Freytags-Frage

Warum redet kein Politiker über Steuerverschwendung?

Ausgelöst durch die Offshore-Leaks haben Politiker mit großem Eifer gegen Steuervermeidung und Steuerhinterziehung gewettert. Doch warum meiden sie mit genauso großem Eifer das Thema Steuerverschwendung?

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Im Zuge der jüngsten Debatte um Steuervermeidung und Steuerhinterziehung sollte endlich auch das Finanzgebaren staatlicher Institutionen Gegenstand öffentlicher Diskussionen werden. Quelle: dpa

Gezielte Steuervermeidung. Ist das Problem wirklich so groß? Die Rede ist von 400 Milliarden Euro Vermögen, die deutsche Bürger im Ausland vor dem Fiskus geheim halten. Angenommen, dieses Vermögen erwirtschaftet im Durschnitt fünf Prozent (eine sehr heroische Annahme), so wären 20 Milliarden Euro zu versteuern; das ergäbe bei 25 Prozent Kapitalertragsteuer fünf Milliarden Euro. Wenn man großzügig ist, so nimmt man dieselbe Summe als entgangene Körperschaftsteuereinnahmen hinzu. Nicht alles ist hinterzogen, aber die Anteile an legaler Vermeidung und Hinterziehung sind wohl kaum präzise zu bestimmen. Gehen wir also von zehn Milliarden Euro Steuerverlusten aus.

Wer seine Finger mit im Steuer-Spiel gehabt hat
Das Internationale Konsortium für investigativen Journalisten (ICIJ) hatte Anfang April 2013 für Aufregung auf den British Virgin Islands gesorgt. Das Netzwerk veröffentlichte, gemeinsam mit verschiedenen internationalen Medien, die Namen von Politikern, Lobbyisten, Milliardären, Unternehmern und Prominenten, die im großen Stil Steuern hinterzogen und ihr Geld in Offshore-Firmen gesteckt haben sollen. Nun hat das ICIJ die Daten von rund 100.000 Unternehmen, Fonds und Stiftungen zugänglich gemacht, die ihr Geld in Steueroasen deponiert haben. Ob die aufgeführten Institutionen und Personen Gesetze gebrochen haben, müssen die Ermittlungen zeigen. Folgende Personen und Unternehmen sind schon im Fokus der Behörden... Quelle: AP
Schon am 4. April war bekannt geworden, dass die Steuerhinterzieher Unterstützung von einer "Industrie aus Strohmännern, Buchhaltern, Notaren und Banken" hatten. Laut den Unterlagen des ICIJ hätten auch "viele der größten Geldkonzerne der Welt" ihre Finger im Spiel gehabt. Darunter seien unter anderem die Deutsche Bank, die Schweizer Großbank UBS und eine Tochter der Credit-Suisse. Einen Tag darauf ist das Ausmaß der Beteiligung bekannt geworden. Laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung betreibt eine Niederlassung der Deutschen Bank in Singapur rund 300 Firmen und Trusts in diversen Steueroasen. Die Bank werbe sogar ganz direkt für ihre Offshore-Dienste. So wird Kunden beispielsweise Mauritius als "steuer-neutrale Umgebung" angepriesen. Die Deutsche Bank weist die Vorwürfe bisher zurück. Quelle: REUTERS
In den Unterlagen, die unter anderem der Süddeutschen Zeitung, dem Norddeutschen Rundfunk, der Schweizer Sonntagszeitung, dem britischen Guardian und der Washington Post vorliegen, ist von 130.000 Steuerhinterziehern aus mehr als 170 Ländern die Rede. ICIJ, von dem die Daten stammen, nennt Diktatoren, Politiker, Oligarchen, Waffenhändler, Finanzmarktakteure - und politische Berater. In Frankreich verstärkte sich der Druck auf die sozialistische Regierung. Die Zeitungen "Le Monde" und "Guardian" berichteten, dass der frühere Wahlkampfmanager von Präsident Francois Hollande, Jean-Jacques Augier, in den Dossiers genannt wird. Er soll 2005 auf den Cayman-Inseln das Unternehmen "International Bookstores Limited" mitgegründet haben. Das Präsidialamt äußerte sich zunächst nicht. Quelle: Twitter
Unter den Steuerhinterziehern ist auch der 2011 verstorbene Industriellenerbe und Künstler Gunter Sachs. Vor seinem Tod habe der Lebemann sein Vermögen in diversen Steueroasen angelegt und es nicht vollständig deklariert. Seine Nachlassverwalter weisen die Vorwürfe jedoch zurück. Quelle: REUTERS
Auch der russische Oligarch Michail Maratowitsch Fridman soll sein Vermögen am Fiskus vorbei in diverse Steueroasen gebracht haben. Fridmann gilt als einer der einflussreichsten Männer in Russland: Er ist Hauptgründer und Aufsichtsratsvorsitzender des Industrie- und Finanzkonzerns Alfa Group, hat diverse höhere Positionen in Tochterunternehmen der Gruppe inne und ist Vorsitzender des Direktorenrates des Ölunternehmens TNK-BP. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Angeblich soll auch der Deutsche Franz Wolf, Sohn des ehemaligen DDR-Geheimdienstchefs Markus Wolf, in Fridmans Geschäfte verwickelt gewesen sein. Er habe mehrere von Fridmans Offshore-Firmen geleitet. Wolf hat bisher jedoch noch keine Auskunft zu den Vorwürfen gegeben. Bislang sind Sachs und Wolf die einzigen Deutschen auf der Steuerhinterzieher-Liste, deren Name bereits bekannt wurde. Quelle: AP
Auch in der Schweiz stehen bekannte Namen auf der Liste, unter anderem die Rothschilds (im Bild: Nathaniel Philipp Rothschild). Eine Anwaltskanzlei soll laut „Sonntagszeitung“ die Offshore-Geschäfte für einige der reichsten Familien Europas regeln, darunter offenbar auch besagte Bankiersfamilie. Quelle: REUTERS

