Gezielte Steuervermeidung. Ist das Problem wirklich so groß? Die Rede ist von 400 Milliarden Euro Vermögen, die deutsche Bürger im Ausland vor dem Fiskus geheim halten. Angenommen, dieses Vermögen erwirtschaftet im Durschnitt fünf Prozent (eine sehr heroische Annahme), so wären 20 Milliarden Euro zu versteuern; das ergäbe bei 25 Prozent Kapitalertragsteuer fünf Milliarden Euro. Wenn man großzügig ist, so nimmt man dieselbe Summe als entgangene Körperschaftsteuereinnahmen hinzu. Nicht alles ist hinterzogen, aber die Anteile an legaler Vermeidung und Hinterziehung sind wohl kaum präzise zu bestimmen. Gehen wir also von zehn Milliarden Euro Steuerverlusten aus.
Wären also alle fiskalischen Probleme gelöst, wenn diese Steuern eingezogen würden? Keineswegs. Die Staatsverschuldung liegt bei über 2.000 Milliarden Euro, der Bundeshaushalt 2013 hat laut Website des Bundesfinanzministeriums ein Volumen von 302 Milliarden Euro. Da fallen zehn Milliarden kaum ins Gewicht.
Die Intensität der Debatte und die vielen empörten Zwischenrufe unserer politischen Elite lassen deshalb auf den ersten Blick den Schluss zu, dass ein Thema gebraucht wurde, um von anderen Themen abzulenken. Und dass sich die "Reichen", die ihre Steuern nicht zahlen, offenbar gut als Sündenböcke für fiskalische Probleme gebrauchen lassen, selbst wenn Ursachen für diese Probleme ganz woanders zu suchen sind.
Es geht aber doch um mehr, denn die Weigerung einiger Wohlhabender, sich an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben (angemessen) zu beteiligen, ist in der Tat eine Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Deshalb ist sie schwer zu akzeptieren.
Man würde der Gesellschaft aber keinen Gefallen tun, wenn man diese Weigerung vorschnell als Ausdruck von unsolidarischem Verhalten und krimineller Veranlagung interpretieren und die Lösung einzig in der Austrocknung der Steueroasen und der Verschärfung der Strafen für Steuerhinterziehung suchen würde.
Zunächst sollte klarer unterschieden werden. Steuerhinterziehung ist ein Verbrechen, es gibt Gesetze, die streng zur Anwendung kommen sollten. Gnade, Verständnis, gar Augenzwinkern sind absolut fehl am Platze. Hier besteht in Europa in einigen Ländern (man denke an Griechenland) noch etwas Nachholbedarf. Bei uns scheint die Durchsetzung der Gesetze zu funktionieren, ohne dass das Problem deshalb vernachlässigbar ist.