Gabriel in Mecklenburg-Vorpommern Krisenmanagement statt Werbereise

Unschöne Schlagzeilen während der Sommerreise des SPD-Chefs: Die Grünen fordern eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses, bei der Gabriel aussagen soll. Einmal mehr geht es um den Fall Edeka/Tengelmann.

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Der SPD-Chef und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel ist zwei Tage durch Mecklenburg-Vorpommern getourt. Quelle: dpa

Rostock/Schwerin Schon zum Auftakt seiner Sommerreise musste sich Sigmar Gabriel kritischen Fragen von Journalisten stellen. Es ging am Montag einmal mehr um die umstrittene Ministererlaubnis für die Fusion Edeka/Tengelmann. Das Thema überschattet auch den zweiten Tag der Sommerreise. Dass diese am Dienstag im Regen stattfand, ist symbolisch.

Die Grünen beantragten eine Sondersitzung des Wirtschaftsausschusses zu dem Fall, wie am Dienstag bekannt wurde. Es solle darin um die Hintergründe und das weitere Verfahren im Streit zwischen Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) und dem Düsseldorfer Oberlandesgerichts gehen, heißt es in einem Brief der Parlamentarischen Geschäftsführerin der Fraktion, Britta Haßelmann, an den Ausschuss-Vorsitzenden Peter Ramsauer (CSU). Auch Gabriel solle zu der Sitzung am 10. August eingeladen werden. Ob Bundestagspräsident Norbert Lammert dem Antrag mit dem Terminvorschlag folgt, ist noch offen.
Gabriel kündigt auf seiner Sommerreise umgehend an, er werde kommen. „Als Regierungsmitglied geht man dann hin, wenn das Parlament einlädt. Das entscheidet der Wirtschaftsausschuss“, sagte der SPD-Vorsitzende am Dienstag bei einem Besuch in Schwerin.

Er wies zugleich Angriffe der Opposition zurück. „Der Theaterdonner der Grünen kommt etwas spät.“ Deren Obfrau im Wirtschaftsausschuss, Katharina Dröge, hatte Gabriel aufgefordert, in einer öffentlichen Sitzung des Gremiums über offene Fragen Auskunft zu geben.

Am Montag, zu Beginn der Sommerreise, hatte Gabriel die umstrittene Ministererlaubnis einmal mehr verteidigt: „Dass man als Politiker dafür kämpft, dass die Leute ihren Job behalten, ist ein ehrenwerter Job“, verteidigt sich Gabriel bei einer Hafenrundfahrt. Von den 16.000 Arbeitsplätzen bei Kaiser's Tengelmann seien 5000 bis 8000 in Gefahr, wenn der Zusammenschluss an den Richtern scheitere.

Der Wirtschaftsminister hatte sich Mitte März über Bedenken des Bundeskartellamtes hinweggesetzt und eine Sondererlaubnis für die Übernahme von Tengelmann durch Edeka gegeben. Er hatte sie mit der Bedingung versehen, dass Arbeitsplätze und Arbeitnehmerrechte der Mitarbeiter von Edeka auf tarifvertraglicher Basis umfassend gesichert werden müssen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf allerdings stoppte im Juli den Zusammenschluss. Es kritisierte, dass das Verfahren sei nicht ordnungsgemäß abgelaufen sei. Die Richter verdächtigten Gabriel der Befangenheit und mangelnden Neutralität. Eine endgültige Entscheidung steht noch aus. Gabriel wird gegen den Spruch der Düsseldorfer Richter wohl juristisch vorgehen.

Der Streit um Edeka überschattet Gabriels Sommerreise durch Mecklenburg-Vorpommern; eigentlich wollte er dabei für gute Schlagzeilen sorgen. Immerhin wird dort am 4. September gewählt – zwei Wochen vor den Abgeordnetenhauswahlen in Berlin. Erholt aus dem Nordsee-Urlaub zurückgekehrt wollte der SPD-Chef im Norden gute Stimmung verbreiten. Dazu tingelte Gabriel mit einem Journalistentross durchs Land, machte einen Besuch nach dem anderen – bei Hafen, Uni, Unternehmen, Kita, Pflegestift.