Wären also alle fiskalischen Probleme gelöst, wenn diese Steuern eingezogen würden? Keineswegs. Die Staatsverschuldung liegt bei über 2.000 Milliarden Euro, der Bundeshaushalt 2013 hat laut Website des Bundesfinanzministeriums ein Volumen von 302 Milliarden Euro. Da fallen zehn Milliarden kaum ins Gewicht.

Die Intensität der Debatte und die vielen empörten Zwischenrufe unserer politischen Elite lassen deshalb auf den ersten Blick den Schluss zu, dass ein Thema gebraucht wurde, um von anderen Themen abzulenken. Und dass sich die "Reichen", die ihre Steuern nicht zahlen, offenbar gut als Sündenböcke für fiskalische Probleme gebrauchen lassen, selbst wenn Ursachen für diese Probleme ganz woanders zu suchen sind.

Es geht aber doch um mehr, denn die Weigerung einiger Wohlhabender, sich an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben (angemessen) zu beteiligen, ist in der Tat eine Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Deshalb ist sie schwer zu akzeptieren.

Man würde der Gesellschaft aber keinen Gefallen tun, wenn man diese Weigerung vorschnell als Ausdruck von unsolidarischem Verhalten und krimineller Veranlagung interpretieren und die Lösung einzig in der Austrocknung der Steueroasen und der Verschärfung der Strafen für Steuerhinterziehung suchen würde.

Zunächst sollte klarer unterschieden werden. Steuerhinterziehung ist ein Verbrechen, es gibt Gesetze, die streng zur Anwendung kommen sollten. Gnade, Verständnis, gar Augenzwinkern sind absolut fehl am Platze. Hier besteht in Europa in einigen Ländern (man denke an Griechenland) noch etwas Nachholbedarf. Bei uns scheint die Durchsetzung der Gesetze zu funktionieren, ohne dass das Problem deshalb vernachlässigbar ist.

