Freytags-Frage

Warum brauchen wir regelgebundene Wirtschaftspolitik?

Die Ministererlaubnis für die Edeka-Tengelmann-Fusion zeigt wieder: An Regeln hält sich in der Wirtschaft niemand gerne. Dabei braucht es eine Ordnung - gerade im Interesse der Schwächsten. Eine Kolumne.

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Schilder und Straßen Quelle: freshidea - Fotolia

In den vergangenen Jahren hat es zahlreiche Belege dafür gegeben, dass wirtschaftspolitische Grundsätze, Prinzipien beziehungsweise Regeln sowohl in Europa als auch in Deutschland heute nur wenig Durchsetzungskraft aufwiesen. Besonders evident ist dies in der Europapolitik: Ob Bail-out-Klausel, ob Verbot der Monetarisierung von Staatsdefiziten oder Dublin-Abkommen; die Regeln werden weder eingehalten noch ex-post eingeklagt. Man hat sich daran gewöhnt, dass Europarecht nicht weiter ernst genommen wird.

In Deutschland gibt es weitere Beispiele für Regelbruch beziehungsweise Regellosigkeit: Nordrhein-Westfalen schafft es beispielsweise regelmäßig nicht, einen verfassungsgemäßen öffentlichen Haushalt aufzustellen, in der Rentenpolitik wird nach Kassenlage verfahren, und in der Energiepolitik entscheidet die Bundesregierung offenbar nach Bauchgefühl über langfristig wirksame Maßnahmen.

Ein Grenzfall ist die Wettbewerbspolitik. Hier hat das Kartellamt grundsätzlich über Fusionen zu entscheiden; es gibt klare Kriterien (also Regeln). Abgelehnte Antragsteller dürfen aber eine Ministererlaubnis beantragen; dieser Antrag wird dann vom Bundeswirtschaftsminister entschieden.

Die Kriterien hierfür sind nicht eindeutig – im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen finden sich gesamtwirtschaftliche Vorteile und überragendes Interesse der Allgemeinheit; auch die internationale Wettbewerbsfähigkeit kann eine Rolle spielen (im aktuell vorliegenden Fall wohl nicht).

Auf jeden Fall es gibt eine diskretionären Spielraum, der allerdings wiederum Regeln unterworfen ist, weil die Entscheidung innerhalb von vier Monaten nach Antragstellung fallen muss.

Der Bundeswirtschaftswirtschaftsminister hat sich in dieser Woche nach langer, vermutlich auch reiflicher, Überlegung dazu entschieden, auf dem Lebensmitteleinzelhandelsmarkt die Fusion zwischen Edeka und Tengelmann vorläufig zu genehmigen.

Die endgültige Zustimmung hängt von weiteren Zusagen zum Erhalt der Arbeitsplätze bei Tengelmann und die Zustimmung der Gewerkschaft Verdi beim eventuellen Weiterverkauf einzelner Filialen an selbständige Einzelhändler ab.

Diese Entscheidung kommt nicht völlig unerwartet. Der Wirtschaftsminister hat sich erstens sehr lange Zeit gelassen, denn es bedurfte etwa eines Dreivierteljahres für diesen Zwischenbescheid. Zweitens deutete sich bereits seit längerem an, dass der Wirtschaftsminister den Erhalt der Arbeitsplätze hoch einschätzt und dass der Wettbewerb im Kalkül des Ministers nur eine zweitrangige Rolle spielen dürfte.

Es geht im weiteren aber nicht allein um die Beurteilung dieses zugegebenermaßen komplexen Falles, sondern darum, noch einmal die wirtschaftspolitische Bedeutung von Regeln zu diskutieren.

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