Die Demo, zu der Attac für Samstag aufruft, soll „laut, bunt und vielfältig“ werden. Das Bündnis BlockG20 wirbt unter dem Motto "colour the red zone – die rote Zone bunt machen" für „Aktionen des kreativen zivilen Ungehorsams und des bunten Widerstands gegen den G20-Gipfel“ auf.
Bunt und kreativ soll es also zugehen. Mit anderen Worten: Man verspricht Spaß. Und ein gutes Gewissen gibt es als Bonus noch dazu. Ist so eine Demo-Woche in Hamburg nicht unterhaltsamer als jede Urlaubsreise?
Außerdem sind natürlich auch die üblichen „engagierten“ Musiker zu genießen: Der unvermeidliche Herbert Grönemeyer vorneweg, dazu Coldplay, Pharell Williams, Rihanna und andere werden am Donnerstag zum „Global-Citizen-Festival“ aufspielen. Sie tun das gratis. Was ist schon ein schnödes Honorar gegen die Gewissheit, „ein Zeichen für eine gerechtere Welt“ (so die Veranstalter) zu setzen.
Die Protestbewegung gegen die G7- und G20-Gipfel ist längst zu einem unterhaltsamen Spektakel geworden, zu einer Karikatur einstiger politische Kämpfe. Man spielt noch einmal nach, was Mama und Papa 1968 vormachten.
Schon damals aber war das Karikaturenhafte einer Bewegung erkennbar, die mit theatralischer Heldenpose Tore einrannte, die kaum noch verteidigt wurden. Man fabulierte von der Revolution und hüpfte zum Sound von „Street Fighting Man“ durch die Universitätsstädte. Aber schon bald wurde aus den Rolling Stones ein bis heute Milliarden umsetzendes Unterhaltungsunternehmen. Der Kapitalismus war stärker – und die Teilhabe an ihm so viel angenehmer als die Revolution.
Die Demonstranten von Hamburg mögen sich „links“ nennen, aber als ernstzunehmende politische Kraft ist die einstige westliche Linke längst aufgesogen und mitgerissen worden von einer Dynamik der Entgrenzung, die von ganz anderen Kräften angetrieben wird: nämlich von denen des Kommerzes. Von der Kampfansage der früheren Linken sind nur Etiketten übrig geblieben. Und diese haben sich die Regierenden und Wirtschaftenden längst selbst angeklebt. Alles ließe sich auf den Nenner bringen: Eine bessere Welt schaffen.
Wem die ernste Sorge um die Opfer und Verlierer der ökonomischen Globalisierung wichtiger ist als der Demo-Spaß, der muss sich andere als die oben genannten Fragen stellen. Nämlich ernsthafte, wirklich politische Fragen:
Wer kann eher „den Kapitalismus zähmen“ und die Interessen der Marktverlierer gegen die Interessen des Kapitals vertreten – eine Welt-Demokratie, deren Machbarkeit fraglich ist, oder funktionierende Demokratien? Auf welcher Organisationsebene ist jenseits der Phrasen und bunten Demo-Plakate tatsächliche Solidarität für diejenigen zu erwarten, die auf künftigen Arbeitsmärkten geringe Chancen haben - in einer amorphen Weltgemeinschaft oder in den funktionierenden Solidargemeinschaften der Nationalstaaten?