Klatschspalte Das ist so typisch deutsch

Die Anteilnahme mit Flüchtlingen artet in ein Selbstdarstellungsspektakel aus. Das ist so lächerlich.

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Serdar Somuncu ist Kabarettist und Buchautor. Er tourte fast zwei Jahrzehnte mit einer kommentierten Lesung von „Mein Kampf“. Quelle: Laif

Immer diese Extreme. Erst gegen Ausländer sein und alles, was fremd ist, unter Generalverdacht stellen, jahrelang nix mitbekommen, wenn eine Nazibande durchs Land zieht und Leute auf offener Straße killt, und dann Kehrtwende um 180 Grad, und alle Flüchtlinge sind plötzlich gut, der Islam gehört zu Deutschland, Vielfalt ist super, blablabla. Wir singen zusammen im Flüchtlingschor gegen Ausländerfeindlichkeit und den bürgerlichen Nazimob: „Wir lagen vor Lampedusa und hatten keinen Pass an Bord.“

Was kotzt mich mittlerweile dieser Common Sense von Willkommenskultur an. Hauptsache, alles in einen Topf werfen und schön verallgemeinern. Refugees welcome! Wer jetzt? Nur die guten oder auch die bösen? Egal! Hauptsache mitmachen. Letztes Jahr war’s noch die Icebucketchallenge, jetzt sind es die Flüchtlinge. Und so wenig, wie heute noch über den Kampf gegen ALS gesprochen wird, so unglaubwürdig ist die Anteilnahme, wenn sie Teil eines Spektakels wird, bei dem es vielmehr um das Image des engagiertesten Wohltäters zu gehen scheint, als um die Frage, wie man aus den Fehlern der Vergangenheit lernen kann.

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Darf man weiter Ressourcen und Rechte ausbeuten, Kriege mitfinanzieren und an der Not der anderen verdienen, oder muss man akzeptieren, dass jeder Mensch ein Recht auf ein Leben in Freiheit, Frieden, Wohlstand hat?

Flüchtlinge werden dadurch nicht weniger, dass man zur Abwechslung mal freundlich zu ihnen ist.

Stattdessen wird Anti-Rassismus zur kommerziellen Attitude, und Haltung mutiert zum plumpen Entertainment der intellektuellen High Society. Exodus Ladenschluss im Circus Halluzinogalli.

Das Wort Flüchtling ist inzwischen nur eine vage Umschreibung für geheuchelte Anteilnahme. Es müsste eigentlich positiver Rassismus heißen. Der Neger ist gut, noch besser, wenn er über das Mittelmeer kommt; Syrer sind gute Ausländer, weil gegen Assad; Sinti und Roma grundsätzlich kriminell, Griechen korrupt und Türken irgendwie unheimlich.

Die wichtigste Aufgabe, die wir in den nächsten Jahren in dieser Gott sei Dank immer vielfältiger werdenden Nation haben, ist es, nicht blind Zuneigung und Ablehnung zu verteilen, sondern das Abwägen zu lernen und Argumentationen zuzulassen. Nicht jeder Flüchtling, der kommt, ist per se gut und nicht jeder, der gegen die Unterwanderung des Abendlandes protestiert, ein Nazi.

Aber wer seine Meinung aufgrund von Trends bildet, um sie als Schmuck vor seine Ignoranz zu stellen, der ist oft nur ein Opportunist.

Toleranz braucht die Fähigkeit zum Verständnis, und Konsens ist oft nur der letzte Ausweg vor der Eskalation.

Abwarten. Schon in ein paar Monaten kann es wieder vorbei sein, und der Ausländer ist wieder genauso schlecht, wie er vorher war. Und dann sagen Sie nicht, Sie hätten von alldem nichts gewusst. Salamaleikum und servus!

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