Christiano Ronaldo ist gerade zum vierten Male zum Weltfußballer des Jahres gewählt worden. Ob er wirklich der beste Fußballer des abgelaufenen Jahres gewesen ist oder nicht, soll hier aber nicht interessieren. Interessant ist eher, dass die Sportjournalisten Ronaldo wählten, obwohl nun offenbar wurde, in welchem Ausmaß er versucht hat, Steuern zu hinterziehen.
Ronaldo ist keineswegs der einzige Spieler, der durch die Enthüllungen von Football Leaks, einem Netzwerk von Journalisten, in den Fokus der Öffentlichkeit geriet. Spielerverträge, Steuersparmodelle, die Macht der Berater und mehr wird dort verarbeitet. Es zeigt, dass die Welt des Fußballs nicht mehr von Sportsgeist und Fairness angetrieben wird, sondern offenbar fast ausschließlich noch von der Gier nach schnellem und maßlosem Reichtum. Bedenkt man zudem, dass der Weltfußballverband von zahlreichen Korruptionsfällen bis in die Gegenwart hinein betroffen ist, wundert es doch, dass es so wenig Empörung in der Öffentlichkeit und so wenig Druck aus der Politik gibt, diese Fälle aufzuklären. Dies fällt vor allem vor dem Hintergrund auf, dass Politiker selber schon bei der kleinsten Unregelmäßigkeit bzw. dem bloßen Verdacht unter Druck geraten. Man denke nur an die kleinkarierte Wut der Deutschen auf Bundespräsident Wulf, als dieser etwas gedankenlos, aber sicher nicht aus Gier, ein Spielzeugauto für sein Kind als Geschenk vom Hersteller akzeptierte.
Zu diesem Verhalten der Fußballer samt öffentlicher Reaktion passt die Gleichgültigkeit, mit der die Sportwelt seit Jahren das organisierte Doping der Sportler in Russland oder im weltweiten Radsport (aber vermutlich auch anderswo) zur Kenntnis nimmt – immerhin wird die Bob und Skeleton WM 2017 der Stadt Sochi in Russland wieder entzogen.
Grundsätzlich hätte doch ein solches Verhalten von Eliten in der Öffentlichkeit ein erhebliches Skandalisierungspotential. Wie gesagt, ähnliches Verhalten der Wirtschaftselite oder der politischen Entscheidungsträger hätte (und hat in Einzelfällen) für enorme Aufregung gesorgt, und dies zu Recht, denn diese Funktionseliten sollen nicht nur das Funktionieren des Gemeinwesens sicherstellen, sondern haben auch eine Vorbildfunktion.
Die haben Sportler aber auch. Das Verhalten von Sportlern auf und neben dem Platz, der Umgang mit Niederlagen, die Fairness im Zweikampf, der Umgang mit Fans, aber auch der Umgang mit den hohen Einkommen dürfte einen Eindruck gerade auf junge Zuschauer machen. Wenn ein Fußballstar jahrelang ohne Führerschein mit einem Sportwagen durch das Ruhrgebiet fährt, dann aber von einer – relativ kleinen – Geldstrafe abgesehen straffrei bleibt, mag das bei manch jungem Mann den Eindruck vermitteln, die Regeln müsse man nicht so genau nehmen.
"Massives Fehlverhalten nicht einfach ignorieren"
In der deutschen Sportberichterstattung finden die Rechercheergebnisse von Football Leaks so gut wie keinen Widerhall – und das obwohl gerade die Bundesliga weitgehend von Zwangsbeiträgen aller Bürger (nicht nur der Fußballfans) lebt. Statt dessen wird die übliche Hofberichterstattung geboten. Während der Olympischen Spiele wurde Doping – wenn überhaupt – nur am Rande betrachtet (von einigen wohltuenden Berichten in den politischen Magazinen der öffentlich-rechtlichen Sendern abgesehen).
Die Erklärung dafür ist wohl darin zu suchen, dass Sport sich politisch so gut instrumentalisieren lässt. Politiker lassen sich gerne bei sportlichen Großveranstaltungen sehen; sie vermitteln damit Volksnähe und können ein Stück vom Ruhm der Sportler für sich vereinnahmen. Möglicherweise gibt es auch die Angst, die Bürger noch weiter zu verschrecken, indem man ihnen auch noch das liebste Hobby zu verleiden scheint. Ein bisschen wirkt es so, als wären wir im alten Rom, sozusagen spätrömische Zustände: Populisten hetzen die Massen auf, die dann bei Brot und Spielen wieder beruhigt werden sollen. Nur nicht zu viel nachdenken!
