G20-Treffen der Finanzminister OECD kritisiert Deutschlands Reformmüdigkeit

Ständig ruft Wolfgang Schäuble andere Länder zu mehr Reformen auf. Allerdings ist Deutschland bei weitem kein Reform-Musterland, wie ein OECD-Bericht zeigt. Der Bundesfinanzminister muss viel Kritik einstecken.

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German Finance Minister Wolfgang Schaeuble talks to reporters during the G20 Finance Ministers and Central Bank Governors Meeting in Baden-Baden, Germany, March 17, 2017. REUTERS/Kai Pfaffenbach Quelle: Reuters

Baden-Baden Ein Gast ist zu seinem Gastgeber für gewöhnlich höflich. Und so hielt sich OECD-Chef Angel Gurria mit direkter Kritik an seinem Nebenmann Wolfgang Schäuble zurück. Gurrias Experten waren in ihrem neuen Wachstums-Bericht, den Gurria und Schäuble gemeinsam auf dem G20-Treffen der Finanzminister in Baden-Baden vorstellten, dagegen weniger freundlich.

Seit Anbeginn der Finanzkrise predigt Schäuble, der Schlüssel zu mehr Wachstum und Wohlstand seien Strukturreformen. So auch in Baden-Baden. Es besorge ihn, dass in vielen Ländern die Bereitschaft zu Reformen und deren Geschwindigkeit abnehme. Allerdings ist auch Deutschland laut dem neuen Bericht der Industrieländerorganisation bei weitem kein Reform-Musterland.

So verharrt die Wirtschaftsleistung (BIP) pro Kopf nahe dem kaum wachsenden Durchschnitt der Industrieländer. Wenig erreicht worden sei auch beim Abbau von Wettbewerbshindernissen im Dienstleistungssektor, kritisiert die OECD. Die Einkommensungleichheit hat in den letzten Jahren leicht zugenommen – auch wenn sie, genau wie die Armut, geringer ist als in den meisten anderen Industrieländern.

Außerdem arbeiteten in Deutschland viel zu wenige Frauen Vollzeit, kritisiert die OECD. Die Gründe dafür: Die öffentliche Kinderbetreuung sei trotz Fortschritten noch immer nicht genug ausgebaut. Außerdem setze das Ehegattensplitting den falschen Anreiz für verheiratete Frauen, weniger als ihr Partner zu arbeiten, kritisieren die Ökonomen.

Die OECD-Ökonomen empfehlen Deutschland auch, untere Einkommen von Steuern und Abgaben zu entlasten. Frankreich und Italien hätten es vorgemacht. Steuerausfällen könnte Schäuble begegnen, indem er Umweltsteuern anhebt. Lob gab es dagegen von der OECD für die Bemühungen Deutschlands, Migranten in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Deutschland ist nicht das einzige reformmüde Land. „Das Tempo der Strukturreformen hat sich den letzten beiden Jahren weiter verlangsamt“, stellt der Bericht fest. Viele Menschen spürten, dass ihr Lebensstandard seit langem stagniert. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, brauche es Reformen, sagte Gurría. „Die Regierungen dürfen jetzt nicht lockerlassen.“

Ein gewisses Verständnis haben die Ökonomen, dass die Dynamik in Mexiko, Griechenland, Irland, Portugal, Polen und Spanien nachgelassen hat, die zuvor „besonders aktive Reformer waren“. Lob gab es dagegen für Belgien, Italien, Österreich, Brasilien und auch Frankreich: Dort habe die Reformintensität „merklich zugenommen“, schreibt die OECD. Sie unterstützt die Pläne der neuen US-Regierung zur Senkung der Unternehmenssteuern. „Die Vereinigten Staaten haben die höchsten Unternehmenssteuern. Das ist nicht gut“, sagte Gurria.

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