Die hämischen Kommentare über eine Partei, die - kaum zurück im Bundestag - sofort jede Kröte schluckt, um wieder an Ministerposten zu kommen, waren vermutlich schon verfasst, als die FDP die Sondierungsgespräche mit CDU, CSU und Grünen beendete. Es kam dann anders. Schnell wurde umgeschwenkt - und stattdessen über staatspolitische Verantwortung und Leichtmatrosen schwadroniert.
Es gab viele kritische Kommentare und wütende Stellungnahmen in der Politik und den Medien. Besonders lautstark und prononciert hat sich der Grüne Reinhard Bütikofer echauffiert, der am Wochenanfang die FDP gleich in die Nähe der so genannten Alternative für Deutschland (AfD) rückte. Man hatte ihn fast vergessen, da kam ihm der „schmähliche Verrat“ der FDP wohl gerade recht. Durch konstruktive und dynamische Beiträge als Abgeordneter im Europaparlament ist er zuletzt jedenfalls nicht aufgefallen. Auch sein wortgewaltiger und offenbar von Wut getriebener Beitrag zum Scheitern der Sondierungsgespräche ist kein Höhepunkt der Politikgeschichte.
Es ist das eine, sich über ein Scheitern der Verhandlungen zu ärgern. Aus Sicht der Grünen war die Summe an Kompromissen in den Sondierungsgesprächen offenbar angemessen und befriedigend. Man glaubte wohl, eigenen Positionen gut zum Durchbruch verholfen zu haben – da ist es legitim, enttäuscht und unzufrieden zu sein.
Es ist aber etwas anderes, die andere Seite mit Neonazis und Rassisten in Verbindung zu bringen. Das ist nicht nur ehrenrührig, weil falsch, sondern als Mittel der politischen Auseinandersetzung populistisch und niveaulos. Die Aussage disqualifiziert Herrn Bütikofer moralisch, politisch und intellektuell – er sollte sie schnellstens zurückziehen.
Denn es ist natürlich legitim, mit den Ergebnissen der Sondierung unzufrieden zu sein. Gerade dann, wenn sich das Gefühl einstellt, dass keine eigene Zielsetzung erreichbar ist. Die Verhandlungsführer der FDP haben nie einen Hehl aus ihrer Vorsicht und Skepsis gemacht. Dies gilt vor dem Hintergrund des grandiosen Scheiterns in der Bundestagswahl 2013 noch verstärkt. Insofern kann man es auch als ein Ausdruck von Verantwortung betrachten, in eine Regierung nicht einzutreten, weil man das Gefühl hat, in der Koalitionsdisziplin unterzugehen, also nicht liefern zu können - und später wieder für nicht eingelöste Angebote einstehen zu müssen.
Dennoch gibt es gute Gründe, dieses Ergebnis zu bedauern. Es hätte eine große Chance darin gelegen, vier sehr unterschiedliche Partner zu einer Koalition zu formen. Sie hätte durchaus innovativ sein können, wären scheinbar unvereinbare Positionen versöhnt worden. Das „scheinbar“ ist ernst gemeint, denn es gab und gibt viele Übereinstimmungen mit Blick auf Ziele.
Ein paar Beispiele? Nehmen wir den Klimaschutz, der sowohl für Grüne als auch Liberale wichtig ist: Es gibt in der deutschen Politik niemand Ernstzunehmenden mehr, der das Klimaproblem nicht für eminent wichtig erachtet. Streit gab und gibt es über die richtigen Wege zum Klimaschutz. Gegenwärtig wählt Deutschland mit dem Erneuerbare Energiengesetz (EEG) einen teuren und ökologisch fragwürdigen Weg, der seit Jahren kritisiert wird. Alternativen liegen auf dem Tisch. Hier wollte auch die FDP ansetzen.
