Freytags-Frage

Warum redet kein Politiker über Steuerverschwendung?

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Die Frage nach den Ursachen

Steuerhinterziehung: Vom Kavaliersdelikt zum Verbrechen
Die schweizer Flagge vor einer Bank Quelle: dpa
Ein Bild vom 11. September 2001 Quelle: REUTERS
Hans Eichel Quelle: REUTERS
Schweizer Käse Quelle: AP
Klaus Zumwinkel Quelle: dpa
Das Logo der UBS Quelle: dapd
Schweizer Fahne auf einer CD Quelle: dpa

Anders verhält es sich bei legaler Steuervermeidung durch Verlagerung von steuerpflichtigem Einkommen in Niedrigsteuerstandorte. Diese ist formal nicht zu beanstanden; in einem freien Land hat jeder das Recht dazu. Gegen diese Standorte (sog. Steuerparadiese und Steueroasen) zu wettern, kann keine Lösung sein. Der Steuerwettbewerb ist sogar hilfreich, weil er Regierungen dazu zwingt, eine rationale, faire und nachvollziehbare Steuerpolitik zu betrieben. Die Bekämpfung der Steueroasen kann vor diesem Hintergrund als ein Versuch zur Kartellierung (gegen die Steuerbürger) interpretiert werden.

Damit kommen wir zu einem Punkt, der in der gegenwärtigen Debatte ausgeblendet wird, nämlich die Frage nach den Ursachen der Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. Wenn man davon ausgeht (und das sollte man), dass Reiche nicht systematisch kriminell veranlagt sind, dann sollte man sich fragen, welche Gründe manche wohlhabende Bürger haben, die Steuern in Deutschland zu minimieren und sich so ihrer Bürgerpflicht zu entziehen.

Serie Wohnungsmarkt

Zunächst fällt einem das deutsche Steuersystem ein, das einem relativ aktuellen Ranking zufolge unter 183 Ländern den 88. Platz einnimmt. Kriterien sind die Anzahl der Steuerzahlungen, der administrative Aufwand und die damit verbundene Zeit sowie die Ausnahmetatbestände. Das Steuersystem lädt geradezu dazu ein, nach Reduzierungsmöglichkeiten zu suchen, gibt es doch über 400 Ausnahmen und Sonderregelungen für Steuerpflichtige. Eine Vereinfachung des Systems ist dringend geboten, und dies schon seit Jahrzehnten!

Zweitens ist die Verwendung der Steuereinnahmen zu nennen. Die Rechnungshöfe kritisieren staatliches Ausgabeverhalten regelmäßig. Auch der Bund der Steuerzahler veröffentlicht auf seiner Website zahlreiche Beispiele für eine geradezu schildbürgerstreichartige Verwendung von Steuergeldern. Neben den bekannten Fällen (Elbphilharmonie, Flughafen Berlin Brandenburg, Stuttgart 21, Nürburgring) werden zahlreiche weniger prominente, aber gleichermaßen absurde und krasse Fälle von Verschwendung aufgezählt, zu nennen sind Kitas, Schulen, Kompetenzzentren, Brücken und vieles mehr. Dieses Prozedere wiederholt sich von Jahr zu Jahr, ohne dass man eine Verbesserung feststellt.

Wo Unternehmen und Bürger die höchsten Steuern zahlen
Platz 10: KolumbienDie gesamte Steuerrate liegt in diesem südamerikanischen Land bei 74,4 Prozent. Die Studie von PricewaterhouseCoopers zählt zur gesamten Steuerrate: Steuern auf Unternehmensgewinne, Arbeit, Sozialabgaben und andere Abgaben, sowie andere Steuern. Quelle: PWC, Doing Business database Quelle: Reuters
Platz 9: PalauRein landschaftlich könnte dies ein Steuerparadies sein. Doch insgesamt 75,7 Prozent werden auf dem pazifischen Inselstaat erhoben. Für die Region ist das außergewöhnlich: Das pazifische Asien erhebt Steuern in der Regel unterhalb des Weltdurchschnitts. Der liegt bei 44,7 Prozent. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Platz 8: BolivienDas Andenland erhebt Steuern in Höhe von insgesamt 83,4 Prozent. Südamerika ist nach wie vor die Region der Welt, wo Steuerzahler und Unternehmen am meisten Zeit investieren müssen, um die Zahlung an den Fiskus vorzubereiten: durchschnittlich 619 Stunden im Jahr (Global: 216 Stunden) Eine Vielzahl an undurchsichtigen Regeln und ständige Änderungen durch den Gesetzgeber machen das Zahlen von Steuern zu einer zeitaufwändigen Aufgabe. Quelle: Reuters
Platz 7: TadschikistanBürger und Unternehmen werden hier mit Steuern in Höhe von 84,5 Prozent belastet. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Platz 6: EritreaDas afrikanische Land liegt gleich auf mit Tadschikistan: insgesamt zahlen Firmen und Bürger hier 84,5 Prozent Steuern. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Platz 5: UzbeksitanDie gesamte Steuerlast liegt hier bei 98,5 Prozent. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Platz 4: ArgentinienDas Land erhebt Steuern in Höhe von insgesamt 108,3 Prozent.

Drittens muss auch an dieser Stelle an das enorme Subventionsvolumen in Deutschland erinnert werden. Insgesamt mehr als 160 Milliarden Euro Subventionen werden Jahr für Jahr in Deutschland gezahlt, hinzu kommen acht Milliarden Euro für öffentliches Qualitätsfernsehen (z.B. Sportschau, Musikantenstadl, Gerichtsserien, Soaps) und mehr als zehn Milliarden Euro für die Förderung erneuerbarer Energien. Solche Zahlungen sind allokativ verzerrend und ungerecht, weshalb man sie schrittweise abbauen sollte. Wenn man die Subventionen jedes Jahr um zehn Milliarden Euro abbaut, hätte man die Lücke durch Steuerflucht wahrscheinlich gefüllt.

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