Die Frage nach den Ursachen

Steuerhinterziehung: Vom Kavaliersdelikt zum Verbrechen
Die schweizer Flagge vor einer Bank Quelle: dpa
Ein Bild vom 11. September 2001 Quelle: REUTERS
Hans Eichel Quelle: REUTERS
Schweizer Käse Quelle: AP
Klaus Zumwinkel Quelle: dpa
Das Logo der UBS Quelle: dapd
Schweizer Fahne auf einer CD Quelle: dpa

Anders verhält es sich bei legaler Steuervermeidung durch Verlagerung von steuerpflichtigem Einkommen in Niedrigsteuerstandorte. Diese ist formal nicht zu beanstanden; in einem freien Land hat jeder das Recht dazu. Gegen diese Standorte (sog. Steuerparadiese und Steueroasen) zu wettern, kann keine Lösung sein. Der Steuerwettbewerb ist sogar hilfreich, weil er Regierungen dazu zwingt, eine rationale, faire und nachvollziehbare Steuerpolitik zu betrieben. Die Bekämpfung der Steueroasen kann vor diesem Hintergrund als ein Versuch zur Kartellierung (gegen die Steuerbürger) interpretiert werden.

Damit kommen wir zu einem Punkt, der in der gegenwärtigen Debatte ausgeblendet wird, nämlich die Frage nach den Ursachen der Steuervermeidung und Steuerhinterziehung. Wenn man davon ausgeht (und das sollte man), dass Reiche nicht systematisch kriminell veranlagt sind, dann sollte man sich fragen, welche Gründe manche wohlhabende Bürger haben, die Steuern in Deutschland zu minimieren und sich so ihrer Bürgerpflicht zu entziehen.

Serie Wohnungsmarkt

Zunächst fällt einem das deutsche Steuersystem ein, das einem relativ aktuellen Ranking zufolge unter 183 Ländern den 88. Platz einnimmt. Kriterien sind die Anzahl der Steuerzahlungen, der administrative Aufwand und die damit verbundene Zeit sowie die Ausnahmetatbestände. Das Steuersystem lädt geradezu dazu ein, nach Reduzierungsmöglichkeiten zu suchen, gibt es doch über 400 Ausnahmen und Sonderregelungen für Steuerpflichtige. Eine Vereinfachung des Systems ist dringend geboten, und dies schon seit Jahrzehnten!

Zweitens ist die Verwendung der Steuereinnahmen zu nennen. Die Rechnungshöfe kritisieren staatliches Ausgabeverhalten regelmäßig. Auch der Bund der Steuerzahler veröffentlicht auf seiner Website zahlreiche Beispiele für eine geradezu schildbürgerstreichartige Verwendung von Steuergeldern. Neben den bekannten Fällen (Elbphilharmonie, Flughafen Berlin Brandenburg, Stuttgart 21, Nürburgring) werden zahlreiche weniger prominente, aber gleichermaßen absurde und krasse Fälle von Verschwendung aufgezählt, zu nennen sind Kitas, Schulen, Kompetenzzentren, Brücken und vieles mehr. Dieses Prozedere wiederholt sich von Jahr zu Jahr, ohne dass man eine Verbesserung feststellt.

