Fußball-Europameisterschaft Philipp Lahm kritisiert fehlende Demokratie in Ukraine

War die Androhung eines politischen EM-Boykotts ein Fehler? Während die Kanzlerin in der Debatte zurückrudert, wagt sich mit Philipp Lahm erstmals ein deutscher Profisportler aus der Deckung und findet deutliche Worte.

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Philipp Lahm, Kapitän der deutschen Fußballnationalmannschaft. Quelle: dpa

Berlin Die Bundesregierung hat einen Magazinbericht dementiert, wonach sich Kanzlerin Angela Merkel für einen EU-weiten politischen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine einsetzt. „Die Meldung ist falsch. Die Bundeskanzlerin wirbt nicht für einen EU-weiten politischen Boykott der Spiele in der Ukraine“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Sonntag. Über eigene Reisepläne dorthin werde die Kanzlerin erst kurzfristig entscheiden. „Der Spiegel“ hatte zuvor berichtet, Merkel werbe dafür, dass alle Staats- und Regierungschefs der EU den Spielen in dem Land fernbleiben, falls die inhaftierte Oppositionsführerin Julia Timoschenko nicht freikomme.

Zuletzt wuchs im Fall Timoschenko der Druck auf die Ukraine. Die EU-Kommission kündigte in der vergangenen Woche an, die Spiele in der Ukraine, die das Turnier gemeinsam mit Polen ausrichtet, zu boykottieren. Bundespräsident Joachim Gauck und acht andere Staatschefs haben zudem ein für Mitte Mai geplantes Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch auf der Krim abgesagt.

Die wegen Amtsmissbrauch zu sieben Jahren Haft verurteilte Timoschenko leidet an einem nicht behandelten Bandscheiben-Vorfall und hat aus Protest gegen Misshandlungen in der Haft vor mehr als zwei Wochen einen Hungerstreik begonnen. Die ehemalige Ministerpräsidentin bezeichnet die Verfahren gegen sie als Schauprozesse, um die Opposition mundtot zu machen.

Erstmals hat sich nun auch ein deutscher Nationalspieler zur politischen Debatte geäußert. Mannschaftskapitän Philipp Lahm sagte dem „Spiegel“: „Meine Ansichten zu demokratischen Grundrechten, zu Menschenrechten, zu Fragen wie persönlicher Freiheit oder Pressefreiheit finde ich in der derzeitigen politischen Situation in der Ukraine nicht wieder.“ Deutlicher wurde Lahm im Hinblick auf die demokratischen Verhältnisse im Land: „Wenn ich sehe, wie das Regime Julia Timoschenko behandelt, dann hat das nichts mit meinen Vorstellungen von Demokratie zu tun.“

Vom Chef des europäischen Fußballverbandes Uefa, Michel Platini, erwartet der Sportler eine Stellungnahme: „Ich glaube, dass er Position beziehen sollte. Und ich bin gespannt, was er zu sagen hat.“ Mit der Frage eines Turnier-Boykottes seien die Spieler überfordert, sagte der Verteidiger von Bayern München. Er vertraue in der Frage der Endscheidung der Verbände und der Politik.

Die Gruppenspiele der deutschen Mannschaft finden in Charkow - nur wenige Kilometer von Timoschenkos Gefängnis entfernt - und in Lemberg statt. Die EU-Kommission hatte am Donnerstag angekündigt, die Spiele in der Ukraine geschlossen zu boykottieren. Unionsfraktionschef Volker Kauder plädierte in der Debatte um die frühere Ministerpräsidentin für leisere Töne. „Stille Diplomatie ist hier oft effektiver als lautes Rufen“, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

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