Die Bildung der großen Koalition scheint beschlossene Sache zu sein. Jetzt geht es wohl nur noch um Posten und um die Auslotung der Themen. Grundsätzlich scheint hier ja schon große Einigkeit zu herrschen. Die Partei der Sozialen Marktwirtschaft (falls Sie es vergessen haben: die CDU) sowie die Partei der Arbeitnehmer (zur Erinnerung: die SPD) haben beide einen großen Katalog an Wohltaten für (fast) alle im Programm, die jetzt nur noch gegenseitig akzeptiert werden, z.B. sind dies Infrastrukturausbau, Lohngerechtigkeit, Bildung, Familienförderung. Es gibt noch Debatten um die Details, zum Teil auch Differenzen, z.B. in der Frage, ob Steuern erhöht werden sollen. Dort ist die SPD dafür, die CDU noch dagegen; die Erfahrung lehrt, dass die CDU ihren Widerstand bald aufgeben wird.
Für heute interessiert uns der Mindestlohn. Dort gibt es kaum Reibungspunkte, auch wenn sich die Rhetorik noch anders anhört und es zunehmend Widerstand aus dem Wirtschaftsflügel der CDU gibt. Man muss trotzdem davon ausgehen, dass die Einigkeit groß ist und dass die SPD hier das Tempo vorgeben wird. Die Sozialdemokraten fordern flächendeckend 8,50 Euro pro Stunde als den minimalen Lohn. Sie führen gute Gründe an, die sofort einleuchten:
- Jede und jeder muss durch ehrliche Arbeit den Lebensunterhalt verdienen können.
- Viele Unternehmen beuten ihre Arbeiter und Angestellten regelrecht aus; die Fleischindustrie ist ein Beispiel für unlautere Praktiken. Diese Praktiken müssen geändert werden.
- Ohne Mindestlohn wird es vielen Menschen unmöglich sein, ihre Alterssicherung zu finanzieren, weil sie weder genug in die Rentenkasse einzahlen noch ausreichend private Ersparnisse bilden können.
In einem Land müssen gleiche Tätigkeiten auch gleichermaßen bezahlt werden.
Es gibt natürlich auch Gegenargumente. Erstens sind Ausweichreaktionen derer zu erwarten, die ihre Arbeitnehmer ausbeuten. Diese Ausbeutung findet dann über unbezahlte Überstunden etc. statt. Der Mindestlohn ändert nichts an existierenden Machtverhältnissen. Ob ein Mindestlohn das Alterssicherungsproblem löst, ist ungewiss. Wichtiger sind das richtige Renteneinstiegsalter und die Anreize zum Sparen. Der Gegenargumente stärkstes ist, dass zahlreiche Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen, wie das DIW vor wenigen Tagen deutlich gemacht hat. Dies werden vor allem Arbeitsplätze im sog. Niedriglohnsektor sein. In diesem Fall wären die negativen Folgen des Mindestlohnes auf die schwächsten Arbeitnehmer, nämlich die am wenigsten ausgebildeten, konzentriert. Das kann keiner wollen.