G20-Gipfel Merkels Sorge vor der doppelten Niederlage

Der zweite und letzte Gipfeltag in Hamburg startet für Kanzlerin Merkel unter schwierigen Bedingungen: Krawalle werfen einen Schatten auf den G20-Gipfel. Ob den Regierungschefs eine Einigung gelingt, ist nicht sicher.

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Die politische Agenda der Staats- und Regierungschefs gerät fast in den Hintergrund angesichts der Krawalle in Hamburg. Für die Bundeskanzlerin geht der G20-Gipfel unter schwierigen Bedingungen weiter. Quelle: dpa

Die schönen Bilder, auf die Angela Merkel gesetzt hatte, waren schnell verdrängt. Am Freitagabend saß die Kanzlerin mit ihren G20-Gästen in der Elbphilharmonie. Und tatsächlich wirkte die Zusammenkunft mit US-Präsident Donald Trump, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und all den anderen Mächtigen der Welt endlich mal ein wenig harmonisch. Die Staats- und Regierungschefs saßen zusammen und hörten andächtig Beethovens Ode an die Freude.

Doch die Bilder verkehrten sich schnell ins Gegenteil. Die Fernsehsender berichteten über die zunehmende Eskalation der G20-Proteste, die sich wenige hundert Meter weiter zutrug. Die Kombination aus feierlichem Theaterbesuch für die Regierungschefs und blanker Zerstörungswut in der Innenstadt wirkte nicht nur auf die Hamburger verstörend, die den Tag verfluchen dürften, als der G20-Gipfel sie heimsuchte.

Denn die Nacht über eskalierte die Lage in Hamburg immer weiter. Über Stunden schien die Polizei die Kontrolle über ganze Straßen im Schanzenviertel verloren zu haben. Barrikaden brannten, Feuerwerk wurde gezündet, Geschäfte geplündert. Erst gegen Mitternacht gelang es der Polizei mit Wasserwerfen und Tränengas sowie der Unterstützung von bewaffneten Spezialeinhalten die Straßen zurückzuerobern. Die gespenstischen Szenen sind ein Problem für den Ersten Bürgermeister Olaf Scholz, der den Hamburger versprochen hatte, sie würden vom Gipfel nicht viel mehr mitbekommen als vom jährlichen Hafengeburtstag. Vor allem aber sind die Ausschreitungen ein Fiasko für Merkel. Die Kanzlerin persönlich hat entschieden, dass das Treffen der G20-Staats- und Regierungschefs in Hamburg stattfinden soll. Nun wird an dieser Auswahl massive Kritik laut werden.

Damit startet der zweite und letzte Gipfeltag für Merkel unter mehr als schlechten Vorzeichen. Und die Krawalle sind dabei nicht ihr einziges Problem. Während im Schanzenviertel Autos brannten, verhandelten in der Nacht von Freitag auf Samstag die Unterhändler der G20-Chefs. Und noch immer ist unklar, ob es am Ende des Hamburger Gipfels einen Kompromiss bei den strittigen Themen Klimapolitik und Freihandel geben wird.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der ebenfalls am Treffen teilnimmt, hatte schon am Freitag angedeutet, dass man möglicherweise keine Einigung hinbekommt. Das gilt für die Handelspolitik, wo sich Trump offenbar Schwierigkeiten mit einer unmissverständlichen Absage an Protektionismus hat, und für die Klimapolitik. Der US-Präsident hatte jüngst das Klimaschutzabkommen von Paris aufgekündigt. Alle anderen G20-Staaten halten daran fest. Doch eigentlich wollte Merkel eine Konstellation 19 gegen Trump vermeiden. Die Kanzlerin wünschte sich einen gesichtswahrenden Kompromiss für alle Beteiligen, um zumindest den Schein der Geschlossenheit der G20 nach außen waren zu können. Noch ist offen, ob das gelingt.

Für Merkel sind nun die entscheidenden Stunden angebrochen. Am Samstagnachmittag will die Kanzlerin das G20-Kommuniqué der Weltöffentlichkeit präsentieren. Wenn schon keine schönen Bilder von Hamburg in Erinnerung bleiben, bräuchte Merkel zumindest ein paar inhaltliche Erfolge, die sie vorweisen kann. Ansonsten droht der G20-Gipfel für sie zur doppelten Niederlage zu werden. Der Ausrichtungsort in Schutt und Asche. Und dann auch noch unüberbrückbare Uneinigkeit innerhalb der G20.

Damit verkehrt sich ihr Ansinnen ins Gegenteil: Als Merkel sich vor zwei Jahren bemühte, das G20-Treffen nach Deutschland zu holen, hatte sie eigentlich auf eine schöne Inszenierung kurz der Bundestagswahl gehofft. Ähnlich wie 2015 beim G7-Treffen im bayerischen Elmau vor Alpenkulisse. Daraus, so viel ist zumindest nach den heftigen Ausschreitungen in den Straßen und den Streitigkeiten zwischen den Regierungschefs schon klar, daraus wird nichts mehr.

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