Das kann nicht im Interesse der Gesellschaft sein - "Schöne neue Welt" in Verbindung mit "1984"?
Eine weitere Sorge kommt hinzu: Bei dieser Gelegenheit ließe sich gleich die Steuerpflicht für private Käufe einführen. Wie wäre es, wenn das Paar Skier auf dem Weihnachtsbasar zugunsten Bedürftiger nun zuzüglich 19 Prozent Mehrwertsteuer verkauft wird und der Fiskus an der Wohltätigkeit gleich mitverdient? So kann man wohltätige Handlungen auch verhindern.
Ein weiteres potentielles Motiv der Befürworter ist es zu verhindern, dass sich Bürger durch Bargeld vor Enteignung durch Negativzinsen schützen. Wenn man - wie der Kolumnist - davon ausgeht, dass die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) weniger der Investitionsförderung dient, sondern nahezu ausschließlich fiskalisch motiviert ist und den schwachen Regierungen in der Eurozone Reformen ersparen soll, dann liegt es nahe zu glauben, dass Inflation von der Politik gewünscht wird; natürlich nicht als Hyperinflation, sondern als moderate vier bis sechs Prozent.
Diese wäre nicht allzu stark spürbar, kann aber die Entschuldung staatlicher Organe unterstützen. Ob es bei einstelligen Inflationsraten bleibt, sobald der Prozess in Gang gesetzt ist, ist eine andere Frage. Vor diesem Hintergrund aber kann man in dem Vorschlag, auf Bargeld zu verzichten, den Versuch vermuten, Inflation zu erleichtern.
Menschen steigen auf Tauschhandel um
Nun hat es in der Vergangenheit zahlreiche Versuche gegeben, die Bevölkerung mit Hilfe von Inflation auszubeuten. Man denke an Lateinamerika in den 1970ern und 1980ern oder an die Zwischenkriegszeit in Europa. In der Regel führten diese Versuche zu Chaos und Verarmung auf breiter Front, ohne die Problem der staatlichen Haushalte zu lösen. Die Kosten der Inflation sind weithin bekannt und müssen hier nicht weiter diskutiert werden.
Eines aber kann Inflation nicht bewirken, nämlich dass die Bevölkerung auf Transaktionen und das dazu benötigte Zahlungsmittel verzichtet. In Lateinamerika lief der US-Dollar um; wer eine Operation brauchte, musste in Dollar zahlen. Dies war allerdings weder gerecht noch mit geringen Transaktionskosten verbunden. Zudem wurde regelmäßig Korruption gefördert. Sollte in der Eurozone das Bargeld abgeschafft werden, ist zu erwarten, dass vermehrt US-Dollar oder Schweizer Franken Verwendung finden - oder gar der russische Rubel, je nachdem, wie schwach der Euro dann würde. Das kann ja nicht das Ziel der Bundesregierung sein.
Daneben steigt in solchen Situation der Tauschhandel. Die Menschen fangen wieder an, Ware gegen Ware zu handeln. Auch dies erhöht die Transaktionskosten und ist damit nicht neutral.
Bargeld abzuschaffen, ist insofern keine besonders überzeugende Idee. Denn ohne Bargeld verliert das Geld seine wichtigsten Funktionen, zumindest teilweise: Es wird nicht länger Wertaufbewahrungsmittel, wenn die Bargeldabschaffung der Erleichterung inflationärer Prozesse gilt. Die Funktionsfähigkeit des Geldes als Zahlungsmittel wird eingeschränkt, da es nun noch mehr Transaktionen gibt, die wenn schon nicht illegal, so doch den Betroffenen eher unangenehm sind. Sie suchen - zumeist teure - Ausweichmöglichkeiten. Geholfen ist damit niemandem. Gleichzeitig drohen mit Inflation und totalitären Strukturen ernsthafte Probleme.
Anders gewendet: Wer die Feinde der offenen Gesellschaft stärken will, schafft das Bargeld ab. Die Bundesregierung sollte sich wieder wichtigen Fragen zuwenden und das Bargeld lassen, wo es hingehört - in den Taschen der Bürger.