Geißler zu Stuttgart 21 „Der Bahnhof wird sowieso gebaut“

Er erwähnte es nur nebenbei und trotzdem dürfte es für die Gegner von Stuttgart 21 ein Schlag in die Magengrube gewesen sein: Schlichter Heiner Geißler glaubt nicht, dass das Milliarden-Bahnprojekt noch zu stoppen ist.

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Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler glaubt, dass an Stuttgart21 nicht mehr zu rütteln ist, an den Festen der

„Der Bahnhof wird sowieso gebaut, das sage ich nur ganz nebenbei“, sagte Geißler am Montag bei einer Gesprächrunde an der Universität Tübingen. Zugleich äußerte er Sympathie für den Protest gegen das Großprojekt, insbesondere gegen die Vermittlung durch die Politik. Man könne den Menschen nicht einfach sagen, der Bahnhof wird gebaut, weil die zuständigen Gremien das eben so beschlossen hätten. „Es ist schon immer so gewesen, dass das, was ein Parlament beschlossen hat, immer wieder begründet werden muss.“ Generell werde es für die Politik immer wichtiger, die Bürger an der Planung von Großprojekten zu beteiligen. Viele Bürger hätten das Vertrauen verloren, dass politische Entscheidungen im Sinne der Menschen und nicht im Sinne des Kapitals getroffen werden. Parteien, die sich für Bürgerbeteiligung einsetzen, hätten deshalb einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. „Wir werden ganz sicher eine Änderung des Grundgesetzes bekommen und Volksentscheide auch auf Bundesebene erlauben müssen“, prognostizierte Geißler. „Die Zeit der Basta-Politik ist vorbei.“

Gegner feiern Etappensieg

Trotz Geißlers Aussagen feierten die Gegner des Bahnprojekts einen kleinen Etappensieg. Bei einem Treffen zwischen dem Aktionsbündnis, den Projektpartnern und Schlichter Heiner Geißler am Montag in Stuttgart vereinbarten beide Seiten, dass die Bahn vor einer öffentlichen Diskussion des Stresstests erst die zugrunde liegenden Prämissen offenlegen müsse. Dies war eine zentrale Forderung des Bündnisses. Am Donnerstag und Freitag (7. und 8. Juli) wollen sich beide Seiten wiedertreffen.

Schlichter Heiner Geißler, der in Stuttgart mit beiden Seiten gesprochen hatte, sagte, dass man eine Diskussion über den „Inhalt der Prämissen“ brauche. Dazu zählt beispielsweise der Fahrplan, mit dem die Bahn nachweisen will, dass „Stuttgart 21“ 30 Prozent leistungsfähiger ist als der bestehende Bahnhof.

Zwar hatte der Konzern den Abschlussbericht zum Stresstest Ende vergangener Woche an die Projektpartner und das Aktionsbündnis übermittelt. Die Gegner hatten jedoch kritisiert, dass grundlegende Annahmen wie die Haltezeiten und der Fahrplan nicht daraus hervorgingen. Sollte das nicht nachgeholt werden, wollte das Aktionsbündnis an einer öffentlichen Stresstest-Vorstellung nicht teilnehmen.

Der Test zum Stresstest

Der Stresstest, der nachweisen soll, dass „Stuttgart 21“ in der Spitzenstunde 49 Züge abfertigen kann, wird derzeit von dem Schweizer Gutachterbüro SMA überprüft. Laut Bündnissprecher Hannes Rockenbauch soll ein Gutachter der Firma in den Sitzungen am Donnerstag und Freitag über die Vorgaben der Leistungssimulation sprechen.

„Von der Qualität dieser Daten wird jedes weitere Verfahren abhängen“, sagte er am Abend bei der wöchentlichen Montagsdemonstration, an der sich nach Veranstalterangaben über 5.000 Menschen beteiligten. Die Polizei sprach von 1.500 Demonstranten. Die Proteste blieben friedlich.

Kommunikationsbüro hält an 14. Juli fest

Die Bündnissprecher Rockenbauch und Brigitte Dahlbender werteten es als Schritt in die richtige Richtung, dass nun mehr Transparenz geschaffen werde. „Wer eine qualifizierte öffentliche Debatte haben will, der muss den Gegnern entsprechend Zeit geben“, sagte Dahlbender. Mit der Vereinbarung vom Montag, an weiteren Terminen über die Prämissen des Stresstests zu sprechen, sei man dem „ein Stück näher gekommen“.

Geißler betonte, dass das weitere Vorgehen zur öffentlichen Vorstellung des Stresstests offen sei. Ob die Präsentation des Gutachtens zum Stresstest wie geplant am 14. Juli stattfindet, hängt laut Geißler davon ab, inwiefern das Aktionsbündnis in der Lage ist, die Unterlagen der Bahn zu überprüfen.

Dahlbender sagte, dass der Termin für das Aktionsbündnis „nicht haltbar sein“ werde. Die unabhängigen Experten brauchten mindestens drei Wochen Zeit, um die Angaben der Bahn zu prüfen.

Das für das Bahnprojekt zuständige Kommunikationsbüro indes sieht den Termin nicht in Gefahr. Projektsprecher Wolfgang Dietrich sagte, dass er weiter davon ausgehe, dass der Stresstest am 14. Juli vorgestellt werde. Er begrüßte, dass die Bahn auf Vorschlag von Geißler auch dem Aktionsbündnis die Prämissen und Eingangsdaten in zwei Sitzungen vorstelle. „Wir hoffen, dass das Aktionsbündnis dann auch bereit ist, den in der Schlichtung vereinbarten Weg weiter zu folgen“, sagte Dietrich.

Konfrontationen vorprogrammiert

Doch selbst wenn die Vorgaben zum Stresstest nun genauer durchleuchtet werden, stehen die Zeichen in Stuttgart weiterhin auf Konfrontation. Für den 15. Juli hat die Bahn angekündigt, wichtige Tunnelbauarbeiten für „Stuttgart 21“ zu vergeben. Projektgegner Rockenbauch sagte mit Blick auf diese Ankündigung, dass die Bahn „es sich gut überlegen“ solle, ob dies dem Verfahren angemessen sei. Ein transparentes Verfahren brauche Zeit. Am Samstag (9. Juli) haben die Gegner zu einer Großdemonstration aufgerufen.

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