Wo Unternehmen und Bürger die höchsten Steuern zahlen
Platz 10: KolumbienDie gesamte Steuerrate liegt in diesem südamerikanischen Land bei 74,4 Prozent. Die Studie von PricewaterhouseCoopers zählt zur gesamten Steuerrate: Steuern auf Unternehmensgewinne, Arbeit, Sozialabgaben und andere Abgaben, sowie andere Steuern. Quelle: PWC, Doing Business database Quelle: Reuters
Platz 9: PalauRein landschaftlich könnte dies ein Steuerparadies sein. Doch insgesamt 75,7 Prozent werden auf dem pazifischen Inselstaat erhoben. Für die Region ist das außergewöhnlich: Das pazifische Asien erhebt Steuern in der Regel unterhalb des Weltdurchschnitts. Der liegt bei 44,7 Prozent. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Platz 8: BolivienDas Andenland erhebt Steuern in Höhe von insgesamt 83,4 Prozent. Südamerika ist nach wie vor die Region der Welt, wo Steuerzahler und Unternehmen am meisten Zeit investieren müssen, um die Zahlung an den Fiskus vorzubereiten: durchschnittlich 619 Stunden im Jahr (Global: 216 Stunden) Eine Vielzahl an undurchsichtigen Regeln und ständige Änderungen durch den Gesetzgeber machen das Zahlen von Steuern zu einer zeitaufwändigen Aufgabe. Quelle: Reuters
Platz 7: TadschikistanBürger und Unternehmen werden hier mit Steuern in Höhe von 84,5 Prozent belastet. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Platz 6: EritreaDas afrikanische Land liegt gleich auf mit Tadschikistan: insgesamt zahlen Firmen und Bürger hier 84,5 Prozent Steuern. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Platz 5: UzbeksitanDie gesamte Steuerlast liegt hier bei 98,5 Prozent. Quelle: Creative Commons-Lizenz
Platz 4: ArgentinienDas Land erhebt Steuern in Höhe von insgesamt 108,3 Prozent.

Drittens muss auch an dieser Stelle an das enorme Subventionsvolumen in Deutschland erinnert werden. Insgesamt mehr als 160 Milliarden Euro Subventionen werden Jahr für Jahr in Deutschland gezahlt, hinzu kommen acht Milliarden Euro für öffentliches Qualitätsfernsehen (z.B. Sportschau, Musikantenstadl, Gerichtsserien, Soaps) und mehr als zehn Milliarden Euro für die Förderung erneuerbarer Energien. Solche Zahlungen sind allokativ verzerrend und ungerecht, weshalb man sie schrittweise abbauen sollte. Wenn man die Subventionen jedes Jahr um zehn Milliarden Euro abbaut, hätte man die Lücke durch Steuerflucht wahrscheinlich gefüllt.

