„Flugzeuge mit Minderleistungen“ Von der Leyen droht Airbus wegen A400M

Dass die Bundeswehr den A400M dringender denn je braucht, zeigen die Probleme mit Transall-Maschinen beim Irak-Einsatz. Doch bei der Auslieferung hakt es. Das Verteidigungsministerium will das nicht hinnehmen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU): Wegen Technikpannen bei der Bundeswehr unter Druck. Quelle: dpa

Berlin Die alternde Flotte der Luftwaffe ist in einem teilweise desolaten Zustand. Gerade jetzt, wo die Bundeswehr im Nord-Irak kurdische Kämpfer im Umgang mit deutschen Waffensystemen schulen soll, wiegt der Ausfall von Transportmaschinen des Typs Transall besonders schwer.

Die Ausbilder, darunter sechs Fallschirmjäger und ein Sanitäter, hatten wegen einer defekten Transall in Bulgarien auf eine Ersatzmaschine warten müssen. Erste nach einigen Verzögerungen konnten sie vom bulgarischen Burgas aus in Richtung Erbil weiterfliegen. Nicht nur im Irak spielen die Transportflugzeuge eine zentrale Rolle. In Afghanistan werden sie ebenso benötigt wie im Kosovo. In Mali versorgten Transall-Maschinen der Bundeswehr afrikanische Truppen mit Nachschub. Jetzt sollen sie sich an der Luftbrücke in die westafrikanischen Ebola-Gebiete beteiligen.

Die Intensität der Einsätze und die Altersschwäche der Transall führen zu häufigen Ausfällen. Lediglich 24 von 56 Flugzeugen sind derzeit einsatzbereit, wie aus einem Bericht des Bundesverteidigungsministeriums hervorgeht. Eigentlich sollte die in den 1960er-Jahren entwickelte Maschine längst ausgemustert sein. Doch die Auslieferung des Nachfolgers, ein A400M-Militärtransporter, steht unter keinem guten Stern.

Über die Beschaffung streitet das Verteidigungsministerium seit Jahren mit dem Hersteller Airbus. Seit langem steht fest, dass der A400M später ausgeliefert und teurer als geplant wird. Ende des Jahres soll nun die erste von insgesamt 53 bestellten Maschinen ausgeliefert werden. Doch auch hier kommt es zu einer Verzögerung – die Rede ist von mindestens einem weiteren Monat. Frühestens im Dezember soll nun das erste Exemplar bei der Luftwaffe ankommen. Dann allerdings auch nur mit eingeschränkten Fähigkeiten.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) will das nicht hinnehmen. A400M-Maschinen mit „Minderleistungen“ sollen daher nur dann abgenommen werden, wenn Airbus die Kosten zur Beseitigung der Mängel übernimmt. Das geht aus einer auf den 1. September 2014 datierten Antwort des Verteidigungs-Staatssekretärs, Markus Grübel (CDU), auf eine schriftliche Frage des Haushalts- und Verteidigungsexperten der Grünen-Bundestagsfraktion, Tobias Lindner, hervor.

„Die Abnahme der Flugzeuge mit Minderleistungen (…) wird nur erfolgen, sofern angemessene Kompensationsleistungen in Verbindung mit einem für den Bund kostenfreien Nachrüstungsprogramm zur Erreichung der geforderten Fähigkeiten für die operative Nutzung vereinbart werden können“, heißt es in dem Schreiben, das dem Handelsblatt (Online-Ausgabe) vorliegt.


Airbus kommentiert Vertragsdetails nicht

Airbus wollte sich zu einzelnen Vertragsdetails nicht äußern. Ein Airbus-Sprecher sagte dem Handelsblatt (Online-Ausgabe) lediglich: „Hinsichtlich der anstehenden Auslieferung des ersten A400M an Deutschland stehen wir selbstverständlich in intensivem Kontakt mit unserem Kunden.“

Airbus dürfte ohnehin nicht viel von deutscher Seite zu befürchten haben, zumal sich die Bundesregierung zunächst mit den A400M-Partnernationen abstimmen und eine gemeinsame Handlungsstrategie gegenüber dem Auftragnehmer entwickeln müsste. Dass die Positionen der teilnehmenden Nationen aber „aufgrund ihrer unterschiedlichen Interessenlagen nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen“ sind, hat auch schon das Verteidigungsministerium in einem Brief an den Bundesrechnungshof eingeräumt.

