Flughafen BER Das Trauerspiel geht weiter

Der Eröffnungstermin für Deutschlands peinlichste Baustelle wird erneut verschoben. Nun werden Erinnerungen an Pläne von 2012 wach, als Hilfsarbeiter das Schließen von Automatiktüren übernehmen sollten.

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Das Drama um den Hauptstadtflughafen BER findet nach wie vor kein Ende. Quelle: dpa

Wenn die Fertigstellung eines Neubaus zum x-ten Mal verschoben wird, dann ist auch eine erneute Verschiebung keine wirkliche News mehr. Der Flughafen BER ist da keine Ausnahme. Mitte Januar hat das Management mitgeteilt, dass der Eröffnungstermin 2017 nicht gehalten werden könne. Nun also soll es irgendwann im Jahr 2018 losgehen.

Man könnte einfach mit den Schultern zucken, wenn das ganze Drama nicht so tragisch und teuer wäre. Zum einen hat der völlig verkorkste Flughafen-Bau in der deutschen Hauptstadt die gesamte Bauindustrie international zum Gespött gemacht. Ganz zu schweigen von den Millionen Touristen, die jedes Jahr nach Berlin strömen und angesichts eines heruntergekommenen Airports Tegel peinlich berührt sind. Außerdem drohen mit jedem Tag Verzug zusätzliche Kosten. Die Rechnungen der Baufirmen werden immer höher – und für den Steuerzahler ist der Flughafen schon jetzt ein Milliardenbau. Der BER bleibt ein Trauerspiel.

Und immer noch scheint das Baumanagement die Probleme nicht in den Griff zu bekommen. Die Türen schließen im Brandfall nicht richtig und auf die Sprinkleranlagen ist auch kein Verlass. Flughafen-Chef Karsten Mühlenfeld verschiebt die Eröffnung bereits ein fünftes Mal seit 2006 und muss dem Aufsichtsrat heute Rede und Antwort stehen.

Eigentlich sollte es auf der Sitzung des Kontrollgremiums um Personalfragen in eigener Sache gehen. Die Arbeitnehmervertreter dürfen fünf neue Mitglieder bestellen, weil die Belegschaft des Flughafens so groß geworden ist, dass sie eine paritätische Verteilung im 20-köpfigen Aufsichtsrat rechtfertigt. Doch nun wird die Sitzung kurzerhand zum Krisentreffen.

Die Kontrolleure müssen vor allem zwei Punkte klären. Erstens: Welche Verantwortung tragen die zuständigen Baufirmen? Zweitens: Wie konnte die Baukontrolle erneut derartig entgleiten?

Deutschlands Vorzeuge-Konzerne spielen mit

Zu Frage eins: Welche Rolle spielen also Deutschlands Vorzeige-Konzerne? Inzwischen ist klar, dass keine Klitschen am Werk sind, sondern namhafte Firmen. So koordiniert der Elektronikriese Bosch die Steuerung der mehr als 1000 Automatiktüren in den Terminals. Im Brandfall müssen sie optimal funktionieren, doch bei Tests Ende der vergangenen Jahres stellte sich heraus, dass die Fehlerquote bei 80 Prozent liegt.

Bis heute lassen sich die Türen offenbar nicht ausreichend elektronisch steuern, weil sie nicht richtig verkabelt sind. Ursache sei der Umbau der Entrauchungsanlage, heißt es. Durch Stillstand und Beschädigung seien zudem viele Türen defekt, ihre Elektromotoren müssen ausgetauscht werden.

Wie es am Pannen-Airport derzeit aussieht
Christian Schlesiger (l), Karsten Mühlenfeld (r) Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Sitzbänke unter Plastikplanen Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Kabel Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Karsten Mühlenfeld Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Kunst im Berliner Flughafen. Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Duty-Free-Bereich Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche
Check-In-Schalter von Air Berlin. Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

Nun wolle Bosch "signifikant" mehr Leute auf die Baustelle schicken. Sie sollen die Steuerungsprobleme beheben. Zusätzlich wolle Bosch die unterschiedlichen Baufirmen besser koordinieren, ließ Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) nach einem Treffen mit Bosch-Vertretern verkünden. Flughafen-Chef Karsten Mühlenfeld sagte: "Das Türenproblem ist nicht das Problem einer Firma, sondern vieler Firmen."

