G7-Gipfel Showdown der Selbstinszenierung

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Was ist der Gipfel überhaupt wert?

Überhaupt spielt die Weltpresse eine entscheidende Rolle beim Gelingen dieses Gipfels: 140 auserwählte Journalisten sollen am Sonntagvormittag mit dem Bus ins Dorf Krün kutschiert werden, wo sie die Gully-Deckel schon vor Wochen versiegelt haben. Scharfschützen wachen auf den Dächern am Sonntagvormittag, wenn sich US-Präsident Barack Obama im Dorf eine ordentliche Dosis Lokalkolorit gönnen wird: Alphornbläser und Weißwurstessen, so hört man, sind inklusive.

In Krün trifft er auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – bilateral, hinter verschlossenen Türen. Erst um 13 Uhr beginnen dann die offiziellen Gespräche auf dem teuer restaurierten Luxus-Schloss Elmau und den Alpen im Hintergrund, wo die Mächtigen des Westens später für die Fotografen der Welt posen werden.

Wohlfeile politische Formulierungen

Inhalte spielen bei all dem nur eine Nebenrolle. Bundeskanzlerin Angela Merkel will zwar ein klares Bekenntnis der Teilnehmer zum Zwei-Grad-Ziel durchsetzen – aber dass die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt werden soll, war bereits beim UN-Klimagipfel in Kopenhagen 2009 besprochen worden. Es fehlt seither bloß an konkreten Fristen, aber die werden wohl auch in Elmau wieder wohlfeilen politischen Formulierungen zum Opfer fallen.

Die größten Baustellen der G7

Zumal die G7 für Klimafragen der falsche Rahmen sind: Fünf Länder sind allein für die Hälfte der Treibhausgase verantwortlich – darunter mit China, Russland und Indien drei Staaten, denen die Teilnahme im erlauchten Foto-Fanklub der G7 verwehrt bleibt.

Was also ist der Wert dieser Gipfel? Das fragen sich schon im Vorfeld des Brimboriums immer mehr Kommentatoren in den Leitmedien. Wesentliche Fragen zur Wirtschaftspolitik spielen auf der Agenda keine Rolle, bei Diskussionen über Gesundheit, Armutsbekämpfung und Klimawandel droht belangloses Palaver. Vielleicht hätte man sich den mehr als 300 Millionen Euro teuren Aufwand rund um Garmisch-Partenkirchen einfach sparen, das Treffen kurzerhand ins ohnehin gut bewachte Bundeskanzleramt verlegen sollen, wenn sich der Westen schon treffen muss, obwohl doch Weltpolitik ohne China kaum mehr möglich ist.

Immerhin bleibt an jenem Samstag alles recht friedlich. Bei der Demonstration quer durch die Innenstadt von Garmisch kommt es zwar zu einer Rangelei, bei der ein Polizist und eine Demonstrantin offenbar Pfefferspray in die Augen bekommen. Pflastersteine aber reißt selbst der schwarze Block nicht aus den Straßen. Verhältnisse wie in Frankfurt, wo Proteste gegen die Eröffnung der neuen Zentrale der Europäischen Zentralbank vor wenigen Wochen etliche hundert Verletzte gefordert hatten, wollte sich die stolze bayrische Polizei offenbar nicht bieten lassen.

Zudem macht das Wetter am Abend auch den bunten Protest der G7-Gegner zunichte: Ein Gewitter mit Starkregen wütet über Stunden so sehr, dass die Polizei das Zeltlager evakuieren lässt – mit Zustimmung der Organisatoren. Die meisten Camper sind schlichtweg baden gegangen. Irgendwie läuft alles nicht so rund, weder für die Demonstranten, noch für die Polizei, aber sicher auch nicht für die Politiker, die später ihre erwartbare Floskel- und Bilderschlacht starten werden.

Und abschließend fragt sich jeder: War es das wirklich wert? In Garmisch-Partenkirchen, so viel steht jedenfalls fest, sind sie froh, wenn der Spuk wieder vorbei ist. Vielleicht kommen dann auch die Touristen wieder.

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