„Einige Partnernationen nehmen Minderleistungen und Risiken zu Gunsten der möglichst planmäßigen Auslieferung der Flugzeuge in Kauf“, heißt es in dem auf den 21. August datierten Schreiben, das dem Handelsblatt (Online-Ausgabe) vorliegt. Zudem müsse darauf hingewiesen werden, dass gemäß A400M-Hauptvertrag vorgesehen sei, dass die Fähigkeiten im Verlauf der Entwicklung stufenweise aufwüchsen. „Die assoziierten Risiken entwickelten sich ebenfalls in diesen Stufen, weshalb zum jetzigen Zeitpunkt hierüber noch kein vollständiges Bild vorliegen kann.“

In dem Brief des Ministeriums an den Bundesrechnungshof, der auch an das Finanzministerium adressiert ist, macht das Ressort trotz der Abstimmungsschwierigkeiten mit den Partnernationen deutlich, dass es sich um „Preisnachlässe für die Minderleistungen sowie den Weiterbestand der Kündigungsrechte“ beim Hersteller Airbus bemühe. Demnach fordert das Verteidigungsministerium Airbus auf, weitere Risiken offenzulegen. Zudem werde damit gedroht, die Kaufverträge für die Flugzeuge zu kündigen, die die vereinbarten Eigenschaften nicht erfüllten.


„Bevor der A400M nicht auf dem Hof steht, glaube ich nichts mehr“

Vor diesem Hintergrund ist die Drohung des Ministeriums mit einem Abnahme-Stopp für den A400M, wie sie dem Antwortbrief an den Grünen-Politiker Lindner zu entnehmen ist, als weiterer Versuch zu verstehen, den Druck auf Airbus zu erhöhen.

Ungeachtet dessen geht das Ministerium davon aus, dass trotz der Mängel der Anfangsflugbetrieb mit dem A400M stattfinden kann. „Die operationelle Bewertung der vorliegenden Minderleistungen durch die Luftwaffe hat ergeben, dass der Anfangsbetrieb der Luftwaffe nicht beeinträchtig wird, schreibt der Parlamentarische Staatssekretär. „Insofern wird weiterhin mit Nachdruck an den vorbereitenden Maßnahmen für eine zeitgerechte Übernahme des ersten Flugzeugs gearbeitet, um die Aufnahme des Ausbildungsflugbetriebs und den Aufbau der Lufttransportfähigkeiten bei der Luftwaffe nicht zu gefährden.“

Gleichzeitig will von der Leyen möglichen Engpässen vorbeugen. In der „Bild am Sonntag“ räumte sie ein, dass es noch Jahre dauern werde, bis die Bundeswehr über eine voll einsatzfähige A400M-Flotte verfügt. So lange müsse die „bewährte, alte Transall“ fliegen. „Aber wir müssen sie entlasten, fügte die Ministerin hinzu. „Deshalb prüfen wir, parallel zusätzliche Transportflugzeuge zu mieten. Die kann man für humanitäre Einsätze nutzen, während die gegen Beschuss geschützten Transall vor allem in gefährliche Krisenregionen fliegen sollen.“ Dass Deutschland hier weltweit mehr Verantwortung übernehme, zeige das Engagement gegen den IS-Terror im Irak und die Bekämpfung der Ebola-Seuche in Afrika.