Insofern ist die Frage berechtigt, warum die Grünen auf einem ganzen Satz an ineffektiven, planwirtschaftlichen Instrumenten (Quoten, Subventionen, Verbote) bestanden und sich offenbar nicht einmal im Ansatz mit marktwirtschaftlichen Optionen beschäftigen wollten. Symbolpolitik scheint hier wichtiger als die ökologische Treffsicherheit zu sein. Oder geht es um die Interessen der Windradbetreiber, Klientelpolitik gar?
Es gab Zeiten, da waren grüne Politiker in ihrem Verständnis der Harmonie von ökonomischen und ökologischen Zielen schon viel weiter. Vor diesem Hintergrund ist das Scheitern der Jamaika-Sondierungen ernsthaft bedauerlich. Die schlüssige Verbindung von ökologischer Effektivität und ökonomischer Effizienz wäre tatsächlich denkbar gewesen. Damit wäre Deutschland in jeder Hinsicht modernisiert worden.
Jamaika-Gespräche gescheitert - Statements der Beteiligten
„Meine Damen und Herren,
es ist ja schon der frühe Morgen, und ich möchte mich als erstes Mal bei unseren Gastgebern hier in der baden-württembergischen Landesvertretung bedanken, die an einem wirklich, ich würde fast sagen historischen Tag uns Gastfreundschaft gewährt haben. Hinter uns liegen vier Wochen intensivster Verhandlungen, und ich glaube, ich kann für CDU und CSU sagen, dass wir nichts unversucht gelassen haben, um doch eine Lösung zu finden.
Wir haben dabei vieles erlebt, sehr unterschiedliche Kulturen von Verhandlungsstilen, und bei den Grünen durchaus bei allen Sympathien manchmal etwas gewöhnungsbedürftig, bei der FDP sehr entschieden, aber wir glauben, dass wir auf einem Pfad waren, auf dem wir hätten eine Einigung erreichen können.
Natürlich mit Abstrichen, das beinhaltet eine Koalition, bei der Partner sich finden sollen, die sehr sehr große Wege zu gehen haben, und deshalb bedaure ich es auch, bei allem Respekt für die FDP, dass wir keine gemeinsame Lösung finden konnten.
Wir hatten aus unserer Perspektive der Union sehr vieles erreicht in diesen Verhandlungen, was die Stabilität des Landes gestärkt hätte, sowohl die Frage der wirtschaftlichen Entwicklung, bei den schweren Fragen der Erwartungen der Grünen an die Leistungen im Blick auf den Klimaschutz, aber vor allen Dingen auch was soziale Fragen anbelangt, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in den ländlichen Räumen.
Wir haben interessanterweise die erste Einigung über die Landwirtschaftspolitik erzielt, das wäre und ist, weil es bleibt, ja auch ein interessanter Bestandteil, was vielleicht auch versöhnend auf unsere Gesellschaft hätte wirken können, und jetzt müssen wir trotzdem mit den Tatsachen umgehen. Tatsache heißt, dass wir keine Sondierungsgespräche erfolgreich abschließen konnten. Das bedeutet, dass ich morgen den Bundespräsidenten kontaktieren werde, ihn natürlich informieren werde über den Stand der Dinge, und dass wir dann schauen müssen, wie sich die Dinge weiter entwickeln.
Wir, CDU und CSU gemeinsam, ich sage das ausdrücklich, werden Verantwortung für dieses Land auch in schwierigen Stunden übernehmen und auch weiter sehr verantwortungsvoll handeln. Denn die Menschen in Deutschland haben sich heute mehrheitlich gewünscht, dass wir zusammenfinden. Und denen fühlen wir uns verpflichtet. Und wir werden dazu beitragen, mit unseren Kräften, die wir haben, zum Zusammenhalt dieses Landes auch einen Beitrag zu leisten.
