Garrelt Duin "Den Stromkonzernen steht das Wasser bis zum Hals"

Der NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin skizziert einen konkreten Plan für die EEG- Reform: Das Tempo des Ausbaus will er drosseln, der fossile Kraftwerkspark erhält Bestandsschutz.

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Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) erwartet, dass noch mehr Unternehmen anstreben von der EEG-Umlage befreit zu werden. und dafür sogar ihre Energiekosten erhöhen Quelle: dpa

WirtschaftsWoche: Herr Minister, Norddeutschland hat den Wind, Ost- und Süddeutschland die Solarenergie. NRW ist Kohle-Land. Wird es deshalb zum Verlierer der Energiewende?

Duin: Fakt ist, dass die Energiewende die Stromkunden aus NRW überproportional belastet. Sie zahlen über das EEG-Umlagesystem eine Milliarde Euro mehr ein, als sie herausbekommen. Das Geld fließt vor allem nach Bayern. Das kann so nicht bleiben.

Glauben Sie, dass die neue Bundesregierung hier gegensteuern kann – und will?

Welche Koalition künftig in Berlin regiert, ist für die Energiewende sekundär. Entscheidend ist, dass die Bundesländer endlich einen Konsens finden. Selbst dem bayrischen Ministerpräsidenten Seehofer ist mittlerweile klar, dass der unkoordinierte Ausbau bei regenerativen Energien ein Ende haben muss.

Trotzdem verhindern die unterschiedlichen Interessen der Länder eine Reform.

Garrelt Duin Quelle: Laif

Die Länder bewegen sich aufeinander zu, das merkt man bei allen Gesprächen. Es gibt in der Energiepolitik ein Zieldreieck: Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit, Klimaschutz. Aus Sicht des Industriestandorts NRW sage ich: Das entscheidende Kriterium muss die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sein. Wir dürfen nicht alles dem Klimaschutz unterordnen. Wir fordern von Südeuropa eine höhere Wettbewerbsfähigkeit, die EU entwirft eine Strategie zur Re-Industrialisierung – und Deutschland macht eine Energiepolitik, die das Gegenteil bewirkt.

Sie hätten das ändern können. Die Strompreisbremse ist aber mit Ihrer Hilfe im Bundesrat gescheitert...

...weil sie handwerklich extrem schlecht vorbereitet war und für viele energieintensive Industriebetriebe in NRW eine gefährliche Mehrbelastung bedeutet hätte. Eine echte EEG-Reform muss das Ausbautempo bei regenerativen Energien senken. Derzeit liegen wir beim Ausbau über Plan, während der Netzausbau zurückhängt. Der zweite wichtige Punkt: Wir brauchen einen Kapazitätsmarkt für konventionelle Kraftwerke. Energieversorger müssen dafür entlohnt werden, wenn sie Reserven für Zeiten vorhalten, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst.

Zur Person

Das könnte teuer werden.

Wir haben dafür einen Zielkorridor definiert. Dabei landen wir am Ende maximal bei sechs Milliarden Euro im Jahr. Das ist viel Geld. Man muss das aber im Verhältnis zu den 20 Milliarden Euro sehen, die momentan in erneuerbare Energien fließen.

In Hürth bei Köln wurde für Hunderte Millionen Euro ein Gaskraftwerk gebaut. Das ist fertig, geht aber nicht ans Netz, weil es sich nicht lohnt. Wie wollen Sie solche Investitionsruinen verhindern?

Das Entscheidende ist, dass wir anfangen müssen, über Kapitalkosten zu reden. Bisher wird immer nach den Betriebskosten gefragt: Wie teuer ist die Kohle, wie teuer ist das Erdgas? Wenn wir die modernsten Kraftwerke haben wollen, dann muss man sich klarmachen, dass das mehr kostet. Sonst mache ich die Betreiber alter Kohlekraftwerke glücklich – aber nicht die der modernen, die wir eigentlich wollen.

Wie viele fossile Kraftwerke würden überleben?

Mehr oder weniger die Anzahl, die momentan existiert. Das klingt nach sehr viel. Aber wir müssen für den Moment der „dunklen Flaute“, wo weder Wind noch Sonne Strom liefern, sicherstellen, dass das Licht nicht ausgeht.

Steht zu befürchten, dass uns die EU-Kommission eine Reform aufdrängt?

Das Worst-Case-Szenario wäre, wenn Brüssel die Ausnahmen und Härtefallregeln kippt, aber das EEG als Ganzes weiterlaufen lässt. Das wäre eine industriepolitische Katastrophe! Bundesregierung und Länder müssen in den nächsten Wochen dringend ein Signal nach Brüssel senden, dass wir das EEG verändern und dann die Ausnahmetatbestände.

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