Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat bei seinem Besuch in China einigen Ärger auf sich geladen. Er kündigte an, bei Verkäufen deutscher Unternehmen bzw. Unternehmensteile an chinesische Unternehmen genauer hinsehen zu lassen und den Verkauf gegebenenfalls, nämlich dann, wenn der Staat hinter dem chinesischen Partner steht und/oder deutsche Sicherheitsinteressen berührt sind, zu untersagen.
Gleichzeitig hat er marktwirtschaftliches Verhalten der chinesischen Seite im Falle deutscher Investitionen in China eingefordert – schließlich bekommt China im Jahre 2017 von der Welthandelsorganisation (WTO) den Status einer Marktwirtschaft zugesprochen. Damit meint der Minister, dass deutschen Investoren grundsätzlich so hohe Anteile an chinesischen Unternehmen wie gewünscht erwerben können darf und darüber hinaus nicht dazu gezwungen werden soll, Technologien und Patente offenlegen zu müssen.
Damit sind zwei Themen angesprochen, die in einer marktwirtschaftlichen Ordnung eine Selbstverständlichkeit sein sollten, nämlich die herausragende Rolle privater Unternehmen und der Marktzugang für ausländische Investoren. Der Minister argumentiert zu Recht, dass China, wenn es denn wie eine Marktwirtschaft behandelt werden will, auch so handeln müsse.
Dies scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Ganz im Gegenteil: Eine neue Strategie chinesischer Investoren in den OECD-Ländern schält sich heraus. Diese Investoren sind offenbar nur dem Anschein nach private Unternehmen; der Staat ist aktiv beteiligt, direkt oder über einen Fonds. Dies widerspricht der Idee einer Marktwirtschaft. Denn da sich die Investoren auf technologieintensive Unternehmen zu konzentrieren scheinen, sieht es so aus, als ob die Regierung über die Unternehmenskäufe heimlich strategische wichtiges Know-How anderer Länder erwerben will.
Außerdem scheint die chinesische Regierung im Bemühen um totale Kontrolle (nicht nur der Bürger) eine marktwirtschaftliche Ordnung auch im Inneren für immer weniger erstrebenswert halten und die Spielräume für private Aktivität einschränken zu wollen. Ausländischen Investoren wird immer mehr vorgeschrieben; sie werden offenbar gezwungen, ihre Technologien mit chinesischen Partnern zu teilen. Ausländische Mehrheitsbeteiligungen gibt es offenbar kaum noch. Das wird zwangsläufig dazu führen, dass europäische und amerikanische Investoren zurückhaltender werden und ihre Investitionen genau überprüfen – sowohl die existierenden als auch geplante Vorhaben.
Wie soll eine marktwirtschaftlich und demokratisch verfasste Gesellschaft auf staatliche Konkurrenz zu ihren eigenen privaten Unternehmen reagieren? Dies ist eine seit langem und immer wieder geführte Diskussion, die im Hinblick auf China zuletzt im Frühjahr und im Sommer 2016 hohe Wellen schlug, als man den chinesischen Unternehmen Dumping mit Hilfe staatlicher Subventionen vorwarf. Damals ging es allerdings um einen Markt, auf dem deutsche Unternehmen im Grunde keine Zukunft mehr haben, denn Massenstahl ist ein Produkt, das in Schwellenländern wesentlich günstiger als bei uns produziert werden kann.
Im Fällen wie dem gerade diskutierten der geplanten Übernahme von Aixtron, einer deutschen High-Tech-Unternehmung, die zudem möglicherweise sicherheitspolitisch relevante Technologien entwickelt, liegt der Fall anders. Es droht nicht nur die Abwanderung der Produktion dieser Technologie aus Deutschland, was in der Tat kein ernstes Argument wäre, wenn ein privater Investor sich dort beteiligen würde; denn es ist davon auszugehen, dass ein privater Investor an der Fortentwicklung des Unternehmens interessiert wäre und die Bedingungen am Technologiestandort eher verbessern wollen würde. Wenn der chinesische Staat mehrheitlich beteiligt wäre, wäre aber zu erwarten, dass er die Arbeitsplätze lieber in China als in Deutschland sähe.
Es drohte in diesem Fall aber auch die Abwanderung der Technologie und damit eine technologische Lücke. Anders gewendet: Es besteht die Gefahr, dass der Übernehmer, in diesem Fall der chinesische Parteiapparat diese Technologie für sich vereinnahmt. Das Wissen würde mitgenommen, weitere Entwicklungen am deutschen Standort unterbleiben möglicherweise; ob dies angesichts der Komplexität der Technologien wirklich gelingt, ist eine ganz andere Frage. Auszuschließen ist es nicht.
Insofern hat Minister Gabriel hier durchaus Recht, wenn er vorsichtig ist und die Übernahme der Fima Aixtron noch einmal prüft, selbst wenn die Sicherheitsrelevanz ihrer Produkte gering wäre. Es wundert hingegen ein wenig, dass der Gründer von Aixtron diese Sorgen nicht teilt, sondern den freien Kapitalmarkt bedroht sieht, wenn der chinesische Staat sich bei uns nicht bedienen darf.
Der Fall zeigt, dass der Umgang von Marktwirtschaften mit staatlich gesteuerten Unternehmen im globalen Wettbewerb eine komplexe Angelegenheit ist. Von einem “level playing field“, also einem fairen Wettbewerb ist dabei nicht immer auszugehen. Deshalb muss sich die Bundesregierung hier in der Tat etwas diskretionären Spielraum lasse, selbst wenn grundsätzlich klare Regeln und deren strikte Anwendung vorzuziehen sind – idealerweise von allen Seiten!