Gabriel in Athen Öko-Entwicklungshilfe für Griechenland

Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vereinbart in Athen eine engere Zusammenarbeit bei Ökostrom. Dank deutscher Hilfe sollen griechische Insel zu Vorreitern bei Erneuerbaren Energien werden.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (l) unterzeichnet eine gemeinsame Erklärung mit dem griechischen Energieminister Panos Skourletis. Quelle: dpa

Athen Mit deutscher Hilfe sollen griechische Urlaubsinseln sich künftig selbst mit Ökostrom versorgen können – ein kleiner Beitrag, damit das überschuldete Euro-Land aus der Krise kommt. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Freitag bei einer Energie-Konferenz in Athen, eine Eigenversorgung der Inseln mit Wind-, Solar- oder Biogasanlagen sei auch eine sinnvolle Sache für den Klimaschutz: „Jedes gute Beispiel ist zehn Mal mehr wert als theoretische Diskussionen.“

Von den 53 griechischen Inseln mit über 1000 Einwohnern sind nach Branchenangaben bislang nur 21 an das landesweite Stromnetz angeschlossen. Auf mehr als 30 Inseln wird Strom noch mit alten, schmutzigen Dieselgeneratoren erzeugt.

Mit dem griechischen Energieminister Panos Skourletis vereinbarte Gabriel am Freitag eine engere Zusammenarbeit bei den erneuerbaren Energien. Zum Ökostrom gebe es keine Alternative mehr: „Nichts ist teurer als ein neues Atomkraftwerk.“

Keine andere Energieerzeugung sei preiswerter als Investitionen in Windenergie und Photovoltaik. Deutschland habe eine lange, teure Lernkurve beim Ausbau der Erneuerbaren machen müssen - andere wie Griechenland könnten nun von gesunkenen Preisen profitieren, sagte Gabriel.

Als Musterbeispiel für eine Versorgung nahezu komplett mit Ökostrom gilt die Ägäs-Insel Tilos in der Nähe von Kos. Dort leben 500 Menschen. Das eher karge Eiland, gelegen zwischen Rhodos und Kos, erlangte Berühmtheit unter internationalen Energieexperten: als die 'grüne Insel'.

Künftig soll Tilos seinen Elektrizitätsbedarf bis zu 80 Prozent aus erneuerbaren Quellen decken – dank des Aufbaus eines intelligenten Speicher- und Leitungsnetzes. An dem Projekt ist unter anderem das Berliner Software-Haus Younicos beteiligt. Bei Finanzierungen will die Staatsbank KfW helfen, die für einen griechischen Wachstumsfonds 100 Millionen Euro gibt.

Gabriel hatte Vertreter mehrerer Firmen aus der deutschen Wind- und Solarindustrie mit nach Griechenland genommen. So sind mehrere neue Windparks geplant, allerdings stocken manche Projekte wegen Problemen mit den Behörden. Frühere Pläne für einen Export griechischen Solar- und Windstroms über Stromkabel nach Zentraleuropa haben sich aus Kosten- und Effizienzgründen dagegen zerschlagen.


Neue Impulse für ein krisengebeuteltes Land

Tilos soll kein Einzelfall bleiben. Dazu will die Bundesregierung einen Beitrag leisten. Dabei stehen Inseln wie Tilos, die nicht an das Stromversorgungsnetz angeschlossen sind, im Mittelpunkt. Machbarkeitsstudien sollen helfen, geeignete Inseln zu definieren.

Die Bundesregierung sieht in der Energiepartnerschaft mit Griechenland einen Weg, dem krisengebeutelten Land neue Impulse zu geben und zugleich die Idee der Energiewende zu verbreiten. Den Ausbau erneuerbarer Energien jenseits der Landesgrenzen fördert Berlin rund um den Globus über die Exportinitiative erneuerbare Energien.

Die Voraussetzungen für erneuerbare Energien auf den griechischen Inseln sind gut: viel Sonne, viel Wind. Das Projekt auf Tilos wird mit EU-Geldern aus dem Programm 'Horizon 2020' gefördert. Beteiligt an dem Vorhaben sind Fachleute der Universität Piräus sowie 15 Unternehmen und Institutionen aus ganz Europa. Zu dem Konsortium gehören die Firmen Eunice, Flamm, SMA, Eurosol und das Berliner Unternehmen Younicos, das Lösungen für Batteriespeicher anbietet. Auch in der 40-köpfigen Wirtschaftsdelegation, die Gabriel begleitet, ist die Erneuerbare-Energien-Branche vertreten.

Auf Tilos wird deutlich, wie erneuerbare Energien und Batterien zu einem System verschmelzen können. „Tilos ist derzeit das innovativste Energieprojekt der EU“, sagt Nikos Mantazaris vom WWF Greece. Geplant sind Windkraftwerke und Photovoltaik-Anlagen mit einer Kapazität von rund einem Megawatt. Herzstück des Systems ist ein Batteriesystem. Es soll die Insel in die Lage versetzen, die Stromversorgung auch in windstillen Nächten aufrechtzuerhalten.

Nachdem die griechische Regulierungsbehörde Anfang Juni die Genehmigungen erteilte, könnte das System nach der bisherigen Planung im Frühjahr 2017 in Betrieb gehen. Bisher wird Tilos mit einem Unterseekabel von der Nachbarinsel Kos mit Strom versorgt, wo - wie auf vielen griechischen Inseln - Dieselgeneratoren für die Elektrizitätserzeugung eingesetzt werden. Der Treibstoff muss mit Tankschiffen vom Festland gebracht werden. Künftig könnte Tilos nicht nur seinen eigenen Elektrizitätsbedarf aus Ökostrom decken, sondern auch Energie nach Kos 'exportieren'.

Wenn man die Produktion von Wind- und Sonnenstrom mit Batteriespeichern kombiniert, kann man die Inseln energieautark machen, so das Kalkül. Kleinere Kraftwerke mit fossiler Befeuerung sind dann - wenn überhaupt - nur noch als letzte Reserve erforderlich. Idealerweise ließen sich auch mehrere Inseln vernetzen. Für deutsche Unternehmen ergeben sich daraus beachtliche Möglichkeiten. Younicos etwa, der Berliner Batteriespezialist, kann bereits auf seine Erfahrungen beim Betrieb von Energieversorgungssystemen auf Inseln in anderen Weltregionen verweisen.

Die Potenziale in Griechenland sind enorm: Von den rund 200 bewohnten Inseln sind 36 nicht ans landesweite Elektrizitätsnetz angeschlossen. Sie beziehen ihren Strom zu einem großen Teil aus Dieselgeneratoren. Diese Dieselkraftwerke, die jährlich mit rund 700 Millionen Euro bezuschusst werden müssen, verfügen über eine installierte Kapazität von knapp 2000 Megawatt (MW), was der Kapazität von zwei Großkraftwerken entspricht. Sie sind oft alt, ineffizient und klimaschädlich. Auf einigen Inseln spielen erneuerbare Energiequellen wie Sonne, Wind und Geothermie bereits eine wachsende Rolle. Die Kapazität dieser Anlagen beträgt rund 750 MW, wovon 415 MW allein in den vergangenen vier Jahren installiert wurden.

mit dpa

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%