Natürlich war ein ganz zentrales Thema das Thema der Migration, der Zuwanderung, hier gab es nicht die großen Unterschiede mit der FDP, aber hier so unsere Einschätzung hätten wir auch eine Lösung mit den Grünen finden können. Und wir wissen, dass wir dieses Land zusammenführen müssen und so werden wir in den nächsten Wochen in einem Weg, den wir nicht genau beschreiben können, natürlich unser verantwortliches Handeln auch weiter fortsetzen.
Es ist ein Tag mindestens des tiefen Nachdenkens, wie es weitergeht in Deutschland. Aber ich will Ihnen sagen, ich als Bundeskanzlerin, als geschäftsführende Bundeskanzlerin, werde alles tun, das dieses Land auch durch diese schwierigen Wochen gut geführt wird.“
„Meine Damen und Herren,
wir haben jetzt vier Wochen hart gearbeitet, um eine Regierung für die Bundesrepublik Deutschland zu bilden. Es waren intensive Gespräche, die auch für mich eine inhaltliche und auch persönliche Bereicherung waren - bei den Verhandlungspartnern, mit denen wir uns beinahe täglich getroffen haben.
Die FDP ist heute ausgestiegen, hat die Verhandlungen abgebrochen. Das ist schade. Das bedeutet gleichzeitig eine Belastung für die Bundesrepublik Deutschland insgesamt, weil wir trotz großer politischer Herausforderungen national und weltweit im Moment eben nicht zu einer neuen Regierungsbildung kommen konnten.
In allen Themenbereichen, in denen wir unterwegs waren, hatten wir entweder schon Verständigungen, zum Beispiel in der schon angesprochenen Landwirtschaft. Das war ja zwischen Union und Grüne ein besonders schwieriges Feld. Aber die Akzeptanz, dass wir eine Landwirtschaft, die auch verstärkt mit den Bauern der ökologischen Förderung zugeführt wird, war das schon ein sehr bemerkenswertes Ergebnis. Auch in vielen anderen Bereichen, wenn es um den Wohnungsbau, um soziale Fragen, um wirtschaftliche Fragen ging, waren die Ergebnisse zum Greifen nahe.
Ich bin über weite Stecken des heutigen Tages davon ausgegangen, dass es am Ende dieses Tages auch zur Regierungsbildung oder zur Koalitionsbildung kommen kann im Sinne von Sondierungsergebnissen, die wir unseren Parteigremien vorlegen können. Ich sage ausdrücklich, auch in der ganzen schwierigen Frage der Zuwanderung, eines Regelwerks für die Zuwanderung, das alle Aspekte umfasst, von der Bekämpfung der Fluchtursachen bis zur Begrenzung der Zuwanderung, wäre eine Einigung möglich gewesen.
Das hätte uns ermöglicht, eine Antwort auf das Wahlergebnis zu geben, nämlich die Polarisierung in der Bundesrepublik Deutschland zu überwinden und politisch radikale Kräfte zurückzudrängen. Das wäre die erste Voraussetzung gewesen. Deshalb sage ich, es ist schade, dass es nicht gelungen ist, dies zum Ende zu führen, was zum Greifen nahe war.
Ich habe heute vor den beiden Delegationen der CDU und der CSU der Bundeskanzlerin gedankt. Gedankt für diese Verhandlungsführung, die sie ohne Unterbrechung in diesen vier Wochen persönlich durchgeführt hat. Das erfordert höchsten Einsatz, höchste Konzentration, höchste Kompetenz. Und die Delegationen von CDU und CSU haben dies mit einem lang anhaltenden Beifall zum Ausdruck gebracht. Danke, Angela Merkel, für diese vier Wochen.“
„Ja meine Damen und Herren,
wir haben Stunden, Tage und Wochen miteinander gerungen, und heute am Tag länger als wir uns ursprünglich vorgenommen haben. Wir haben als Freie Demokraten in den letzten Wochen zahlreiche Angebote zum Kompromiss unterbreitet, unter anderem zu Beginn in der Steuerpolitik, in der Europapolitik, in Fragen der Einwanderung, in der Bildungspolitik. Denn wir wissen, das Politik vom Ausgleich lebt. Und mit knapp elf Prozent kann man nicht den Kurs einer ganzen Republik diktieren.
