Freytags Frage

Brauchen wir einen türkischen Fernsehkanal?

Grünen-Chef Cem Özdemir will einen öffentlich-rechtlichen Sender für Türken und Deutschtürken, die hier leben, aufbauen. Was für viele zunächst abwegig klingt, wäre ein hervorragendes Projekt.

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Merkel weist türkische Kritik an Bundesregierung zurück
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Kritik der türkischen Regierung an dem abgesagten Auftritt von Justizminister Bekir Bozdag in Gaggenau zurückgewiesen. Die Entscheidung über solche Versammlungen liege in Deutschland auf der kommunalen Ebene und nicht bei der Bundesregierung, sagte Merkel am Freitag bei einem Besuch in Tunis. Merkel kritisierte zudem erneut die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei im Zusammenhang mit der Inhaftierung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. Gerade deshalb sei die Betonung wichtig, dass in Deutschland diese Rechte uneingeschränkt gelten würden. Zu der Ankündigung des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu, Deutschland drohten nach der abgesagten Veranstaltung mit Bozdag Konsequenzen, nahm Merkel keine Stellung. Quelle: REUTERS
Joachim Gauck Quelle: dpa
Heiko Maas (SPD) Quelle: dpa
Das Auswärtige Amt Quelle: dpa
Türkischer Justizminister Bekir Bozdag Quelle: dpa
Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu Quelle: AP
CHP-Chef und Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu Quelle: dpa

In Zeiten sogenannter Fake News kann man sich nicht mehr auf die schöne Formel des Nullmediums von Hans Magnus Enzensberger zurückziehen. Enzensberger argumentiert in seinem Artikel vom Mai 1988 damit, dass Fernsehen eben nicht der Manipulation dienen kann, weil der Zuschauer sich dieser durch Abwahl jederzeit entziehen könne. Wörtlich schreibt er: „Der Zuschauer ist sich völlig darüber im klaren, daß er es nicht mit einem Kommunikationsmittel zu tun hat, sondern mit einem Mittel zur Verweigerung von Kommunikation, und in dieser Überzeugung läßt er sich nicht erschüttern. Gerade das, was ihm vorgeworfen wird, macht in seinen Augen den Charme des Nullmediums aus.“ Der Artikel erschien vor der Rechtschreibreform.

Das Problem ist aber, dass Enzensberger davon ausging, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer auch Leserinnen und Leser sind und sich ihre Informationen aus gedruckten Werken holen, während sie sich vom Fernsehen nur unterhalten lassen (was ja keine Schande ist). Das entspricht der Realität nur zum Teil. Selbst der Präsident der größten Volkswirtschaft der Welt soll stolz darauf sein, nicht zu lesen (er soll es aber können). In den Vereinigten Staaten spielen die großen Fernsehsender bei Wahlen sicherlich eine große Rolle. Die Verbreitung von anspruchsvollen Tageszeitungen ist eher niedrig.

Bezogen auf die heutige Situation der Medien muss man daraus den Schluss ziehen, dass das Fernsehen mehr als ein Nullmedium ist. Es wird zur Informationsbeschaffung von vielen Bürgern genutzt. Solange es eine Auswahl gibt, kann man damit argumentieren, dass sich Qualität und die Wahrheit im Wettbewerb durchsetzen werden.

Probleme im deutsch-türkischen Verhältnis

In der Türkei scheint das nicht mehr zu gelten. Die Regierung ist dabei, die Printmedien gleichzuschalten, und das Fernsehen scheint bereits fest in der Hand der Regierung zu sein. Das gilt auch für die Sender, die der türkischen Diaspora vorgesetzt werden. Inwieweit dies zu erfolgreichen Manipulationen zum Beispiel der türkischstämmigen oder türkischen Bevölkerung in Deutschland führt, kann nicht beurteilt werden. Es steht immerhin fest, dass die Zustimmung des Präsidenten in bei Türken, die in Deutschland lebe höher ist als bei Türken in der Türkei.

Vor diesem Hintergrund muss der Vorschlag des Grünen-Parteivorsitzenden Cem Özdemir beurteilt werden, im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens einen Sender für die türkische und türkischstämmige Bevölkerung hierzulande einzurichten. Özdemir schwebt natürlich ein Sender vor, der dem Bildungsauftrag des ÖR folgt und die Welt in ihren Facetten und nicht nach dem Gusto der herrschenden Regierung berichtet beziehungsweise Information zurückhält oder verfälscht. Obwohl die Qualität des ÖR in Deutschland keineswegs überragend ist, kann man den Nachrichten- und Kultursendungen doch einiges abgewinnen. Zweifelhafter sind da schon die vielen Shows, die schlechte, weil nur noch jubilierende Sportberichterstattung und die vielen Regionalsender.

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