Freytags-Frage

Wie schafft man Gerechtigkeit?

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Bevölkerung wird zu Opfern gemacht

Eine unpräzise Vorstellung von Gerechtigkeit ergibt weit mehr Möglichkeiten für ad-hoc-Politiken zum Wohl bestimmter Gruppen, die dann als Wähler der Regierung wohlgesonnen sind. Vor allem kann man sich ständig neuen Ungerechtigkeiten widmen, die es zu beseitigen gilt. Manche versuchen es so weit zu treiben, bis niemand mehr das Gefühl hat, es ginge ihr oder ihm gut. So geht zum Beispiel Sarah Wagenknecht in ihrem Buch „Reichtum ohne Gier“ vor, in dem sie die heutige Zeit mit dem Feudalismus vergleicht und implizit die gesamte Bevölkerung (mit Ausnahme einzelner Milliardäre) für Opfer erklärt. Opfer kann man dann versorgen und bevormunden. Anders gewendet: Je mehr man den Menschen einredet, sie seien Opfer von Ungerechtigkeiten, desto eher kann man sie – natürlich nur zu ihrem Besten – unterdrücken.

Die Hartz-Reformen

Deshalb macht die ganze Debatte um Gerechtigkeit nur dann Sinn, wenn man tatsächlich Kategorien und Maßstäbe von Gerechtigkeit definieren kann. Nur dann kann man auch überprüfen, ob und inwieweit eine Regierung einen erfolgreichen Kampf gegen Ungerechtigkeit führt. Es lohnt sich aber auch deshalb, weil dann die Regierung ein wirklich erstrebenswertes Ziel verfolgen kann. Dies gilt vor allem dann, wenn in einem zweiten Schritt der Versuch gestartet wird, gesellschaftlichen Konsens über die Inhalte einer gerechten Gesellschaft zu erzielen. Dies wäre vergleichbar mit der Aufgabe, eine Verfassung zu erarbeiten, die ja im Grunde nichts weiter ist als die Sammlung sämtlicher Regeln, die die Gesellschaft für menschlich und fair hält.

Vor diesem Hintergrund verdient die Partei im nächsten Halbjahr den meisten Zuspruch, die es schafft eine Diskussion über das Set an als fair angesehenen Regeln gesellschaftlichen Lebens in Gang und idealer Weise zum Abschluss zu bringen. Gerechtigkeit in diesem Sinne kann somit keine Einzelfallgerechtigkeit sein, sondern muss auf die Sinnhaftigkeit der Regeln und Gesetze abstellen. Der Fokus auf einzelne soziale Leistungen und die Reichensteuer allein kann da nicht weiterhelfen. Es wird ein ganzes Bündel zu liefern sein.

Der enorme Anstieg der Sozialausgaben aufgrund der Zuwanderung führt nicht etwa zu Sparanstrengungen, sondern zum Gegenteil. Der Politik scheint jegliches Bewusstsein für die Ausgabendrosselung abhanden gekommen zu sein.
von Ferdinand Knauß

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