Forderung nach Manning-Urteil „Whistleblowing muss Asylgrund werden“

Bürgerrechtler sind wegen der langen Gefängnisstrafe für den Whistleblower Bradley Manning empört. Und auch in Deutschland regt sich Kritik. Die Linke fordert, Informanten besser vor Repression zu schützen.

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Pro-Manning-Proteste vor dem Weißen Haus in Washington: Die US-Regierung will ein Gnadengesuch prüfen. Quelle: AFP

Berlin Als Konsequenz aus der Verurteilung des Wikileaks-Informanten Bradley Manning fordert die Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping, einen besseren Schutz für Bürgerrechtler. „Wir müssen Whistleblowing in die anerkannten Asylgründe aufnehmen“, sagte Kipping Handelsblatt Online. „Wem Verfolgung für die Wahrheit droht, muss in Deutschland Aufnahme finden.“

Ein US-Militärgericht hatte Manning gestern zu 35 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht befand ihn für schuldig, rund 700.000 vertrauliche Papiere an die Enthüllungsplattform Wikileaks weitergegeben zu haben. Bürgerrechtler und Journalisten kritisierten das Urteil als Schlag gegen die Pressefreiheit. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ erklärte, durch das harte Vorgehen gegen Informanten werde es zunehmend schwerer, Fehlverhalten von Regierungen und Behörden aufzudecken.

Kipping sprach von einem schockierenden Urteil. „Das US-Militär will durch diese drakonische Strafe vor allem abschrecken“, sagte sie. Dies zeige, dass der Schutz "moderner" Bürgerrechtler mangelhaft sei. Manning will ein Gnadengesuch direkt an US-Präsident Barack Obama richten. Das kündigte sein Anwalt David Coombs an. „Jetzt ist die Zeit, um Mannings Leid zu beenden“, sagte Coombs. Das Weiße Haus reagierte zunächst kühl: Das Gesuch werde wie alle anderen auch geprüft, kündigte ein Sprecher an.

Manning selbst hatte auf die Verkündung der Haftstrafe gefasst reagiert. „Ich werde das schaffen“, habe er gesagt, berichtete sein Anwalt der „Washington Post“. Unterstützer von Manning forderten ebenfalls ein Gnadengesuch. Sie reichten eine Petition auf der Webseite des Weißen Hauses ein, die zunächst lediglich 6.800 Unterstützer fand.

Der US-Soldat wurde zusätzlich zu seiner Haftstrafe wurde der 25-Jährige unehrenhaft aus der Armee entlassen und rückwirkend im Rang degradiert, wie das US-Militärgericht in Fort Meade bei Washington am Mittwoch bekanntgab. Auch seine Pensionsansprüche verliert er.


Informations-GAU für die US-Regierung

Die Anklage hatte mindestens 60 Jahre Gefängnis und 100.000 Dollar (75.000 Euro) Geldstrafe gefordert, die Verteidiger hingegen nicht mehr als 25 Jahre. Bei guter Führung kann Manning im besten Fall nach weniger als zehn Jahren freikommen.

Er hatte als Geheimdienst-Analyst des US-Heeres im Irak Hunderttausende vertrauliche Dokumente an die Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks gegeben, die dadurch später öffentlich wurden. Darunter auch ein Video, das einen Hubschrauberangriff auf Zivilisten zeigt.

Richterin Denise Lind hatte Manning Ende Juli unter anderem wegen Geheimnisverrats, Spionage, Computerbetrugs und Diebstahls für schuldig befunden. Im schwerwiegendsten Punkt „Unterstützung des Feindes“ (aiding the enemy) sprach sie ihn hingegen frei. Dreieinhalb Jahre werden von der nun verhängten Strafe abgezogen, weil Manning seit Mai 2010 in Haft sitzt und Lind ihm 112 Tage wegen schlechter Behandlung während dieser Zeit erlassen hatte.

Wikileaks-Chef Julian Assange bezeichnete das Urteil als „wichtigen taktischen Sieg“ für die Verteidigung. Dennoch sei der Prozess ein „Angriff auf das grundlegende Konzept westlicher Justiz“ gewesen, sagte Assange nach einer Mitteilung der Wikileaks-Website. Der Versuch der USA, den Fall zur Abschreckung zu nutzen, sei „spektakulär fehlgeschlagen“.

Für die US-Regierung waren die Enthüllungen Mannings ein Informations-GAU: Die Veröffentlichung der Papiere unter anderem über die Kriege im Irak und in Afghanistan hatte weltweit für Wirbel gesorgt. Die Preisgabe von Diplomaten-Depeschen hatte US-Botschafter und Politiker in aller Welt blamiert, gar Regierungen wanken lassen.

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