Gabriel ist dabei auch in eigener Sache unterwegs: Eine Niederlage am 4. September im ersten von fünf Wählervoten vor der Bundestagswahl 2017 wäre ein Rückschlag für den leichten Stimmungsaufschwung, den er für die SPD im Bund ausmacht.

Schöne Bilder und gute Schlagzeilen kann der SPD-Chef brauchen. Gabriel ist in den vergangenen Monaten intern viel angeeckt – mit Widersprüchen, Alleingängen, harten Worten. Er setzte der Partei zu und die Partei ihm. Seine Wiederwahl als SPD-Chef im Dezember endete bitter. Seitdem ist er der 74,3-Prozent-Vorsitzende. Die Umfragewerte für die SPD sind mies, die Stimmung in der Partei könnte besser sein. Dann wäre da noch die quälende Frage, ob Gabriel nun als Kanzlerkandidat antritt oder nicht.


„Gabriel und Sellering gucken in die Röhre“

Das größte Problem vom SPD-Ministerpräsident Erwin Sellering in Mecklenburg-Vorpommern ist der Aufstieg der rechtspopulistischen AfD, die sich anschickt, auf Anhieb mindestens drittstärkste Kraft im Landtag zu werden.

Das Flüchtlingsthema hat nach Einschätzung Sellerings auch die Kräfteverhältnisse in Mecklenburg-Vorpommern durcheinandergewirbelt. Umfragen sagen der AfD 19 Prozent voraus, nur wenig hinter der SPD (22 Prozent) und der CDU (25 Prozent). Dabei hat das Land wirtschaftlich zugelegt: Die Arbeitslosigkeit wurde binnen zehn Jahren auf 9,0 Prozent halbiert, der Nordosten ist damit nicht mehr Schlusslicht, sondern Berlin. Im selben Zeitraum kamen fast 50.000 neue Arbeitsplätze hinzu.

Einen Weg, der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen, haben die Sozialdemokraten bislang ebenso wenig wie andere Parteien gefunden. „Die AfD missbraucht das Thema Flüchtlinge“, sagt Gabriel. Sie mache Ausländer für soziale Missstände verantwortlich, wolle tatsächlich aber Deutschlands „Entwicklung zu einem weltoffenen, liberalen Land zurückdrehen“.

Bei einem Besuch des Windkraftwerkbauers Nordex, der in Rostock rund ein Fünftel seiner weltweit 5000 Arbeitnehmer beschäftigt, nimmt Gabriel die Arbeitgeber in die Pflicht. Das Geschäft von Nordex wird nach Angaben des Managements zu etwa 80 Prozent von Europa dominiert. Gabriel ruft sie auf, der der AfD entgegenzuhalten: „Die Jobs hängen von Europa ab. Lauft nicht denen hinterher, die das kaputtmachen.“

Zum Schluss des Nordex-Besuchs schritt der Parteichef eines der 65 Meter langen Rotorblätter ab und guckte am offenen Ende gemeinsam mit Sellering in das hohle Innere des Kolosses. Ein Journalist raunt: „Das wird dann wohl die Schlagzeile: Gabriel und Sellering gucken in die Röhre.“

Die Lage der beiden könnte tatsächlich besser sein. 2011 hatte die SPD die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern mit 35,6 Prozent noch klar gewonnen. Nun legt sie Umfragen zufolge hinter Union. Und: Die AfD ist den Sozialdemokraten dicht auf den Fersen. Sollte der SPD der Ministerpräsidenten-Posten verloren gehen und sie möglicherweise noch dazu von der AfD überholt werden, wäre das ein weiterer, bitterer Rückschlag.

Gabriel bemühte sich auf seiner Sommertour, solche Szenarien einfach wegzureden. „Ich bin sicher, dass Erwin Sellering gewinnen wird“, sagt er. Und der mögliche Aufstieg der AfD? „Warten wir doch mal ab. Ich glaub das nicht.“ Punkt.

Bei den Wahlen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt im März war die AfD schon an der SPD vorbeigezogen. Die Abstimmungen waren herbe Tiefschläge für die Sozialdemokraten. Die Partei könnte mal wieder gute Nachrichten gebrauchen. Ob die aus Mecklenburg-Vorpommern kommen werden, ist die Frage.

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