Was ist das Problem? Dadurch dass Politikmaßnahmen entweder komplett anreizinkompatibel sind, nur auf die kurze Frist zielen oder im Widerspruch zu herrschenden Gesetzen bzw. anderen Maßnahmen stehen, können sie ihre gutgemeinte Wirkung nicht entfalten. Die Mietpreisbremse z.B. wird eben nicht zu dem gewünschten und wünschenswerten Ergebnis bezahlbaren Wohnraumes für alle führen, weil sie neben dem Mietpreis auch die Investitionsbereitschaft bremst. Denn der Preis als Signal wird ausgeschaltet. Staatlich gesetzte Lohnuntergrenzen steigern höchstwahrscheinlich die Arbeitslosigkeit unter den niedrig qualifizierten Arbeitnehmern. Beides kann man nicht als sozial bezeichnen (es bewirkt aber eine Aufgabensteigerung für Sozialpolitiker!) Dies ist keine sonderlich neue Erkenntnis; deshalb überraschen diese Vorhaben auch besonders.
Gerade weil sie diese Probleme zu vermeiden in der Lage war, ist die Soziale Marktwirtschaft eine so erfolgreiche Wirtschaftsordnung gewesen. Wirtschaftspolitische Einzelmaßnahmen wurden auf interne und externe Konsistenz geprüft, die Wirtschaftspolitik war langfristig ausgerichtet, und es gab eine Konstanz der Wirtschaftspolitik, wodurch die Erwartungen potentieller und tatsächlicher Investoren stabilisiert werden konnten. Darüber hinaus wurde großer Wert auf die Überschneidung von Kompetenz und Haftung gelegt, was bei den Akteuren naturgemäß zu sorgsamen Umgang mit den Ressourcen geführt hat. Die gegenwärtigen Probleme bei der Krisenbewältigung in der Eurozone zeigen die Folgen des Auseinanderdriftens von Kompetenz und Haftung.
Zusätzlich zu diesen Regeln ist die Soziale Marktwirtschaft dadurch gekennzeichnet, dass die Menschen eine hohe Eigenverantwortung haben und dennoch nicht ins Bodenlose fallen, wenn sie – aus welchem Grund auch immer – wirtschaftlich in Schwierigkeiten gerieten. Wettbewerb wird als Instrument verstanden, und Preise dienen als Signale von Knappheit. Das Soziale resultiert dann auch sowohl aus den Marktchancen als auch aus der Umverteilung zugunsten der objektiv Schwächeren.
Anders gewendet: „Wohlstand für alle“ bedeutet Chancen für alle, insbesondere durch Bildung und einen attraktiven Investitionsstandort in Verbindung mit einem gerechten Steuersystem und sozialer Absicherung. Nicht gemeint ist Rundumversorgung und staatliche Wohltaten für einige (und nicht unbedingt die am meisten Bedürftigen) und Belastungen sowie Bevormundung für alle. Die Soziale Marktwirtschaft sieht die Menschen gerade nicht als Opfer, sondern sie wird von Menschen in Würde getragen.
Diesbezüglich läuft in Deutschland zur Zeit einiges schief. Die Politik ist gerade dabei, die Marktchancen vieler Bürger einzuschränken, obwohl sie versucht, gerechter zu sein. Sowohl Mindestlohn als auch Höchstmieten als auch die ebenfalls geplanten weitreichenden Quotenregelungen sind von der Begründung her nachvollziehbar. Wer gönnt es den Arbeitnehmern nicht, von ihrer Arbeit gut leben zu können? Wer wollte den Menschen bezahlbaren Wohnraum verweigern? Und wer wollte gutqualifizierten Frauen den Zugang zu attraktiven Arbeitsplätzen verwehren?
Als Instrumente, diese Ziele zu erreichen, taugen Mindest- bzw. Höchstpreise und Quoten weniger. Genauso sollte die Politik nicht länger allem unmittelbar Wünschenswerten und der Einzelfallgerechtigkeit hinterher hecheln. Nicht jede Mietsteigerung muss skandalisiert werden, nicht jede Bonuszahlung an einen Banker ist sofort ungerecht. Es geht um Regeln, die allen eine Chance einräumen – nutzen müssen sie die Menschen selber.
Es ist an der Zeit, dass die Politik den ordnungspolitischen Kompass wieder anschaltet. Nur dann hat die Soziale Marktwirtschaft und damit das Credo „Wohlstand für alle“ eine Zukunft. Ob die GroKo das hinbekommt?