Frauen in Aufsichtsräten Wirtschaft torpediert Quoten-Kompromiss der CDU

Ein Kompromiss soll den CDU-Streit um die Frauenquote befrieden. Eine gesetzliche Regelung soll demnach erst ab 2020 kommen. Die Wirtschaft hält davon nichts und fordert den endgültigen Abschied von der starren Quote.

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Mehr Frauen in Führungsetagen? Die Wirtschaft hat nichts dagegen, eine gesetzliche Quote lehnt sie aber ab. Quelle: dpa

Berlin Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), Martin Wansleben,  lehnt eine gesetzliche Quote für Aufsichtsräte von börsennotierten und mitstimmungspflichtigen Betrieben generell ab. Es sei im „ureigenen Interesse“ der Unternehmen, das Potenzial geeigneter Frauen auch zu nutzen. „Doch Aufsichtsratskandidatinnen stehen von Branche zu Branche in sehr unterschiedlichem Ausmaß zur Verfügung“, sagte Wansleben Handelsblatt Online. „Eine gesetzliche Einheitsquote von 30 bzw. 40 Prozent kann solche Unterschiede naturgemäß nicht berücksichtigen und hilft uns daher nicht weiter“.

Wansleben wies darauf hin, dass sich in den Dax-30-Aufsichtsräten auch ohne gesetzliche Quote eine ganze Menge tue: So sei von Anfang 2011 bis Januar 2013 der Anteil der Frauen von gut 13 auf gut 20 Prozent gestiegen, sagte er. Der Mittelstand, der über 90 Prozent der Unternehmen ausmache, habe in Führungspositionen „ohnehin bereits eine Frauenpräsenz von etwa 30 Prozent“.

Wansleben wendet sich damit sowohl gegen den Oppositionsantrag, wonach in zwei Stufen bis Januar 2023 eine Mindestquote für Frauen von 40 Prozent in den Aufsichts- und Verwaltungsräten großer Unternehmen eingeführt werden soll, als auch gegen einen Beschluss der CDU-Spitze. Der CDU-Bundevorstand hatte am Montag in letzter Minute eine drohende Abstimmungsniederlage im Bundestag über eine gesetzliche Frauenquote abgebogen und sich darauf verständigt, dass eine gesetzliche Quote für Aufsichtsräte von börsennotierten und mitstimmungspflichtigen Betrieben 2020 kommen soll. Damit wird der bisherige Kurs einer auf Freiwilligkeit setzenden "Flexi-Quote" geändert, der einen 30-prozentigen Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten vorsieht.

Im Gegenzug geht man nun davon aus, dass die Abweichlerinnen in der Fraktion am Donnerstag im Bundestag nicht für einen Antrag des rot-grün dominierten Bundesrates für eine gesetzliche Regelung stimmen werden.

Zu den Abweichlerinnen gehörte auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, die laut CDU-General Hermann Gröhe dem Kompromiss im Vorstand zustimmte. Man sei der Frauen-Union entgegengekommen, die ein konkretes Ziel für eine verbindliche Quote gefordert hatte. Nun sei mit CSU-Chef Horst Seehofer vereinbart worden, dass die Forderung in das Unions-Wahlprogramm aufgenommen werde. "Dies wurde bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung so beschlossen." Vor allem der CDU-Wirtschaftsflügel hatte in der Debatte Einwände gegen diese Lösung.

Gröhe mahnte nach dem Kompromiss nun Geschlossenheit an. "Zum Geist dieser Diskussion gehört auch die Erwartung, dass wir in der Union im Parlament geschlossen und gemäß der Koalitionsabsprachen agieren", sagte er.


Leyen hat über Abstimmungsverhalten noch nicht entschieden

Von der Leyen hat sich jedoch noch nicht festgelegt: Die Ministerin werde den Vorschlag der Parteispitze in die Abwägung über ihr Abstimmverhalten einfließen lassen, hieß es aus informierten Kreisen. Eine Vorfestlegung der Ministerin, den Gesetzentwurf aus dem Bundesrat abzulehnen, bedeute dies aber nicht.

Von der Leyen will offensichtlich ihre Entscheidung davon abhängig machen, wie ernst es die Fraktionsführung der Union mit der Kompromiss-Variante meint. Diese geht über den jüngsten Parteitagsbeschluss für eine freiwillige Flexi-Quote hinaus.

Zuvor hatte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle die Union gemahnt, zu den Absprachen in der Regierung zu stehen. "Die eiserne Grundregel jeder Koalition ist: Es gibt keine wechselnden Mehrheiten", sagte Brüderle nach einer Fraktionsklausur. Vor der Abstimmung am Donnerstag hatten mehrere Abgeordnete der Unions-Fraktion angekündigt, für einen Gesetzentwurf des SPD-regierten Hamburgs zu stimmen. Zu möglichen Abweichlern in den eigenen Reihen sagte Brüderle, ihm seien zwei Personen in seiner Fraktion bekannt, die erwögen, für den Gesetzentwurf zu stimmen.

Vor allem Arbeitsministerin von der Leyen, die seit langem eine offene Verfechterin der Frauenquote ist, war zuvor gemahnt worden, nicht gegen die schwarz-gelbe Koalition zu stimmen. Vor der Sitzung der CDU-Gremien hatte etwa Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht gesagt: "Ich bin der Meinung der Koalition und werbe, dass die Koalition auch eine entsprechende Mehrheit hat." Ähnlich äußerte sich die stellvertretende Parteivorsitzende Julia Klöckner. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hatte die Unions-Frauen dagegen aufgefordert, gegen die Koalition und für den Bundesrats-Antrag zu stimmen.

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