritisiert er die Flüchtlingspolitik – und verlangt mehr Demut.

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Jenovan Krishnan ist Bundesvorsitzender des Rings Christlich Demokratischer Studenten (RCDS). Damit sitzt er qua Amt im CDU-Bundesvorstand. Quelle: dpa

Berlin Seine Eltern werden der Bitte des Präsidenten nicht folgen. Sie werden 30 Jahre nach ihrer Flucht vor dem Bürgerkrieg nicht nach Sri Lanka zurückkehren. Auch wenn Staatschef Maithripala Sirisena neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt steht, als er den Tamilen versichert, dass wieder Frieden in ihrer Heimat herrsche, sie mögen bitte zurückkehren, Sri Lanka brauche sie. Doch die Heimat von Jenovan Krishnans Eltern ist Deutschland.

Ihr Sohn wurde in Nürnberg geboren, katholisch getauft, heute ist er 24 Jahre alt. Sie haben hart gearbeitet, damit er es besser haben wird als sie, die in seinem Alter vor Tod und Folter nach Deutschland flohen, ohne Ausbildung und mittellos. Sie fanden Arbeit in der Metallindustrie. Das ist auch heute noch ihr Job. Sie haben Jenovan das Abitur machen lassen, jetzt studiert er Politikwissenschaften, auch sein jüngerer Bruder wird zur Universität gehen.

Wenn ihm etwas nicht gefiel, haben sie gesagt: „Tu etwas und heule nicht.“ Jenovan Krishnan spricht voller Respekt von seinen Eltern, er berichtet, wie sie denken und macht es sich zu eigen.

Im vorigen Oktober ließ er sich zum Bundesvorsitzenden des Rings Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) wählen und sitzt seither damit qua Amt im CDU-Bundesvorstand. Als sozialisierter Bayer und Kind tamilischer Flüchtlinge nimmt der dunkelhäutige Mann mit pechschwarzem Haar und Vollbart an den Sitzungen mit der CDU-Vorsitzenden teil. Er ist der Jüngste von allen. Merkels allererste Frage wird er nicht vergessen: Ob er CSU-Mitglied sei.

Nein, ist er nicht. Er ist zwar im schönen Allgäu aufgewachsen, aber richtig politisch ist er erst in Frankfurt, seinem Studienort, geworden. In Hessen ist CDU-Generalsekretär Peter Tauber auf ihn aufmerksam geworden. Krishnan verkörpert genau das, was Tauber unter „jünger und bunter“ für die CDU versteht. So trat er 2012 in die Junge Union ein und 2014 in die CDU. Seit 2015 ist er Mitglied im hessischen CDU-Landesvorstand und eben auch im Bundesvorstand.


„Integration ist mit Arbeit verbunden“

Krishnan findet Merkel „super beeindruckend“. Im Mai habe er ein Vier-Augen-Gespräch mit ihr gehabt und ist immer noch verwundert, dass diese so vielbeschäftigte Frau sich überhaupt eine ganze Stunde Zeit für den neuen RCDS-Vorsitzenden genommen – und dann auch noch zugehört habe. „Sie hat mich auf Augenhöhe behandelt, war offen für Vorschläge. Das motiviert.“ Was das für Vorschläge waren?

Krishnan hat eine eher leise Stimme. Er spricht mit Bedacht. Es gibt etwas, das seinen Eltern Sorgen bereite, und ihm auch. Es seien im vorigen Jahr zu viele Flüchtlinge nach Deutschland gekommen (in etwa eine Million Menschen). Das erschwere die Integration. Und: „Meine Eltern sagen, wer heute nach Deutschland kommt, bekommt alles auf dem Servierteller.“ In den 1980er Jahren hätten sie sich Anerkennung erkämpfen müssen. Sie hätten eine Bringschuld gehabt, Deutsch zu lernen und sich mit der deutschen Kultur auseinanderzusetzen.

Heute hätten so manche Flüchtlinge keine Demut vor diesem Deutschland mit seiner großartigen Demokratie und seinem Rechtsstaat. „Integration ist mit Arbeit verbunden.“ Er meint die Flüchtlinge. Krishnan, ein Kind von Flüchtlingen, mit einer Mutter, die regelmäßig in die Kirche geht und den Vater – einen Hindu – wenigstens zu Weihnachten mitschleppt. Eine Vorzeige-Familie, die es geschafft hat, und sich nun sorgt, dass zu viele andere Flüchtlinge kommen.

Ein junger Mann, der für Angela Merkel, die „Flüchtlingskanzlerin“, ist. Aber vielleicht eher so denkt wie deren Widersacher Horst Seehofer. Der CSU-Chef und Ministerpräsident von Krishnans bayerischer Heimat, der eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen verlangt.

Als RCDS-Chef wendet sich Krishnan dagegen, Kriterien für Flüchtlinge für einen Hochschulzugang abzusenken. „Ohne Zeugnisse kein Studium. Und ein Test auf Arabisch für ein Studium auf Deutsch bringt auch nichts.“ Strebt er eine Politiker-Karriere an? „Das kann man nicht planen“, sagt er. Politik-Beratung kann er sich auch gut vorstellen. Kommunikationswege analysieren und steuern.

24 Jahre in Deutschland, sichtbar anders, aber angefeindet wurde er nach eigenen Worten eigentlich nie. Blöde Sprüche auf dem Fußballplatz, das schon. „Inder“ wurde er genannt. Dabei ist er doch Deutscher, und wenn nicht das, dann tamilischer Herkunft, aber nicht indischer. Oft ist ihm aber auch gesagt worden: „Sie sprechen aber gut Deutsch.“ Dann hat er geantwortet: „Sie auch.“

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