Frauenquote für Vorstände Staatsrechtler widerspricht Industrieverband BDI

Familienministerin Katarina Barley bringt ein Gesetz zur Frauenquote auch in Vorständen ins Spiel. Die Wirtschaft hält eine solche Regelung für verfassungswidrig. Ein renommierter Staatsrechtler sieht das anders.

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Nur 38 Prozent der Frauen glauben, dass ihr Unternehmen etwas tut, um die Arbeitsplätze für das weibliche Geschlecht künftig attraktiver zu machen. Quelle: dpa

Berlin Eine verpflichtende Frauenquote in Unternehmensvorständen wünschen sich viele – vor allem die Familienministerin und Frauenverbände. Doch es gibt Zweifel, ob ein solcher Eingriff in die unternehmerische Freiheit überhaupt mit dem Grundgesetz konform ginge. Solche Vorbehalte hatte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) geäußert. Aus Sicht des Speyrer Staatsrechtlers Joachim Wieland aber zu Unrecht.

„Eine Frauenquote für Vorstände ist mit der Verfassung vereinbar“, sagte der Professor für Öffentliches Recht an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer dem Handelsblatt. „Der mit ihr verbundene Eingriff in die unternehmerische Freiheit wäre durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls gerechtfertigt, da der Gesetzgeber laut Verfassung verpflichtet ist, auf die tatsächliche Gleichstellung von Frauen hinzuwirken.“

Um die Wirkung eines solchen Eingriffs abzumildern, könnten aus Sicht Wielands „Übergangszeiten von gewisser Dauer“ eingeführt werden. Zudem könne den Unternehmen „der Nachweis erlaubt werden, dass sie die Quote trotz aller nachgewiesenen Anstrengungen zu einem bestimmten Termin noch nicht erfüllen konnten“.

Der Industrieverband hatte unter Hinweis auf mögliche rechtliche Hürden den Vorstoß von Familienministerin Katarina Barley (SPD) für eine neue gesetzliche Frauenquote zurückgewiesen. Gesetzliche Quoten für Vorstände privater Unternehmen seien „nicht hilfreich“, sagte Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung dem Handelsblatt. „Eine Quote für Vorstände wäre verfassungswidrig, sie stellt einen massiven Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar.“ Zumal, wie Plöger betonte, über 80 Prozent der Vorstände börsennotierter Unternehmen aus ein bis drei Personen bestünden. „Die Regulierung solcher Kleinstgremien ist unverhältnismäßig.“ 

Anlass der Debatte ist eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Forscherinnen kommen darin zu dem Ergebnis, dass das 2015 beschlossene Gesetz zur Frauenquote in den Aufsichtsräten wirkt, in den Vorständen, für die die Vorgabe nicht gilt, der Frauenanteil aber niedrig bleibt. Barley brachte deshalb eine Quote auch für Vorstände ins Spiel.

Plöger setzt indes auf Freiwilligkeit der Unternehmen, zumal dort ohnehin ein großes Interesse bestehe, deutlich mehr weibliche Fach- und Führungskräfte zu gewinnen und zu fördern. „Die Unternehmen haben erkannt, dass sich vor allem durch Vielfalt innerhalb aller Teams optimale Ergebnisse erzielen lassen“, sagte sie.

Das sieht auch der CDU-Wirtschaftsrat so. „Geht die Große Koalition diesen Weg von mehr Quoten und bürokratischen Vorschriften, engen wir die qualitative Personalauswahl nur noch weiter ein“, sagte der Generalsekretär des Wirtschaftsrats, Wolfgang Steiger, dem Handelsblatt. „Deutschlands Wirtschaft kam bisher auch hervorragend ohne Quoten aus.“ FDP-Generalsekretärin Nicola Beer warnte zudem, mit einer Quote würden „Frauen zu Platzhaltern degradiert und nicht entsprechend ihrer Leistungen gewürdigt“. Die Liberalen setzten vielmehr auf „Anreize für die Unternehmen, verbindliche Berichtspflichten und transparente Selbstverpflichtungen“, sagte Beer dem Handelsblatt.


„Teilzeitbeschäftigung darf kein Karrierekiller sein“

Für gesetzlichen Druck plädieren die Grünen. „Die aktuellen Zahlen zeigen es erneut: Freiwillige Vereinbarungen bringen nichts. Sie werden leider zu Lasten der Frauen umgangen“, sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Katja Dörner dem Handelsblatt. „Deshalb ist auch hier eine gesetzliche Vorgabe richtig und überfällig.“

Laut DIW stagniert der Anteil von Frauen in Vorständen und Geschäftsführungen deutscher Unternehmen weitgehend – bei den großen Versicherungen geht er sogar leicht zurück. In den Aufsichtsräten der rund 100 von der gesetzlichen 30-Prozent-Quote erfassten Unternehmen ist demnach der Frauenanteil bis Ende 2017 auf durchschnittlich gut 30 Prozent gestiegen.

Von einer Signalwirkung auf Vorstände und Geschäftsführungen könne jedoch keine Rede sein. „Dort herrscht mit Blick auf die Repräsentation von Frauen beinahe Stillstand“, stellt das DIW fest. Im Durchschnitt der umsatzstärksten 200 Unternehmen verblieb der Frauenanteil bei gut acht Prozent.

Besonderen Aufholbedarf gebe es bei Banken und Versicherungen, in denen insgesamt mehr als die Hälfte der Beschäftigten Frauen sind. Bei den 100 größten Banken liegt der Frauenanteil bei knapp neun (Vorstände) und fast 23 Prozent (Aufsichtsräte). Bei den 60 größten Versicherern ging der Anteil auf gut neun (Vorstände) und knapp 22 Prozent (Aufsichtsräte) sogar leicht zurück.

Nach Ansicht Barleys zeigt die DIW-Studie, dass in Unternehmen mit der verpflichtenden Quote für die Aufsichtsräte auch in die anderen Führungsgremien Bewegung komme, während sich in den übrigen Unternehmen gar nichts verändere. „Die Schlussfolgerung daraus ist nicht schwer: Mehr verpflichtende Regelungen wären nicht von Nachteil.“ Die Politik müsse auch dafür sorgen, dass „Teilzeitbeschäftigung kein Karrierekiller ist.“

17 Frauenverbände in Deutschland appellierten in einem Offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel, den Wandel zu mehr Geschlechtergerechtigkeit zu forcieren und in den bevorstehenden Koalitionsgesprächen ehrgeizige Ziele sowie ein deutliches Bekenntnis aller Akteure zur Gleichstellung zu vereinbaren.

Einer Umfrage zufolge sind Frauen fast genauso stark an einer Karriere im Beruf interessiert wie Männer. 36,9 Prozent der befragten Frauen haben den großen Wunsch, im Laufe ihrer Karriere eine oder eine weitere Führungsposition einzunehmen, wie aus der repräsentativen Civey-Umfrage im Auftrag der Initiative Chefsache hervorgeht. Bei den Männern antworteten 43,3 Prozent entsprechend.

Julia Sperling von der Unternehmensberatung McKinsey sagte dazu: „Wenngleich das Verhältnis Männer zu Frauen noch immer nicht völlig ausgewogen ist, entkräftet die Umfrage das verbreitete Vorurteil, Frauen würden gar keine Karriere machen wollen.“

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