Frühkindliche Bildung Kita-Gipfel ohne Kita-Betreiber

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Nach dem Kita-Ausbau ist vor dem Investitionsstau

Nach dem Kita-Ausbau ist vor dem Investitionsstau. Zwar ermöglicht der Rechtsanspruch für Eltern von unter Dreijährigen nun vielen weiteren Kindern einen Kita-Platz. Doch es fehlt an Personal. Bereits im Sommer errechnete die Bertelsmann-Stiftung einen Mangel von 120.000 Erziehern – aktuell gibt es in diesem Bereich knapp 600.000 Beschäftigte. Allein die Personalaufstockung würde fünf Milliarden Euro Kosten verursachen – pro Jahr. Insgesamt fließen heute jährlich 17 Milliarden Euro in die Kitas, der Großteil von Kommunen und Ländern. Die Bundesregierung investierte zwischen 2008 und 2013 dabei 2,15 Milliarden Euro in den Ausbau. Eine weitere Milliarde wurde in diesem Jahr bewilligt.

Warum die Deutschen keine Kinder wollen
KostenVon der Spielpuppe bis zum Studium - Kinder kosten viel Geld. Diese finanzielle Belastung schreckt viele Deutsche vom Kinderkriegen ab. Das hat eine Umfrage der BAT-Stiftung für Zukunftsfragen ergeben. Demnach glauben 67 Prozent der Befragten, dass das Geld viele von der Familiengründung abhält. Der Wert habe sich besorgniserregend erhöht, 2011 seien es lediglich 58 Prozent gewesen, sagte der wissenschaftliche Leiter der Stiftung, Professor Ulrich Reinhardt. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes geben Familien rund 550 Euro im Monat für ein Kind aus. Quelle: AP
Freiheit und Unabhängigkeit Am Wochenende feiern gehen, Freunde treffen, reisen: Die Deutschen wollen nach Ansicht von 60 Prozent der Befragten ihre Freiheit und Unabhängigkeit nicht für ein Kind aufgeben. Da scheinen auch finanzielle Anreize durch den Staat kein Argument zu sein. Eine Frau in Deutschland bekommt im Schnitt 1,36 Kinder, im EU-Durchschnitt sind es 1,57. Für die Untersuchung wurden 2.000 Personen ab 14 Jahren gefragt, warum so viele Deutsche keine Familie gründen. 
KarriereEin Karriereknick ist für 57 Prozent das Totschlagargument gegen Kinder. Auch wenn die Politik um flexible Arbeitsmodelle, einen leichteren Wiedereinstieg in den Job und Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen kämpft, so wollen die Deutschen ihren Job nicht für Nachwuchs in der Familie gefährden.
Auch die Meinung, Karriere lasse sich nur schlecht mit Familie vereinbaren, wurde öfter angegeben als noch vor zwei Jahren (54 statt 48 Prozent). Gefordert sind, so heißt es im Fazit der Studie, sowohl die Politiker, die Rahmenbedingungen zu stellen, als auch die Unternehmen, endlich flächendeckend mit der Möglichkeit einer Karriere mit Kind ernst zu machen. „Die Unsicherheit, ja fast schon Angst vor der Familiengründung hält bei vielen Bundesbürgern an“, resümiert Stiftungsleiter Reinhardt. Quelle: dpa
Staatliche Unterstützung Auch wenn es ab dem 1. August einen Rechtsanspruch für unter Dreijährige auf einen Kita-Platz gibt - den Deutschen reicht dies längst nicht aus. 45 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass der Staat immer noch zu wenig tut, um die Geburtenrate in Deutschland zu steigern. Das Argument sei im Westen deutlich öfter zu hören gewesen als im Osten, teilte die Stiftung mit. Der Wert blieb in den vergangenen zwei Jahren unverändert.  Quelle: dpa
Unsichere ZukunftWirtschaftskrise, Klimawandel, Demografie: 39 Prozent der Befragten denken, dass eine unsichere Zukunft der Grund ist, warum sich viele Deutsche gegen ein Kind entscheiden. Der Stiftung zufolge hat das Argument jedoch deutlich an Bedeutung verloren (−7 Prozentpunkte).   Quelle: dpa
Der richtige PartnerManchmal ist es auch ganz simpel, warum kein Nachwuchs geplant ist - es fehlt einfach der richtige Partner. Für 39 Prozent der Befragten sei dies der Grund, warum die Deutschen so wenig Kinder kriegen. Seit zwanzig Jahren nimmt die Anzahl der Single-Haushalte in Deutschland zu, besonders Singles im Alter zwischen 30 und 59 Jahren leben immer öfter allein. Fast ein Drittel der deutschen Singles ist mit dem Alleinsein unzufrieden und wünscht sich einen Partner. Quelle: dpa

Auch bei den freien Trägerorganisationen machen diese öffentlichen Gelder den bei weitem größten Teil der Budgets für die Kitas aus, bei der AWO etwa 90 bis 95 Prozent. Insgesamt stehen 67 Prozent der rund 53000 Kitas in Deutschland unter freier Trägerschaft – vor allem der AWO, der Diakonie, der Caritas oder des Deutschen Roten Kreuz.

Zwar stößt das Communiqué der Minister tendenziell auf Zustimmung bei Gewerkschaften und Trägerverbänden. Doch von ihrem eigentlichen Ziel, einem Gesetz, das bundesweit einheitliche Standards einsetzen sollte, ist darin keine Rede. Das sei schon ein Rückschritt, sagt Anette Stein, Projektleiterin für frühkindliche Bildung bei der Bertelsmann-Stiftung.

„Ein solches Gesetz könnte aber frühestens in anderthalb Jahren auf den Weg gebracht werden“, so Stein. Und ohne die Zustimmung des Finanzministers ließe sich das ohnehin kaum realisieren. Der will in den nächsten drei Jahren erst einmal zehn Milliarden Euro zusätzlich investieren – insgesamt in Bildung, Energie und Infrastruktur. Wie genau die Mittel aufgeteilt werden, steht noch nicht fest. Klar ist aber: Die neun Milliarden Euro, die sich Trägerverbände und Gewerkschaft für die Kitas wünschen, sind da unerreichbar.

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