Freihandel mit Kanada Grüne fordern Bundestagsabstimmung über Ceta

SPD-Chef Gabriel hofft beim Ceta-Abkommen, Vorbehalte bis Ende Oktober ausräumen zu können. Die Grünen machen ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung. Sie wollen den Bundestag vorzeitig entscheiden lassen.

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Mitglieder des Bündnisses „Ceta & TTIP stoppen!“ in Berlin (Archivbild): Für Samstag sind Demonstrationen in sieben deutschen Großstädten geplant. Quelle: dpa

Berlin Die Grünen wollen das Freihandelsabkommen Ceta trotz der in Aussicht gestellten Klarstellungen im Bundestag zur Abstimmung stellen. Das geht aus einem Entschließungsantrag der Grünen-Bundestagsfraktion für die Parlamentssitzung am Donnerstag hervor. In dem Antrag, der dem Handelsblatt vorliegt, wird die Bundesregierung aufgefordert, den Ceta-Vertrag im Rat der Europäischen Union abzulehnen und seine vorläufige Anwendung nicht zu genehmigen.

Eine Vertiefung der Handelsbeziehungen mit Kanada sei zwar wünschenswert, heißt es in dem Antrag. „Allerdings müssen Handelsabkommen transparent verhandelt und nach sozialen, öko-logischen und menschrechtliche Kriterien fair ausgerichtet sein.“ Zudem dürften etablierte demokratische und rechtsstaatliche Institutionen und die Handlungsspielräume in der kommunalen Daseinsvorsorge nicht in Frage gestellt werden. Ceta genüge diesen Maßstäben aber nicht, konstatieren die Grünen. So hätten zahlreiche Sachverständige den Vertragsentwurf auf verschiedene mögliche Schwachstellen und Gefahren hin überprüft. „Dabei haben sich entscheidende Kritikpunkte, die bereits während des Verhandlungsprozesses immer wieder formuliert wurden, bestätigt.“

Der Grünen-Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter sagte dazu dem Handelsblatt: „Wir lehnen Ceta ab, weil das Abkommen hart erkämpfte Standards gefährdet und Klageprivilegien für Konzerne etabliert.“ Katharina Dröge, Sprecherin der Grünen für Wettbewerbspolitik, betonte, das Abkommen schade dem Vorsorgeprinzip und der kommunalen Daseinsvorsorge. „Im gesamten Abkommen steckt der Geist der Deregulierung.“

Der Vorstoß kommt für SPD-Chef Sigmar Gabriel zur Unzeit, zumal der Bundeswirtschaftsminister bei einem Treffen mit der kanadischen Handelsministerin Chrystia Freeland offenbar durchsetzen konnte, Ceta mit einigen Klarstellungen zu ergänzen. Ceta ist in Deutschland sehr umstritten, auch in Gabriels SPD. Diese will am Montag darüber entscheiden, ob sie Ceta mitträgt.


Anti-Ceta-Demonstrationen in sieben deutschen Städten

Gabriel hofft nach seinem Besuch in Kanada, nun die Vorbehalte der Gewerkschaften bis Ende Oktober ausräumen zu können. Deutsche und kanadische Gewerkschaften hätten Vorschläge für Klarstellungen unterbreitet, sagte Gabriel am späten Donnerstagabend nach dem Treffen mit Freeland. Er sei sich sicher, dass diese Bedenken ausgeräumt werden könnten. Diese lagen demnach unter anderem in den Bereichen Investitionsschutz und Schutz von Arbeitnehmerrechten.

Solche Klarstellungen sollten rechtsverbindlich sein, ohne in Nachverhandlungen zu gehen. „Das ist nicht nötig“, betonte Gabriel. Die Klarstellungen sollten vor der Unterzeichnung von Ceta veröffentlicht werden. Diese ist Ende Oktober auf einem EU-Kanada-Gipfel geplant. Deutsche Gewerkschaften gehören zu den Mitorganisatoren der am Samstag geplanten Demonstrationen in sieben deutschen Städten.

Die Demonstrationen richten sich gegen die Abkommen Ceta und TTIP. Die Veranstalter, ein Bündnis aus Parteien, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften, rechnen mit etwa 250.000 Teilnehmern.

In der SPD gibt es einen Streit um Ceta. Vom linken Flügel der Partei wird die vorliegende Fassung abgelehnt, Nachbesserungen werden verlangt. Große Landesverbände wie der in Nordrhein-Westfalen sind hingegen für Ceta. Am Montag wollen die Sozialdemokraten auf einem kleinen Parteitag in Wolfsburg darüber abstimmen, ob sie das Abkommen mittragen. In einem Antrag der Parteispitze wird empfohlen, den Weg für die parlamentarische Beratung des Abkommens frei zu machen und dort noch Klarstellungen und Verbesserungen zu erreichen.


„Gabriel muss sich gegen linken SPD-Populisten durchsetzen“

Die Debatte bei den Sozialdemokraten wird in der Union mit Befremden beobachtet. „Von der SPD sollte man eigentlich erwarten, dass sie den Menschen den Sinn von Freihandelsabkommen wie TTIP und Ceta zu erklären versucht“, sagte der CDU-Wirtschaftsexperte Joachim Pfeiffer. „Leider springt die SPD durch den Reifen, den ihr die Empörungsindustrie hinhält.“ Vor allem von Gabriel erwarte er, so Pfeiffer, „dass er sich im Interesse der exportorientierten deutschen Wirtschaft ohne Wenn und Aber für die geplanten Freihandelsabkommen einsetzt und auch bei TTIP nicht voreilig die Flinte ins Korn wirft“.

Ein deutscher Wirtschaftsminister sei schon aufgrund seines Amtseids verpflichtet, die Interessen des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu vertreten. „Dies muss er auch gegenüber den linken Populisten in seiner eigenen Partei durchsetzen“, verlangte Pfeiffer. „Faire Regeln für den Welthandel sind zu wichtig für die deutsche Wirtschaft und damit für Wohlstand und soziale Sicherheit, als dass man sie für Parteiengeplänkel opfern sollte.“

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte in dieser Woche Nachverhandlungen mit Kanada über Ceta bereits ausgeschlossen. „Die Garantien, die wir brauchen, können in den Parlamenten präzisiert und ausverhandelt werden“, sagte er.
Die Verbraucherorganisation Foodwatch hatte unter Berufung auf zwei neue Gutachten die Durchsetzung rechtlich verbindlicher Klarstellungen zuvor als „weit außerhalb“ des Einflussbereiches der SPD bezeichnet, da dafür die Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten, des EU-Parlaments und Kanadas nötig sei.
Nach einem EU-Beschluss über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung von Teilen von Ceta muss das EU-Parlament zustimmen. Darauf folgen Ratifizierungen in den EU-Mitgliedstaaten - in Deutschland in Bundestag und Bundesrat.

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