Freytags-Frage

Warum geht es der SPD so schlecht?

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Einschränkungen der Vertragsfreiheit

Leider macht die SPD da mit. Durch immer weitere Einschränkungen der Vertragsfreiheit versucht sie, vermeintlich Schwächere zu schützen:

  • Die Mietpreisbremse soll Mieter vor Wucher schützen; die Mieten steigen aber ohnehin nur in den Ballungsräumen, also dort, wo das viele Geld der EZB hinfließt.
  • Die Zeitarbeit soll stark eingeschränkt werden, obwohl sie nachweislich gerade Langzeitarbeitslosen den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt erleichtert.

  • Die heutigen Rentner werden massiv auf Kosten zukünftiger Generationen protegiert, als ob die Jungen Schuld daran wären, dass sie so wenige sind. Auch hier wird ein verzerrtes Bild vom schwachen Rentner gezeichnet.

Auf diese Weise konkurriert die SPD auf unglückliche Weise mit den anderen Parteien, die auf Angst setzen und sich als Lordsiegelbewahrer des Stillstandes zu profilieren versuchen, insbesondere mit der Linkspartei und der AfD. Offenbar sind die dabei aber glaubwürdiger und können die Ängstlichen besser für sich gewinnen.

Deshalb sollte man sich im Willy-Brandt-Haus vielleicht einmal Gedanken machen, wie man den Optimismus und die Gestaltungskraft der Menschen wieder unterstützt und sich selber als die Partei präsentieren, die den Menschen Stärkung bei der Bewältigung des globalisierungsbedingten Strukturwandels anbietet. Die Globalisierung ist nicht zu verhindern. Die SPD sollte sich fragen, ob es überhaupt im Interesse der Deutschen und insbesondere der deutschen Beschäftigten liegt, die Globalisierung einzuschränken. Bislang konnte gerade der deutsche Mittelstand daraus den größten Nutzen ziehen.

Ein Thema, bei dem sozialdemokratische Expertise wichtig wäre, ist zum Beispiel Fairness in der Arbeitswelt: Wie kann die Dienstleistungsgesellschaft gestärkt werden, so dass die dort Beschäftigen faire Löhne erhalten, ohne dass in die Märkte eingegriffen wird. Welche Rolle spielte das lebenslange Lernen? Ist soziale Gerechtigkeit ausschließlich eine Frage der Einkommens- oder Vermögensverteilung?

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Bildungspolitik: Warum verlassen nahezu 10 Prozent der Schüler die Schule ohne Abschluss? Ist es richtig, das duale Ausbildungssystem gegenüber dem Studium so zu benachteiligen, wie es gerade passiert? Und schließlich scheint es so zu sein, dass die enorme Unkenntnis der Deutschen über ökonomische Zusammenhänge die Ängste erst erzeugt oder zumindest verstärkt. Sozialdemokratisch geprägte Institutionen wie die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen oder die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) haben immer großen Wert darauf gelegt, die Schüler gerade nicht volkswirtschaftlich zu bilden (weil man keine Neoliberalen heranzüchten will, so die schwachsinnige Begründung).

Könnte es ein, dass eine ungebildete Bevölkerung sich von den Sozialdemokraten abwendet und den tumben Rattenfängern von links oder rechts auf den Leim geht?

Es wird Zeit, dass die SPD wieder aufhört, mit Ängsten zu spielen; das können die anderen besser. Sie sollte wieder modern werden und den gesellschaftlichen und technischen Fortschritt aktiv mitgestalten. Dazu gehört es, die Offenheit der Gesellschaft nicht nur als moralischen Imperativ vor sich herzutragen, sondern sie in jeder Hinsicht, also sowohl humanitär als auch wirtschaftlich, zu leben.

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