Nachträgliche Änderungen sorgen für Probleme

Ebenso düster ist die Lage offenbar bei den Sprinkleranlagen. Es müssen noch größere Rohre eingebaut werden. Wer weiß, wie niedrig die Zwischendecken sind, kann erahnen, dass das keine einfache Aufgabe ist. Weil der BER größer werden sollte als ursprünglich geplant, entschied man sich vor vielen Jahren, eine Zwischenetage einzuziehen. Die dünne Decke macht heute Probleme, weil in ihr die vielen Kilometer Kabeltrassen und Entrauchungsrohre untergebracht werden müssen. Noch größere Rohre für die Sprinkleranlage dürften zusätzliche Probleme schaffen. Auch die Baufirma Caverion musste sich erklären.

Die erneuten Probleme werfen kein gutes Licht auf die Unternehmen, die sich mitunter stolz als Marktführer in ihren Branchen präsentieren.

Hat der BER überhaupt noch eine Chance?

Zu Frage zwei: Wie steht es mit der Baukontrolle? Als im Herbst vergangenen Jahres der Flughafen zu einem Presserundgang einlud, war von den jetzigen Problemen nichts zu ahnen. Anwesende Journalisten berichten gar, dass zahlreiche Türen, die heute Probleme machen, mit einem Schild versehen waren: "Diese Tür ist fertiggestellt und in Betrieb!" Es gab also keine Anzeichen auf technische Probleme. Zudem versprühte der anwesende Technikchef Jörg Marks Optimismus.

Versprechen wurden nicht gehalten

Doch offenbar entglitt erneut die Kontrolle der Bauprozesse. Nach den vielen Verschiebungen in der Vergangenheit – und den damit einhergehenden Neuanfängen im Management – versprachen die Beteiligten, alles Mögliche zu tun, damit sich die Probleme nicht wiederholten. Doch die aktuellen Äußerungen der Betroffenen lassen erahnen, dass die Bemühungen offenbar nicht maximal waren.

Denn erneut gibt es das Versprechen, die Prozesse besser zu koordinieren. Natürlich befinde man sich mit den verantwortlichen Firmen in "sehr guten, kooperativen Gesprächen“, so Müller. Jede Tür müsse bis zu hundert verschiedene Funktionen erfüllen. Neun Handwerksbereiche seien beteiligt. Müller sagt: "Wir brauchen jetzt in der Schlussphase der Fertigstellung, in der wir sind, einfach eine noch engere Abstimmung und Koordinierung aller beteiligten Firmen."

Warum die Koordinierung erneut nicht geklappt hat? Das sind Fragen des Aufsichtsrats an das Management und auch an sich selbst. Ansonsten droht es noch peinlicher zu werden.

Hinter den Kulissen des BER

Fast fünf Jahre ist es her, da bewilligte der Aufsichtsrat dem damaligen BER-Management 20 Millionen Euro für eine pragmatische "Mensch-Maschine-Lösung". Der Flughäfen heuerte 700 Hilfskräfte an, die nach der geplanten Inbetriebnahme des neuen Hauptstadtflughafens 2012 im Brandfall die Türen öffnen und schließen sollten. So peinlich, so wahr.

In seinem aktuellen Politikbrief "BER aktuell" erinnert Flughafen-Chef Mühlenfeld an die Einigung von damals. Das werde sich aber nicht wiederholen. "Die Situation ist heute allerdings eine andere“, schreibt Mühlenfeld. "Viele der Arbeiten im Terminal konnten wir mittlerweile erfolgreich abschließen."

Das klingt vielversprechend. Aber viel versprochen wurde schon viel.

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