Fragenkatalog zu G20 G20-Krawalle haben parlamentarisches Nachspiel

In der G20-Debatte gerät die Bundesregierung unter Erklärungsdruck. Einschätzungen des Verfassungsschutzes zeigen: Hamburg war als Gipfelort denkbar ungeeignet. Die Grünen verlangen eine umfassende Aufklärung.

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Der Verfassungsschutz warnte  schon früh, dass in Hamburg vor und während des G20-Gipfels „mit militanten Aktionen gewaltorientierter Links­extremisten zu rechnen“ ist. Quelle: dpa

Berlin Die Bundesregierung soll über die Hintergründe der Ausschreitungen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg umfassend Auskunft geben. Das geht aus einer entsprechenden Kleinen Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion  hervor, die das Handelsblatt einsehen konnte. Der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz begründete den Vorstoß damit, dass sich die Große Koalition derzeit „in wechselseitigen Vorwürfen und aktionistischen Kurzschlussreaktionen“ verliere, nur um nicht von der eigenen Verantwortung für den G20-Gipfel zu sprechen. „Das wird diesen gravierenden Ausschreitungen nicht gerecht. Hier braucht es eine gründliche parlamentarische Aufarbeitung“, sagte von Notz dem Handelsblatt. „Das dürfen geschädigte Anwohner, verletzte Einsatzkräfte und friedlichen Demonstranten erwarten.“

Seine Fraktion werde daher mit einem „umfassenden“ Fragenkatalog „in alle Richtungen“ fragen, sagte von Notz weiter. So wolle man wissen, woher die Straftäter gekommen seien und wie es entgegen aller vorherigen Warnungen zu „solch immensen Ausschreitungen“ habe kommen könne. Außerdem, so von Notz, erwarte seine Fraktion von der Bundesregierung eine Bewertung der Einsatztaktik und der „unhaltbaren Einsatzbedingungen“ für die Polizeikräfte. Zudem solle die Frage beantwortet werden, warum die Randalierer über Stunden „ungestört“ und Anwohner „schutzlos“ geblieben seien. Und: Welche Eingriffe es in die Arbeit von Journalisten und Rechtsanwälten gegeben habe.

Von Notz betonte, dass der G20-Gipfel eine Veranstaltung der Bundespolitik gewesen sei. Vor Ort seien diverse Bundesbehörden im Einsatz gewesen, etwa Bundespolizei, Bundesamt für Verfassungsschutz, das Bundeskriminalamt (BKA) und das Technische Hilfswerk (THW). „Insofern steht die Bundesregierung in der Pflicht, aufzuklären und Verantwortung zu übernehmen“, sagte der Grünen-Fraktionsvize.

Die Bundesregierung hatte vor dem Gipfel ihre Standortwahl begründet und Hamburg als besonders geeignet für die Austragung des Treffens der Staats- und Regierungschefs eingestuft. „Die  Hamburger Messe bietet  besonders günstige  Bedingungen,  um logistische und sicherheitstechnische Anforderungen an einen G20-Gipfelort zu erfüllen“, heißt es in einer im Juni veröffentlichten Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion. Zugesichert wurde in dem Dokument zugleich, dass die Polizei  in Hamburg den „sicheren Ablauf des Gipfels, den Schutz der Bevölkerung und das Recht auf Versammlungsfreiheit garantieren“ werde.

„Das Leben in der Stadt soll an den beiden Gipfeltagen so normal wie möglich bleiben“, heißt es in der Antwort weiter. „Das Ziel ist, sicherheitsbedingte Einschränkungen möglichst gering zu halten und zeitlich auf das unbedingt notwendige Maß zu beschränken.“ 


„Linksextreme Mobilisierungsfähigkeit wird zu G20 Höhepunkt erleben“

Diese Einschätzung hat sich, wie sich im Nachhinein zeigt, angesichts der schweren Krawalle nicht erfüllt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass der Bundesverfassungsschutz schon vor dem Gipfel etliche Anhaltspunkte dafür hatte, dass es zu Eskalationen kommen kann. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht für das vergangene Jahr hervor, der wenige Tage vor dem G20-Gipfel von Behördenchef Hans-Georg Maaßen und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in der Bundespressekonferenz vorgestellt wurde.

In dem Bericht wird etwa auf S. 111 ein Brandanschlag auf einem Betriebsgelände der Telekom AG in Berlin erwähnt. Am 6. November 2016 haben demnach unbekannte Täter mehrere Fahrzeuge in Brand gesteckt. Die Rede ist dann von einem Bekennerschreiben, das auf dem linksextremistischen Portal „linksunten.indymedia“ veröffentlicht wurde. In der, wie es in dem Verfassungsschutzbericht heißt, „Taterklärung“  heißt   es demnach: „G20­Gipfel in Hamburg angreifen!“

Auf S. 117 berichtet der Verfassungsschutz zudem mit Blick auf G20 von Mobilisierungsvorbereitungen: „Im  Zusammenhang  mit  linksextremistischen  Kampagnen  –  beispielsweise gegen den G20- Gipfel im Juli 2017 in Hamburg - wird auf  „linksunten.indymedia“   zu   (gewaltsamen)   Protestaktionen   aufgerufen (…).“

Und der Verfassungsschutz wird sogar noch deutlicher: „Die Mobilisierungsfähigkeit der linksextremistischen Szene wird spätestens zum G20-Gipfel einen erneuten „Höhepunkt“ erleben“, heißt im Verfassungsschutzbericht. Und mit Blick auf den Veranstaltungsort Hamburg geben die Geheimdienstler zu bedenken, dass dieser „eine Reihe von Voraussetzungen für eine hohe linksextremistische Mobilisierung“ erfülle: So gebe es dort eine aktive linksextremistische Szene, die – ortskundig und erfahren – mögliche Proteste auch für anreisende linksextremistische oder ausländerextremistische Gruppierungen vorbereiten könne.

„Für diese Gruppierungen ist der städtische Raum generell ein günstiges Terrain für Besetzungsaktionen, Blockaden und Straßenkrawalle“, heißt es in dem Bericht. Der Tagungsort des G20-Gipfels, die Hamburger Messehallen, grenze zudem direkt an die Hamburger Szeneviertel, in denen sich neben dem autonomen Zentrum „Rote Flora“ und dem antiimperialistisch geprägten „B5“ eine Vielzahl von Szenekneipen, Kulturzentren und Wohnprojekten befinden, die „bevorzugt von Linksextremisten besucht beziehungsweise bewohnt“ würden.

Die Verfassungsschützer stellen dann eine ernüchternde Prognose: „Im Rahmen der Protestmobilisierung gegen den G20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg ist vor und während der Veranstaltung mit militanten Aktionen gewaltorientierter Linksextremisten zu rechnen.“

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