Freytags-Frage

Ist die AfD zum Fürchten?

Das politische Berlin reagiert mit Ablehnung auf die Wahlerfolge der „Alternative für Deutschland“. Die Parteien verhalten sich wie träge Oligopolisten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der phänomenale Aufstieg der AfD
AfD Bundesparteitag in Erfurt Quelle: dpa
AfD im Europaparlament Quelle: dpa
AfD Zeiungsabonnements Quelle: dpa
Bernd Lucke Europaparlament Quelle: dpa
AfD Bernd Lucke Europaparlament Quelle: dpa
DMark
Frauke Petry Quelle: dpa

Die jüngsten Wahlerfolge der Alternative für Deutschland haben die politische Landschaft kräftig durcheinandergewirbelt. Ratingagenturen sehen die Eurozone in den Abgrund taumeln, Generalsekretäre großer und mittlerer Parteien reden von dummen Protestwählern und einfachen Lösungen sowie dem Zusammenhalt der demokratischen Parteien gegen die AFD. Was ist passiert? Wohlgemerkt, diese Kolumne behandelt in erster Linie nicht die AfD und deren vermeintliche Errungenschaften oder Defizite; sie behandelt die Reaktion darauf, dass eine neue Partei auf Anhieb in das Europaparlament und drei Landtage einzieht, nachdem sie zuvor der Einzug in den Deutschen Bundestag nur ganz knapp verpasst hat.

Die wichtigsten Köpfe in der AfD

Also: Was ist passiert? Nachdem die Bundesregierung unter der im Grunde vorbehaltlosen Zustimmung der Opposition die zahlreichen und dennoch wirkungslosen Rettungspakete für den Euroraum auf den Weg gebracht hatte, dies auch noch für alternativlos erklärte und Kritiker innerhalb und außerhalb der Politik mit allen Mitteln zu diskreditieren suchte, haben einige Kritiker dieser Vorgehensweise eine Partei gegründet und die stümperhafte Eurorettung zum Thema erklärt. Daraufhin wurde sie als nationalistisch gefärbte Ein-Themen-Partei belächelt.

Nicht zuletzt als Reaktion darauf hat sie weitere Themen, die viele Bürger interessieren, wie z.B. innere Sicherheit, Integration und Bildung, in ihren Katalog aufgenommen. Als Reaktion darauf wurde der Vorwurf des „Ewiggestrigen“ erhoben, als ob z.B. gerade Integration in Deutschland kein Thema sein dürfte – sie ist eine zentrale Herausforderung, und dies sowohl wegen der bereits Zugewanderten als auch wegen der Notwendigkeit, weitere Zuwanderer mit dringend gesuchten Qualifikationen zu gewinnen. Dies ist eine echte Herausforderung. Dieser überwiegend negativen Reaktion ungeachtet hat die AfD enormen Zuspruch erfahren und ist nun eine parlamentarische Kraft. Hat dies dazu geführt, dass sie nun inhaltlich ernst genommen wird? Eben nicht, und dass ist ein echtes Problem.

Was steckt hinter der AfD?

Für diese Einschätzung muss man die Positionen der AfD noch nicht einmal mögen; es ist vielmehr für die Beurteilung der Reaktion auf die AfD völlig unabhängig, wie man selber zur AfD steht. Die Reaktion zeigt eine politische Kultur und inhaltliche Ernsthaftigkeit bei den anderen Parteien, wie sie niedriger kaum sein könnte. Denn die Reaktion folgt einem klaren Muster:

Erstens wird der AfD in nasaler Form vorgehalten, nur einfache Lösungen anzubieten. Wer einen Blick auf die Wahlplakate im sächsischen oder thüringischen Landtag geworfen hat, fand in der Tat recht einfache Slogans auf den Plakaten der AfD. Allerdings fand man noch einfachere, nachgerade sinnlose Sprüche z.B. bei der SPD oder der CDU in Thüringen, nämlich so ganz ohne Bezug zu irgendeinem Thema. Darüber hinaus zeichnet sich die regierende Koalition nicht dadurch aus, besonders komplexe und ausgewogene Problemlösungen für die großen – nicht nur wirtschaftspolitischen – Probleme unserer Zeit zu finden.   