Unsere Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln zeigen wir ja übrigens auch in Regierungsbeteiligungen in den Ländern mit Union, mit SPD und mit den Grünen.
Nach Wochen liegt aber heute unverändert ein Papier mit zahllosen Widersprüchen, offenen Fragen und Zielkonflikten vor. Und dort, wo es Übereinkünfte gibt, sind diese Übereinkünfte erkauft mit viel Geld der Bürger oder mit Formelkompromissen. Wir haben gelernt, dass auch durchaus gravierende Unterschiede zwischen CDU und CSU und FDP überbrückbar gewesen wären. Da ist wieder auch eine neue politische Nähe, auch menschliche Nähe, gewachsen. Aber am heutigen Tag wurde keine Bewegung, keine neue Bewegung, keine weitere Bewegung, erreicht, sondern es wurden Rückschritte gemacht, weil auch erzielte Kompromisslinien noch einmal in Frage gestellt worden sind.
Es hat sich gezeigt, dass die vier Gesprächspartner keine gemeinsame Vorstellung von der Modernisierung unseres Landes und vor allen Dingen keine gemeinsame Vertrauensbasis entwickeln konnten. Eine Vertrauensbasis und eine gemeinsam geteilte Idee, sie wären aber die Voraussetzung für stabiles Regieren.
Wir wissen nicht, was in den nächsten Jahren auf Deutschland in Europa und der Welt zukommt. Aber wenn dann vier Partner schon nicht in der Lage sind, bei dem Absehbaren einen gemeinsamen Plan zu entwickeln, nach so langer Zeit und so intensivem Ringen, ist das keine Voraussetzung, dafür, dass auch auf das Unvorhersehbare angemessen reagiert werden kann. Wir werfen ausdrücklich niemandem vor, keinem unserer drei Gesprächspartner, dass er für seine Prinzipien einsteht. Wir tun es aber auch für unsere Prinzipien und unsere Haltung.
Unser Einsatz für die Freiheit des Einzelnen in einer dynamischen Gesselschaft, die auf sich vertraut, die war nicht hinreichend repräsentiert in diesem Papier. Und wir haben heute an diesem entscheidenden Tag nicht den Eindruck gewonnen, obwohl allen die Dramatik der Situation bewusst war, dass dieser Geist grundlegend veränderbar gewesen wäre.
Die Freien Demokraten sind für Trendwenden gewählt worden. Und wer dieses Dokument ansieht, sieht: Es war nicht zu ambitioniert, es war nichts unrealistisch, sondern maßvoll. Wir sind für die Trendwenden gewählt worden, aber sie waren nicht erreichbar, nicht in der Bildungspolitik, nicht bei der Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, nicht bei der Flexibilisierung unserer Gesellschaft, nicht bei der Stärkung der Marktwirtschaft und bis zur Stunde auch nicht bei einer geordneten Einwanderungspolitik.
Den Geist des Sondierungspapiers können und wollen wir nicht verantworten, viele der diskutierten Maßnahmen halten wir sogar für schädlich. Wir wären gezwungen, unsere Grundsätze aufzugeben und all das wofür wir Jahre gearbeitet haben. Wir werden unsere Wählerinnen und Wähler nicht im Stich lassen, indem wir eine Politik mittragen, von der wir im Kern nicht überzeugt sind. Es ist besser nicht zu regieren, als falsch zu regieren. Auf Wiedersehen.“
„Ja, die einzig mögliche Konstellation, die demokratisch möglich gewesen wäre, wurde von der FDP heute Abend leider zunichte gemacht und abgelehnt. Unser Land zeichnet sich auch dadurch aus, dass wir die Kultur des Kompromisses kennen und schätzen. Es ist für eine funktionierende Demokratie geradezu konstruktiv, geradezu elementar, (den) Gegenüber ernst zu nehmen. Wir haben auch aus einer Haltung der Verantwortung dem eigenen Land gegenüber, Europa gegenüber und der Bedeutung unseres Landes der Welt gegenüber, man kann es auch gerne als eine Haltung des Patriotismus nennen, mit dieser Verantwortung sind wir in die Gespräche rein gegangen, um Verantwortung für unsere gemeinsame Republik zu übernehmen und wir sind dabei in vielen Themen an die Schmerzgrenze und manchmal auch über die Schmerzgrenze gegangen.