Zur Steuerflucht gehören zwei

Was Steuerzahler besser wissen sollten
BundeswehrNoch sind Wehrsold und Dienstgeld für freiwillig Wehrdienstleistende steuerfrei. Auch Reservisten müssen ihre Bezüge nicht mehr versteuern. Aber die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, nachdem künftig Steuern auf Zuschläge, besondere Zuwendungen, unentgeltliche Unterkünfte und Verpflegung erhoben werden. Sold und medizinische Versorgung sollen steuerfrei bleiben. Gezahlte Taschengelder und andere Zahlungen in den freiwilligen zivilen Diensten, vor allem im Jugendfreiwilligendienst, sind wohl auch weiterhin von der Steuer befreit sein. Allerdings soll die neue Steuerpflicht auf Zuschläge und Extrazahlungen nur für neue Soldaten gelten. Wer vor dem Jahreswechsel seinen Wehrdienst angetreten hat, bleibt komplett steuerfrei. Wer erst 2013 seinen Dienst angetreten hat, kann sich über den Jahressteuerausgleich zu viel bezahlte Steuern zurückholen. Steuerfrei bleibt in jedem Fall der Grundfreibetrag von 8130 Euro im Jahr – besser bekannt als Existenzminimum. Die Summe erreichen jedoch die wenigsten freiwilligen Wehrdienstleistenden. Quelle: dapd
ElektroautoElektroautos im Förderprogramm: Die Kfz-Steuer für die Stromer entfällt nun für zehn statt wie bisher für fünf Jahre. Und wer ein Elektroauto mit Brennstoffzelle als Dienstwagen überlassen bekommt und somit den geldwerten Vorteil versteuern muss, darf die teure Brennstoffzelle aus dem Listenpreis herausrechnen. Dann fällt die pauschale Versteuerung nach der Ein-Prozent-Regel günstiger aus. Danach muss der Arbeitnehmer jährlich ein Prozent des Listenpreises seines Dienstwagens wie sein sonstiges Einkommen versteuern. Für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsort kommen noch 0,03 Prozent vom Bruttolistenpreis des Fahrzeugs je Entfernungskilometer hinzu. Quelle: dpa
Oldtimer als DienstwagenIn der eskalierenden Finanzkrise stürzten sich viele Sparer auf Sachwerte. So boomte auch der Markt für Oldtimer. Das brachte manchen Firmenchef oder Selbständigen auf die Idee, das edle Gefährt auch als Dienstwagen zu nutzen. Der Clou: zu versteuern ist der Dienstwagen-Vorteil nach der Ein-Prozent-Regel, das heißt, ein Prozent des Fahrzeug-Listenpreises zählt monatlich als steuerrelevantes Einkommen. Da die Listenpreise der alten Schätzchen jedoch nach heutigen Maßstäben sehr niedrig sind und der tatsächliche Verkaufswert des Oldtimers für die Steuerbehörden keine Rolle spielt, ist die Steuerbelastung im Vergleich zu modernen Autos sehr niedrig. Quelle: Presse
Smartphones, Notebooks und Co.Wer vom Chef Smartphone, Notebook oder Tablet-Computer zur beruflichen und privaten Nutzung überlassen bekommt, muss keine Steuern und Sozialabgaben auf die geliehenen Arbeitsmittel zahlen. Sind die Geräte jedoch ein Geschenk an den Arbeitnehmer, fallen 25 Prozent Steuern auf den Kaufpreis an. Quelle: REUTERS
EhrenamtIm laufenden Jahr können ehrenamtliche Helfer in Vereinen und Organisationen 220 Euro mehr Aufwandsentschädigung erhalten, ohne steuerpflichtig zu werden. Insgesamt dürfen sie steuerfrei 720 Euro im Jahr für ihr Ehrenamt erhalten. Für Rettungssanitäter und ähnliche Ehrenamtliche steigt die abgabenfreie Grenze um 300 Euro auf 2400 Euro im Jahr. Auch für Vereine kann es sich daher lohnen, die Aufwandsentschädigungen anzupassen, wenn ein Teil der Bezahlung als Minijob erfolgt. Je besser sie das steuerfreie Maximum für Entschädigungen nutzen, umso geringer ist ihr Steueranteil für die Minijob-Bezahlung. Quelle: Fotolia
Steuererklärungen von RentnernDerzeit machen die Finanzbehörden Jagd auf Ruheständler, die zwar steuerpflichtig sind, aber keine Steuererklärung abgegeben haben. Durch Datenabgleich mit der Rentenversicherung kommen die Ämter den Säumigen auf die Schliche, bereits 100.000 Rentner in Nordrhein-Westfalen haben deswegen Post vom Finanzamt erhalten. Es handle sich um Rentner, die bisher steuerlich nicht geführt wurden, bei denen ein Abgleich mit Daten der Rentenversicherungen aber ergab, dass sie eine Steuererklärung hätten abgeben müssen, berichtete die "Rheinische Post" unter Berufung auf das Düsseldorfer Finanzministerium. Deshalb müssen die betroffenen Rentner jetzt nachträglich eine Steuererklärung abgeben. Wer 2013 in Rente geht, muss einen größeren Teil seiner Rentenbezüge versteuern. Durch das Alterseinkünftegesetz aus dem Jahr 2004 steigt Jahr für Jahr der zu versteuernde Rentenanteil, bis 2040 100 Prozent der Rente zu versteuern sind. Wenn keine weiteren Einkünfte dazu kommen, bleiben diese Rentenbeträge im Monat steuerfrei:Steuerjahr 2012: Jahresfreibetrag 15.770 Euro, entspricht monatlich 1308 EuroSteuerjahr 2013: Jahresfreibetrag 15.190 Euro; entspricht monatlich 1260 Euro Quelle: dpa
Steuerveranlagung von EhepaarenEhepaare müssen sich entscheiden, ob sie ihre Steuerschuld gemeinsam oder getrennt tragen wollen. Bei gemeinsamer Veranlagung werden Einnahmen und Ausgaben quasi in einen Topf geworfen und nach der Splitting-Tabelle gemeinsam versteuert. Paare, bei denen jeder Ehepartner seine eigene Steuererklärung abgeben möchte, kann für das Vorjahr nur noch eine Einzelveranlagung wählen. Dann können Kosten wie etwa Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen nicht mehr einem der Partner beliebig zugeordnet werden. Lediglich der Ehepartner, der diese Kosten getragen hat, darf sie auch absetzen. Allerdings können die Ehegatten beantragen, die Kosten hälftig auf beide Partner aufzuteilen. Zudem entfällt ab dem 1. Januar 2013 die Möglichkeit der "besonderen Veranlagung" im Hochzeitsjahr. Bei der besonderen Veranlagung wurden die Ehegatten so behandelt, als wären sie nicht miteinander verheiratet. f Quelle: dpa