Die zehn größten Euro-Lügen 2013
Francois hollande Quelle: dpa
Mario Draghi Quelle: dpa
José Manuel Barroso Quelle: REUTERS
Wolfgang Schäuble Quelle: AP
Martin Schulz Quelle: REUTERS
Antonis Samaras Quelle: dapd
Jean-Claude Juncker Quelle: dpa

Der Mindestlohn, die PKW-Maut, die Mietpreisbremse, die Mütterrente sind jedenfalls sehr einfache und wohl kaum problemgerechte Lösungen des jeweiligen Problems. Vielmehr handelt es sich um Ausprägungen einer Symbolpolitik, allerdings einer ziemlich teuren Symbolpolitik. Und es sei die Frage erlaubt, ob die Bemerkung: „Fällt der Euro, fällt Europa“ wirklich Komplexität ausstrahlt.

Zweitens wird davon geredet, die AfD sei keine demokratische Partei. Es gibt wie in jeder Gründungsphase einer neuen Partei auch bei der AfD Mitglieder mit dubioser Haltung – man denke nur an die Päderasten bei den Grünen (den Vater zweier Kinder gruselt es!). Es ist eine große Leistung der Grünen, diese Leute loszuwerden und das Thema offensiv anzugehen. Man darf gespannt sein, ob es der AfD gelingt, ein klares konservatives, aber nicht nationalistisches und fremdenfeindliches Profil zu entwickeln. Das braucht Zeit. Es spricht nicht unbedingt für die demokratische Gesinnung der anderen, hier nur mit der Keule Fremdenfeindlichkeit zu operieren, anstatt den Positionen inhaltlich zu begegnen.

Aktuelle Aussagen von Frauke Petry

Dazu passt drittens, dass die Wähler der AfD als dümmliche Protestwähler verunglimpft werden. Nur ein SPD-CDU-Grünen-Wähler ist in dieser Lesart ein Demokrat. Die Frage, wieso ein Wähler bzw. eine Wählerin diese Form des Protests wählt, wird zumindest nicht laut gestellt. Vor allem werden eigene Versäumnisse dafür selten verantwortlich gemacht. Wenn, dann wird darüber schwadroniert, dass die gute eigene Politik dem Wähler nicht erklärt werden konnte. Vielleicht war sie ja doch nicht so gut!

Die ökonomische Theorie legt nahe, dass bei steigendem Wettbewerb die Qualität der angebotenen Produkte sich verbessert, es sei denn die Altsassen haben es sich in einem Oligopol gemütlich eingerichtet und glauben, sich weiterhin schlechte Qualität erlauben zu können. In der Regel führt diese Reaktion dazu, dass dieser Anbieter vom Markt verdrängt wird, wenn denn das neue Produkt die Versprechen einlöst.

Noch verhalten sich die politischen Parteien wie träge Oligopolisten, die glauben, der neue Wettbewerber werde schon von selbst wieder verschwinden. Sie reden ihn nur ein wenig schlecht, bieten selber aber nicht mehr. Das könnte sich als ein Fehler herausstellen (siehe FDP).

Interessanterweise haben die Rating-Agenturen diese Dimension als erste erfasst. So wurde jetzt die Erwartung geäußert, dass die Bundesregierung unter dem Druck der neuen Opposition weniger Milde mit den Krisenländern als bisher haben könnte – allerdings wurde dies als negativ für diese Länder bewertet. Nach ökonomischer Logik ist dies falsch; es ist im langfristigen Eigeninteresse z.B. der Franzosen, dass die französische Wirtschaftspolitik reformiert wird. Vielleicht wird ja das Thema Strukturreformen in Euroland nun ernsthafter angegangen. Vielleicht wird ja sogar nun vorbehaltlos und ergebnisoffen über die offenkundigen Mängel in der Integration der Zuwanderer in diesem Land diskutiert. Vielleicht nehmen Politiker die Sorgen von Bürgern um ihre Sicherheit nun ja ernster. Dann hätte der gestiegene Wettbewerb auf dem politischen Markt wirklich einen positiven Effekt auf die Qualität der angebotenen Politiken (unabhängig davon, ob die Positionen der AfD sich durchsetzen oder nicht). Es bleibt auf jeden Fall spannend!

 

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%