Weil wir wussten, es ist wichtig für unser Land, es ist wichtig für die Stabilität der Bundesrepublik Deutschland, dass jeder sich bewegen muss, wenn man gemeinsam an das große Ganze denken möchte. Jetzt haben wir die Situation, dass unsere Gesellschaft vor großen Herausforderungen steht, es ist die große Menschheitsfrage, die Abwendung der Klimakrise, des Klimawandels, es ist aber auch, wie wir Arbeitsplätze sichern und gleichzeitig der Wohlstand einer ist, der allen in der Gesellschaft zugute kommt. Es ist die Frage, wie wir schaffen, dass die Flüchtlinge in der Gesellschaft ankommen, dass wir Humanität einerseits und Ordnung andererseits gewährleisten, damit wir auch die Menschen im Lande davon überzeugen und mitnehmen auf diesem Weg und es ist schließlich die Frage, wer wird die Antwort geben auf die Rede von Präsident Macron, wer wird die Antwort geben auf die Rede von Kommissionspräsident Junker und wer wird dieses Europa voranbringen, wenn Deutschland jetzt in der Situation, in der es besonders wichtig wäre, erstmal ausfällt.
Ich will, wie es Katrin Göring-Eckardt gerade schon gesagt hat, erstmal meiner Co-Chefin herzlich danken, die das wirklich großartig von Anfang bis Ende durchgeführt hat, mit einer Wahnsinnskompetenz und mit einer Wahnsinnsgeduld. Und ich will auch herzlich danken dem Grünen-Sondierungsteam, die die Stärke dieser Partei Bündnis 90/Die Grünen, all ihrer Vielfalt und Breite abbildet. Alle haben sich da eingebracht und ihren Beitrag geleistet, dass wir für die Sache, für die wir brennen, gut verhandelt haben und vieles erreicht haben.
Ich will das ausdrücklich sagen. Eine Verständigung wäre möglich gewesen, guten Willen vorausgesetzt. Wir waren zu dieser Verständigung bis zur letzten Sekunde bereit, auch da noch mal weiter zu gehen, wo man eigentlich nicht mehr weitergehen kann. Aber das setzt eben voraus, dass alle diese Bereitschaft haben - und ein Partner hatte sie heute Abend offensichtlich nicht, und er hatte sie nicht erst heute Abend offensichtlich nicht, sondern auch schon am Start des Tages offensichtlich nicht.
Ich finde, meine Partei Bündnis 90/Die Grünen hat sich da wirklich toll präsentiert, mit einer hohen Sachkompetenz, brennen für die Sache, aber immer bereit dazu, dass man die Sachen vom Ende her denkt und deshalb bereit ist, auch auf den anderen zuzugehen.