Viertens werden wesentliche öffentliche Aufgaben immer mehr vernachlässigt. Jedes Jahr werden beispielsweise Straßenausbesserungen etwas später durchgeführt (und weniger umfassend). Bäder, Bibliotheken, Jugendzentren und andere öffentliche Einrichtungen schließen in vielen Städten (ob diese Einrichtungen von den Steuerflüchtigen regelmäßig genutzt werden, darf allerdings bezweifelt werden).

Schließlich scheint sich inzwischen in Deutschland ein Fatalismus hinsichtlich der Kosten der sogenannten Eurorettung breitzumachen, wenigstens unter denen, die viel zu verlieren haben. Es wird zunehmend offensichtlich, dass weder der Euro, noch die Verlierer der Krisen in den betroffenen Ländern gerettet werden, sondern nur die reformunwilligen Eliten und Banker. Damit wird das Problem nicht gelöst, sondern das Elend vermutlich nur verlängert. Dies ist den Steuerflüchtigen in ganz Europa mir Sicherheit klar, sind doch unter ihnen dem Vernehmen nach auch Politiker (hoffentlich nicht aus Deutschland!) und Wirtschaftskapitäne, die die Lage vermutlich einigermaßen nüchtern einschätzen können.

Welche Strafen Steuertricksern drohen

Die Vermeidung von Steuern darf man nicht schönreden. Doch zur Steuervermeidung oder -flucht zwei gehören, nämlich der (potentielle) Steuerzahler und der Steuerstaat. Wirkt der Staat wie ein moderner Raubritter mit Nepotismus und Vetternwirtschaft, werden sich immer mehr (nicht nur wohlhabende) Menschen von ihm abwenden. Wenn der Steuerstaat hingegen seine Aufgaben effizient, also schlank erfüllt, trägt er zur Wohlstandsmehrung und zur Gerechtigkeit bei; er ist zugleich effizient und effektiv. Er kann die Steuerbelastung aller senken. Die Vermutung ist, dass das Ausmaß der Steuervermeidung und Steuerhinterziehung sich dann reduzieren wird. Haben die Menschen das Gefühl, ihre Steuern werden sinnvoll und zielführend eingesetzt, werden sie eher bereit sein, ihren Anteil an den Steuern zu tragen, sich also für das Gemeinwesen einzusetzen. Das Problem wird nicht gelöst, aber reduziert.

Man sollte Steuerflucht somit nicht nur als eine unanständige Handlung, sondern immer auch als ein Indiz für Probleme des Steuerstaates ansehen. Deshalb wird es Zeit, dass auch das Finanzgebaren staatlicher Institutionen Gegenstand öffentlicher Diskussionen wird.

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