Forum der Freiheit Vom Wert der Freiheit im geteilten Deutschland

Freiheitliche Demokratie gegen sozialistische Diktatur: Klaus Schroeder, Leiter des Forschungsverbunds SED-Staat an der Freien Universität Berlin, erläutert das Freiheitsmodell in der DDR und der BRD.

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Endlich frei: Mehrere hunderttausend Menschen aus Ost und West feiern am 31.12.1989 zum ersten Mal seit dem Bau der Berliner Mauer ein gesamtdeutsches Silvester am Brandenburger Tor. Quelle: dpa

Die beiden Deutschlands bildeten gleichsam die Speerspitzen im jahrzehntelangen Kampf der Systeme, den die freiheitlichen Demokratien des Westens bekanntlich gegen die sozialistischen Diktaturen des Ostens gewannen. Je länger die Teilung zurück liegt, desto blasser wird jedoch die Erinnerung, warum das westliche Gesellschaftsmodell überlegen war. Ja, im wiedervereinigten Deutschland besteht heute sogar die Gefahr, dass die Erfolgsrezepte in Vergessenheit geraten.

Als sich die beiden deutschen Staaten im Jahr 1949 gründeten, waren die Weichen für unterschiedliche politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnungen bereits gestellt. Das Modell Bundesrepublik fußte auf einer freiheitlichen Demokratie mit einer sozialen Marktwirtschaft, das ostdeutsche auf einer sozialistischen Ein-Parteien-Diktatur mit zentralistischer Planwirtschaft. Politiker beider Seiten waren überzeugt, das jeweils eigene System sei dem anderen überlegen und die Bevölkerung des anderen Teils würde, wie von einem Magneten angezogen, zum Konkurrenzmodell überlaufen. Die Magneten waren – wie im November 1989 deutlich werden sollte – Freiheit und Wohlstand.

Klaus Schroeder Quelle: Presse

So standen sich von 1949 bis 1990 zwei deutsche Staaten gegenüber, die auf konträren politischen Ordnungsprinzipien fußten: Gewaltenteilung versus Gewalteneinheit, föderaler Staatsaufbau versus Zentralstaat, Parteienkonkurrenz versus Einheitspartei und politische Gleichschaltung, Wettstreit der Ideen versus Erkenntnismonopol, Freiheit versus Zwang und Gewaltandrohung sowie einklagbare Grund- und Menschenrechte versus Unterordnung dieser Rechte unter das von der SED definierte angebliche „Wohl des Volkes“.

Den „Wert der Freiheit“ erkannte die ostdeutsche Bevölkerung freilich schon frühzeitig: Vieltausendfach skandierten Demonstranten am 17. Juni 1953 „Wir wollen freie Bürger sein“. Die Rote Armee der sowjetischen Besatzungsmacht schlug den Volksaufstand brutal nieder; „freie Bürger“ widersprachen ihrem Welt- und Menschenbild. Die SED duldete keine öffentlichen Räume, in denen sich „freie Bürger“ austauschen konnten. Der sozialistische Untertan sollte sich den Weisungen der Partei unterordnen und im sozialistischen Kollektiv aufgehen.

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Die kommunistische Partei SED reklamierte für sich die Führungsrolle und eine historische Mission. Sie definierte sich als Vollstreckerin geschichtlicher Gesetzmäßigkeiten. Auf der Tagesordnung standen die Überwindung des Kapitalismus, der Aufbau des Sozialismus und der spätere Übergang zum Kommunismus. In diesem Verständnis war „Freiheit“ allenfalls die Einsicht in die Notwendigkeit historischer Entwicklungsprozesse.

Zu dem kommunistischen Ideal einer politisch und sozial homogenisierten Gesellschaft passten nur Individuen, die sich entsprechend den von der Partei vorgegebenen „gesellschaftlichen Erfordernissen“ verhielten. Durch Einordnung in Kollektive, die die Werte der sozialistischen Gesellschaft hoch zu halten hatten, versuchte die Partei, die Entwicklung der Individuen zu steuern und zu kontrollieren. Die weitgehende Kollektivierung sozialer Beziehungen sollte Konformität auch jenseits repressiver Maßnahmen herstellen. Die SED strebte die ideologische Vervollkommnung des Einzelnen zum „neuen Menschen“ bzw. zur „sozialistischen Persönlichkeit“ an. Die immer wieder propagierte Formel von der Notwendigkeit der „Arbeit mit den Menschen“ stand für einen umfassenden Erziehungsanspruch und damit auch für die Aufrechterhaltung einer Erziehungsdiktatur.

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