Darum auch der Respekt vor unseren Verhandlungspartnerinnen und Verhandlungspartnern, auch ich will ganz besonders der Bundeskanzlerin danken, die sich von Anfang bis Ende bemüht hat, die widerstrebenden Ansichten zusammenzubringen, für ein gemeinsames Ganzes. Ich will mich ausdrücklich bedanken auch bei Horst Seehofer und seiner Partei, der ebenfalls aus einer schwierigen Perspektive kommend seinen Beitrag versucht hat zu leisten, dass wir am Ende zusammenkommen. Herzlichen Dank.“
„Ich will ausdrücklich sagen, dass wir sehr viel mehr Verständnis füreinander gewonnen haben in dieser Zeit. Und dass es für uns staatspolitische Verantwortung ist, auch bis zum Schluss gesprächsbereit zu bleiben. Das waren wir auch heute Abend, das waren wir auch heute den ganzen Tag, so wie wir es vier Wochen lang gewesen sind. Ich will ausdrücklich sagen, dass ich davon ausgehe, dass dieses Bündnis hätte zustandekommen können.
Wir waren an wenigen Punkten am Schluss noch auseinander, ja, in der Tat, und ich bin sogar überzeugt davon, dass es nicht mehr lange Zeit gebraucht hätte, auch da zusammenzukommen.
Ich glaube, es wäre für dieses Land auch ein gutes Signal gewesen. So gespalten, wie es zu sein scheint, wenn sich so unterschiedliche Partner darauf verständigen, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen. Gerade bei den so zentralen Themen, bei denen wir am Ende doch näher beieinander waren, als wir es gedacht hätten. Bei der Menschheitsfrage Klimaschutz, bei der Frage der Landwirtschaft, ja selbst bei dem großen Thema Migration - glaube ich - wäre es gelungen, nicht nur, dass sich diese Partner einigen, sondern dass sie auch dazu beitragen können, dass dieses Land wieder zusammenwächst, gemeinsam weiter vorankommt. Daran haben wir hart gearbeitet. Und ich will mich bei allen bedanken, die daran mitgearbeitet haben.
Ich bedanke mich herzlich, ganz besonders herzlich, bei den Menschen, die jetzt hier hinter uns stehen, und bei Cem Özdemir, der neben mir steht, weil wir in dieser Zeit tatsächlich gespürt haben, das machen wir gemeinsam, das machen wir als Partei gemeinsam - auch in dieser so schwierigen Konstellation, die sich niemand ausgesucht hatte, von der niemand gedacht hätte, dass wir sie jemals verhandeln würden.
Ich will mich aber auch ganz ausdrücklich bedanken bei der Bundeskanzlerin. Und das sage ich nicht nur für mich, das sage ich für uns alle, für die komplette grüne Delegation, dafür, dass sie in Verantwortung für dieses Land immer wieder weitergesprochen hat, immer wieder nach neuen Möglichkeiten, nach neuen Kompromissen, nach neuen Wegen gesucht hat. Ganz herzlichen Dank also von uns an Angela Merkel und an die vielen Verhandlungspartner, die wir während dieser Zeit hatten, an eine Union, die die Verantwortung mit übernehmen wollte.
Die FDP hat sich entschieden, sie haben sich anders entschieden, sie haben sich nicht für gemeinsame Verantwortung entschieden, das müssen wir respektieren. Aber ich sage ganz klar, wir werden in dieser Haltung, in der Verantwortung für unser Land auch die nächsten Wochen und Monate gestalten.“
Dazu hätte es aber einer starken Verhandlungsführung bedurft. Die Bundeskanzlerin, deren umweltökonomische Kompetenz unbestritten ist (wie sie in ihrer Zeit als Umweltministerin eindrucksvoll belegte), hätte hier einen Pflock einrammen können, wenn nicht müssen. Sie hätte ambitionierte umweltpolitische Ziele im Koalitionsvertrag mit der Anwendung effizienter Instrumente verknüpfen können. Dann hätte jeder, der den Verhandlungstisch verlässt, wirklich schwach ausgesehen.