Welche Fähigkeiten im Sport und bei der Karriere wichtig sind
„Leistungssportler lernen von der Pike auf Disziplin. Sie lernen, die Zeit optimal zu nutzen“, erklärt Diplom-Sportwissenschaftler und Sportpsychologe Moritz Anderten. Sportler könnten sich zielorientiert sehr gut konzentrieren. Außerdem haben Leistungssportler häufig einen physischen Vorteil: Es sei bekannt, dass sich gute konditionelle Werte positiv auf die Konzentrationsfähigkeit auswirken, erklärt Anderten.
Zig Stunden Training in der Woche, regelmäßige Trainingslager, Wettkämpfe, kaum freie Wochenenden, rackern und schuften bis der Körper nicht mehr kann – das alles ist für Topathleten selbstverständlich. Leistungssportler hätten gelernt, „ihre Ärmel hochzukrempeln“, erklärt der Bundestrainer des Deutschland-Achters Ralf Holtmeyer. „Sie sind gewohnt, ihre Freizeitinteressen hinten anzustellen.“ Vielleicht mache sie das ja dann auch im Job erfolgreicher, wenn sie nicht immer schon an den Feierabend dächten, vermutet der Erfolgscoach.
Was ist tatsächlich an der These dran, dass Hochleistungsathleten erfolgreicher in ihrem Studium oder im Beruf sind als Nichtsportler? Eine Studie, die 2015 in Zusammenarbeit mit der Deutschen Sporthilfe entstand, legt einen Zusammenhang nahe. Die Wissenschaftler untersuchten den beruflichen Erfolg anhand des Einkommens. Das Ergebnis: Je nach Analyse weisen die rund 260 befragten ehemaligen Leistungssportler ein um 600 bis 900 Euro höheres monatliches Einkommen auf als Nichtsportler. Ehemalige Mannschaftssportler verdienen nochmals mehr.
Eine eindeutige Erklärung dafür finden die Wissenschaftler nicht. Doch eine Vermutung liegt nahe: Sie schlussfolgern, dass der Sport Charaktereigenschaften wie zum Beispiel Ehrgeiz, Ausdauer und Leistungsbereitschaft fördert, die auch im Beruf von Vorteil sind.
„Du musst die Ziele klar definieren – im Sport und im Beruf. Umso größer ist der Erfolg“, sagt etwa der ehemalige Hockey-Spieler Michael Green, der inzwischen als Orthopäde arbeitet. Einer der wichtigsten Faktoren sei zudem die Organisationsfähigkeit. Während andere auf den Zugfahrten zu den Spielstätten rumdaddelten und Musik hörten, schlug Green seine Medizin-Bücher auf. „Und normal gefeiert habe ich auch“, nur Zeit für einen Nebenjob blieb da nicht. Deshalb weist er darauf hin, wie wichtig die finanzielle Unterstützung der Stiftung Deutsche Sporthilfe war.
Niemand soll vorverurteilt werden, aber es fällt doch auf, wie lasch die Gesellschaft und ihre Entscheidungsträger mit Sportlern und Sportfunktionären umgehen, die sich unethisch verhalten. Steuerhinterziehung im Fußball in großem Maße, Staatsdoping in Russland, Menschenrechtsverletzungen beim Stadionbau in Katar – alles kein Problem. Hauptsache der Ball (und wichtiger noch: der Rubel) rollt und die Massen sind zufrieden – Brot und Spiele eben.
Die meisten Menschen treiben Sport, weil sie sich gerne bewegen und weil sie den freundschaftlichen und fairen Wettbewerb mit anderen mögen. Sport verbindet und trägt zur Integration bei. In der Regel ist er sogar gesundheitsfördernd. Wenn eine Sportart dabei deutsche Spitzenathleten hervorbringt, regt das viele zur Nachahmung an; man denke an den Tennisboom nach dem ersten Siege Boris Beckers in Wimbledon 1985. Gerade unter den Jungen sind Spitzensportler populär und dienen als Vorbilder.
Vor diesem Hintergrund kann es einer Gesellschaft doch nicht egal sein, wie sich die Spitzensportler abseits des Wettkampfes verhalten. Sie kann doch nicht einfach massives Fehlverhalten einfach ignorieren. Möglicherweise trägt diese Ignoranz in Verbindung mit dem skrupellosen Verhalten der Spitzensportler sogar dazu bei, dass Amateursportler sich immer weniger an die Regeln des Sports gebunden fühlen – wie immer häufiger beim Amateurfußball zu beobachten. Insofern passt die Entwicklung im Sport zur allgemeinen Entwicklung im Umgang der Mitglieder der Gesellschaft untereinander, der ja durch eine zunehmende Aggressivität gekennzeichnet ist. Es wird Zeit, auch hier einen Pflock einzurammen.