Während sich das Ministerium in Zweckoptimismus übt, sind Verteidigungspolitiker aus der Koalition und der Opposition deutlich skeptischer. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, hält gar weitere Auslieferungsverzögerungen für möglich. „Uns wurde mitgeteilt, dass sich die Auslieferung wohl von November auf Dezember verzögert. Bevor der A400M nicht auf dem Hof steht, glaube ich nichts mehr“, sagte Arnold dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Ich habe kein Vertrauen mehr in Liefertermine, die dann wieder nicht eingehalten werden.“

Für die Bundeswehr bedeute das Fehlen des A400M eine „massive Einschränkung, weil sie mit alten, teilweise mit technischen Mängeln behafteten Transall auskommen muss“, sagte Arnold weiter. „Der A400M wäre ein Quantensprung für die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr.“

Die Grünen wiesen darauf hin, dass jetzt schon klar sei, dass es bei den ersten A400M wegen Minderleistungen der Industrie zu operativen Einschränkungen komme. „Für die Minderleistungen muss zwingend eine Kompensation durch die Industrie erfolgen und sichergestellt sein, dass die Mängel zu einem späteren Zeitpunkt durch die Industrie beseitigt werden“, sagte der Haushalts- und Verteidigungsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Tobias Lindner, dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Eine Kompensation sei der „Minimalkompromiss“, der nicht unterschritten werden dürfe. „Sonst darf die Bundeswehr keine mangelhaften A400M übernehmen.“


„Leyen-Ministerium vertuscht Probleme“

Lindner warf Bundesverteidigungsministerin von der Leyen in diesem Zusammenhang massive Versäumnisse vor. „Die Verhandlungen über eine Kompensation wegen Minderleistungen sind wenige Wochen vor Liefertermin nicht erfolgt“, sagte der Grünen-Politiker. Dass von der Leyen immer nur prüfe, aber nicht entscheide, führe auch dazu, dass ein Logistikvertrag für den A400M, der schon im Frühjahr fällig gewesen wäre, brach liege. Die erneute Verzögerung der Auslieferung sei daher „nicht nur der Industrie, sondern auch der Entscheidungsverweigerung der Ministerin geschuldet“. Und führt dazu, dass die Bundeswehr auf Unterstützung angewiesen.

Denn die Transall sind für den Transport von Hubschraubern oder auch schweren Panzern nicht geeignet. Die Bundeswehr braucht daher bis zur Auslieferung des A400M andere Maschinen. Die bekommt sie von dem Unternehmen Ruslan Salis, das von den russischen Volga-Dnepr Airlines und dem ukrainischen Antonov Design Bureau gegründet wurde. Die Firma mit Sitz in Leipzig vermietet Transportflugzeuge vom Typ „Antonow AN124-100“ an 18 Nato- und EU-Staaten. Auch Deutschland kooperiert mit der Firma und nutzt die „Antonow“-Maschinen, die zu den größten Transportflugzeugen der Welt gehören.

Für Grünen ist es höchste Zeit, dass die Verteidigungsministerin, die Technikprobleme bei der Bundeswehr entschlossen angeht. „Frau von der Leyen muss endlich ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Bereiche Materialerhalt und Beschaffungswesen auf den Tisch legen, statt die in Teilen desolate Materiallage bei der Bundeswehr kleinzureden“, sagte die Grünen-Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). „Viel zu spät und nur auf Drängen wurden die Abgeordneten des Bundestages erstmalig umfassend über die Probleme informiert.“ Das habe mit der versprochenen neuen Transparenz nichts zu tun.

Die Sitzung des Verteidigungsausschusses in der vergangenen Woche habe gravierende Mängel bei bestimmten Fähigkeiten offenbart. „Insbesondere bei den Hubschraubern in allen Teilstreitkräften gibt es große Probleme, die auch die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr einschränken, sagte Brugger weiter. So sei vergangenen Dienstag für die Mission Atalanta die Fregatte Lübeck ohne Hubschrauber an Bord ausgelaufen. „Mit schönen Bildern und Schlagzeilen versucht Ministerin von der Leyen darüber hinwegzutäuschen, dass auch in ihrem Haus nach wie vor die Probleme vertuscht, verschleppt und verharmlost werden“, kritisierte die Grünen-Politikerin.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%