Damit wäre das Hauptproblem der Verhandlungen identifiziert. Eine Versöhnung der größten Widersprüche zwischen den Grünen und der FDP oder den Grünen und den Christsozialen hätte einer starken, inhaltlichen klaren Verhandlungsführung bedurft. Diese jedoch setzt voraus, dass die CDU selber Gestaltungswillen aufbringt – das war schon in der vergangenen Legislaturperiode nicht zu beobachten. Der CDU genügt es, wenn Deutschland ein Land ist, „in dem wir gut gerne leben“. Über Kleinigkeiten, wie den Weg dorthin, oder über Kriterien für das „gerne“ wird nicht mehr geredet.
Insofern ist die Wut auf denjenigen, der als erster die schlechte Party verlassen und den schönen Schein zerstört hat, völlig verfehlt – wie es umgekehrt auch verfehlt wäre, wenn FDP-Politiker nun die Grünen als Sozialisten und linke Spinner verunglimpften. Diese Art Sprache ist auch deshalb so gefährlich, weil sie die Rhetorik der AfD nachahmt und damit hoffähig macht. Anstatt zu pöbeln, sollten die Akteure sich in inhaltliche Arbeit stürzen, denn es gibt genug zu tun. Man denke nur an den Klimaschutz!
Jamaika gescheitert: Drei Szenarien möglich
Eine schwarz-rote Koalition ist rechnerisch möglich. Theoretisch könnten CDU, CSU und SPD also Verhandlungen aufnehmen. Die SPD ist aber nicht bereit für eine Neuauflage der „GroKo“. Am vergangenen Freitag schloss die SPD-Fraktionsvorsitzende Andrea Nahles eine große Koalition erneut aus. Auch Parteichef Martin Schulz sieht die SPD nur in der Opposition.
Fazit: nahezu ausgeschlossen
Einer möglichen Koalition aus CDU/CSU und FDP fehlen 29 Sitze zur Mehrheit im Bundestag. Schwarz-Gelb müsste also bei Abstimmungen auf Stimmen aus den anderen Fraktionen hoffen. Das Gleiche gilt für Schwarz-Grün; hier fehlen 42 Sitze zur Mehrheit. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist jedoch keine Freundin wechselnder, unsicherer Mehrheiten. Eine Minderheitsregierung hat es nach einer Bundestagswahl auch noch nie gegeben, eben weil sie so riskant ist.
Fazit: unwahrscheinlich
Der Weg zu einer Neuwahl ist verschlungen - weil es die Verfassung so will. Vor eine Neuwahl unter den aktuellen Umständen hat das Grundgesetz nämlich die Kanzlerwahl gestellt.
Der Bundespräsident muss zunächst jemanden für das Amt des Bundeskanzlers vorschlagen. Diese Person wird Kanzler(-in), wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bundestages für sie stimmen („Kanzlermehrheit“). Bisher wurden alle Kanzler der Bundesrepublik in diesem ersten Wahlgang gewählt.
Findet der Vorschlag des Bundespräsidenten keine Mehrheit, beginnt die zweite Wahlphase. Der Bundestag hat jetzt zwei Wochen Zeit, sich mit absoluter Mehrheit auf einen Kanzler zu einigen. Die Zahl der Wahlgänge ist nicht begrenzt, ebenso wenig die Zahl der Kandidaten. Dem Bundestag steht es also frei, die zwei Wochen ungenutzt verstreichen lassen - oder etwa fünfzehn Mal zu versuchen, einen Kandidaten zu wählen.
Kommt auch in diesen zwei Wochen keine Kanzlermehrheit zustande, beginnt die dritte Wahlphase. In diesem letzten Wahlgang reicht schon die relative Mehrheit. Gewählt ist also, wer von allen Kandidaten die meisten Stimmen gewinnt.
Nun muss wieder der Bundespräsident handeln. Wird jemand nur mit relativer Mehrheit gewählt, kann der Bundespräsident sie zur Kanzlerin oder ihn zum Kanzler einer Minderheitsregierung ernennen - er kann aber auch den Bundestag auflösen. Innerhalb von 60 Tagen muss es dann Neuwahlen geben.
Fazit: wahrscheinlich