Freytags-Frage

Wie reagiert man auf die primitive Polemik der Populisten?

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Probleme sind konkret und real

Rationale und ernsthafte Politik muss hier ganz konkret und genau argumentieren. Mit Sprechblasen kann man keine Sprechblasen entzaubern. Vor diesem Hintergrund machen die Wahlplakate im gegenwärtigen Wahlkampf Sorgen: gegen Armut, für die Umwelt, für ein schönes Deutschland; da stimmen alle zu. Man würde sich mehr Substanz wünschen.

Das Wichtigste allerdings sind entsprechende Politikangebote; dies ist der dritte und anstrengendste Teil der Strategie gegen Populismus. Denn die Probleme, die den Aufstieg der Populisten ermöglicht haben, sind konkret und oft real. Manchmal sind sie zwar eher gefühlt als real, aber auch dann braucht es gute Politik, um die Wahrnehmung zu verändern. Hier fehlt es an vielen Stellen. Drei Beispiele.

• In der Europapolitik gelten die Regeln offenbar nicht für alle. Zur Erinnerung: Die unzureichende, wenn nicht komplett verfehlte Reaktion auf die Eurokrise im Jahre 2010 war die Initialzündung zur Gründung der AfD, die ja von einigen liberalen Ökonomen gegründet wurde. Das geschah auch deshalb, weil in der Europapolitik immer gleich argumentiert wurde. Wer Kritik äußerte, galt damals schlicht als Anti-Europäer. Die Gründer hatten aber unterschätzt, dass sie nicht nur gemäßigte Verantwortungsethiker anziehen würden, sondern auch extreme und irrationale Kräfte, die sie schließlich verdrängten. Bislang fehlt ein überzeugendes Konzept zur endgültigen Lösung der Eurokrise, die nur hintangestellt ist, aber jeden Tag wiederaufleben könnte.

• Ein zweites Beispiel sind die enormen Wanderungsbewegungen der Flüchtenden des Jahres 2015. Diese haben Ängste bei einigen Bürgern erzeugt, die nicht beruhigt wurden. Sieht man sich die Realität genauer an, sind die Probleme wesentlich kleiner als befürchtet. Dennoch ist es notwendig, die Behandlung von Asylsuchenden zu professionalisieren und zugleich eine vernünftige Zuwanderungspolitik zu betreiben. Hier sieht man Ansätze, die hoffentlich langfristig den rechten Vereinfachern den Wind aus den Segeln nehmen.

• Was die Armut angeht, so ist diese nicht mit höheren Sozialleistungen nachhaltig bekämpft, sondern mit besserer Bildungspolitik. Diese beginnt im Kleinkindalter und erschöpft sich nicht darin, immer mehr Institutionen den Hochschulstatus einzuräumen. Auch hier gibt es Tendenzen, die Mut machen.
Es wird dauern, bis man diese Probleme gelöst hat – und inzwischen werden immer neue hinzukommen, die wiederum Futter für die Populisten sind. Die Antwort darauf kann nur darin bestehen, inhaltlich zu arbeiten. Empörung reicht keineswegs, so widerlich manche Einlassungen auch sein mögen. Am besten hat in dieser Hinsicht die Angegriffene selbst auf Gaulands Äußerung reagiert. Frau Özoğuz hat den Redner schlicht ignoriert.

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