Was diese überengagierten Kampagnen-Manager treibt, ist dabei nicht ganz klar. Eines wird aber deutlich: Große Teile der Bewegung waren schon immer gegen Globalisierung. Andere mögen Amerika nicht. Dritte lieben Putin und den Totalitarismus. In der öffentlichen Debatte spielen vor allem bei den Grünen, aber auch bei der SPD, wahltaktische Überlegungen die gewichtigste Rolle: Mit streng antikapitalistischer Meinungsmache können heute – so das Kalkül – Wähler aus allen Parteilagern, vor allem der Linken, gewonnen werden.
Diese Rechnung geht aber nur bedingt auf. Bei den letzten Wahlen haben SPD, Linke und Grüne kräftig verloren. Nach landläufiger Meinung war es vor allem die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, die die Wähler zur AfD treibt. Dies mag als Motiv eine wichtige Rolle spielen.
Zugleich kommt allerdings die Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft hinzu. Die TTIP-Gegner schaffen es selbst bei gebildeten Leuten, eine Urangst vor dem Fremden und Neuen zu erzeugen, die gerade nicht dazu führt, der – definitionsgemäß offenen – Zukunft mit Mut entgegenzutreten. Ohne Mut kann eine tief in die moderne globale Arbeitsteilung integrierte Volkswirtschaft im Wettbewerb mit aufstrebenden Nationen nicht bestehen. Die TTIP-Gegner bieten aber keine Lösungen, sie schüren nur Hass.
Das zeigt sich auch daran, wie aggressiv auf TTIP-Befürworter in der Debatte reagiert wird. Insgesamt aber tragen die mit Millionen Euro geführten Anti-TTIP-Kampagnen zu einer Radikalisierung innerhalb unserer Gesellschaft bei – eine Radikalisierung, die die Protestbündnisse durch den Einsatz von vielen Hunderttausend Euro offenbar bewusst und systematisch in andere europäische Länder tragen wollen.
Als Ergebnis dieser Radikalisierung werden auch diejenigen Parteien stärker, die mit gleichermaßen radikalen Thesen um Wählerstimmen werben. Dazu gehört traditionsgemäß die Linkspartei, wenigstens in den Teilen, die Demokratie und Marktwirtschaft ablehnen (so Mitglieder des Marxistischen Forums der Linken, das die Anti-TTIP-Demonstration in Berlin im Oktober 2015 federführend organisierte), weniger die Grünen. Aber vor allem gehört die AfD neben ihren deutlich weiter rechts stehenden Freunden dazu.
Ihre Thesen sind extrem platt, ihre Versprechungen utopisch, aber wohlfeil. Sie kann von der Radikalisierung der allgemeinen politischen Diskussion bisher am meisten profitieren.
Kritik der Umweltschützer an TTIP
Egal ob Creme, Lippenstift oder Mascara – in Europa müssen solche Produkte eine Zulassung überstehen, die es in den USA so einheitlich nicht gibt. Sicherheitstests erfolgten dort freiwillig, heißt es beim Sachverständigenrat. Sonnenmilch allerdings gelte in Amerika als Medikament und sei streng reguliert.
Die Europäer wollen geklonte Nutztiere und Klonfleisch verbieten, auch deren Import. In den USA gibt es dagegen kein einheitliches Verbot. Gentechnisch veränderte Tiere, etwa Lachse, die schneller wachsen, sind dort bereits zugelassen und im Handel. Eine besondere Kennzeichnung ist nicht vorgeschrieben.
Gentechnisch veränderte Pflanzen und Nahrungsmittel müssen in der EU zugelassen und später gekennzeichnet werden. Das gilt auch für Futtermittel. Einzelne Mitgliedsstaaten können seit 2015 auf ihrem Gebiet sogar einzelne gentechnisch veränderte Pflanzen verbieten. In den USA ist nicht nur die Zulassung großzügiger, gentechnisch veränderte Lebensmittel werden regelmäßig nicht kenntlich gemacht.
Pflanzenschutzmittel, die möglicherweise Krebs erregen oder vielleicht das Erbgut schädigen können in der EU erst gar nicht auf den Markt – anders als in den USA.
Die Verordnung REACH gilt mit als schärfstes Chemikaliengesetz weltweit. Darin wird ein Zulassungsverfahren, eine Risikobewertung und teils eine Beschränkung für Chemikalien von der Herstellung in der Fabrik bis zum buntgefärbten T-Shirt beim Endverbraucher festgeschrieben. In den USA gilt kein vergleichbares „Vorsorgeprinzip“ bei Chemieprodukten.
Das sollten sich all diejenigen TTIP-Gegner, die willentlich die Ängste der Menschen schüren, schon einmal bewusst machen, zumindest diejenigen, die der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nahestehen (was ja bei weitem nicht alle Beteiligten tun). Herr Giegold möchte die Demokratie sicher nicht abschaffen.
Aber mit undifferenzierter und von der Wahrheit im Sinne empirischer Evidenz weitgehend losgelöster Hetze gegen den globalen Kapitalismus trägt er zum Wahlerfolg der Vereinfacher – in diesem Fall der AfD – maßgeblich bei. Die Grünen werden davon nicht profitieren. Vielleicht bewegt ihn ja wenigstens das dazu, zu einer sachlichen Diskussion zurückzukehren.