Geldanlage in der DDR „Millionäre waren nicht erwünscht“

Aktien waren Teufelszeug und auch an anderen lukrativen Anlageformen mangelte es in der DDR. Die Bürger im Arbeiter- und Bauernstaat fanden aber kreative Alternativen – zum Bespiel mit Hilfe ihres Trabbis.

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Aktien, Anleihen, Fonds, Tagesgeld, Sparbuch und Festgeldkonto – wer heute in Deutschland sein Geld anlegen möchte, hat die Qual der Wahl. Wie attraktiv die einzelnen Produkte im aktuellen Zinstief sind, ist eine andere Frage. Dennoch ist die Auswahl bedeutend größer als einst in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) – wo insbesondere Unternehmensbeteiligungen ein absolutes Tabu waren.

„Aktien gab es in der DDR natürlich nicht, das war ja der Inbegriff des Kapitalismus und damit Teufelszeug“, sagt André Steiner, Professor am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam. Wer vor dem Mauerfall in Ost-Deutschland Geld anlegen wollte, der hatte in der Regel ein Sparkonto oder ein Spargirokonto, also ein verzinstes Girokonto. „Die Produktpalette war bei allen Kreditinstituten identisch“, sagt Thorsten Wehber vom Sparkassenhistorischen Dokumentationszentrum. „Ab 1971 gab es für alle Spareinlagen einen Einheitszinssatz von 3,25 Prozent. Der blieb unverändert.“

In Westdeutschland lag der Zins damals niedriger: 1988 gab es für Spareinlagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist rund zwei Prozent Zinsen. Da die Möglichkeiten zum Konsum stark begrenzt waren, hatten die Ost-Bürger relativ viel Geld auf der hohen Kante. „Um 1989 waren es pro Person durchschnittlich mehr als 10.000 DDR-Mark“, sagt Wehber. Im Westen lag das Pro-Kopf-Vermögen zur gleichen Zeit bei rund 45.000 D-Mark. „Zu bedenken ist dabei aber, dass die Vermögensverteilung im Westen ungleicher war als in der DDR“, so der Sparkassenhistoriker.

Mit der Währungsunion konnten DDR-Bürger ab Juli 1990 ihre DDR-Mark im Rahmen bestimmter Freibeträge eins zu eins gegen D-Mark tauschen. Darüber hinaus galt ein Wechselkurs von eins zu zwei. Um eine D-Mark zu bekommen, mussten also zwei DDR-Mark eingetauscht werden. Anreiz zum Sparen war in der DDR auch die Altersvorsorge: „Die sozialen Leistungen für Rentner waren verhältnismäßig gering, sodass viele Bürger im Alter auf private Rücklagen angewiesen waren“, so Wehber. Seit den 1960er-Jahren sei die Sparquote in der DDR stets positiv gewesen, 1988 betrug sie sieben Prozent.


Festverzinsliche Wertpapiere wie Hypothekenpfandbriefe der DDR-Investitionsbank oder Schuldverschreibungen kommunaler Wohnungsverwaltungen konnten private Anleger nur bis 1970 erwerben. Auch das Bausparen wurde in diesem Jahr eingestellt. „Unternehmensbeteiligungen waren per se ausgeschlossen, denn die allermeisten Betriebe gehörten dem Staat“, sagt Steiner. „Und wenn sie neues Kapital brauchten, kam das eben aus der Staatskasse. Das große Ziel war Vollbeschäftigung, deshalb durfte auch kein Unternehmen Pleite gehen.“ Nach der letzten Enteignungswelle 1972 waren nur kleinere Handwerksbetriebe, die maximal zehn Mitarbeiter hatten, in Privatbesitz geblieben.

Die D-Mark war beliebtes Wertaufbewahrungsmittel

Aktien und Anleihen gab es also nicht. Begehrt waren aber andere Sachgüter: „Viele Menschen haben ihr Geld in Autos, Datschen oder andere Immobilien investiert, aber die musste man auch erst einmal bekommen“, sagt Steiner. Auf einen Trabbi mussten die DDR- Bürger schon mal 15 Jahre warten. Einige machten aus dieser Knappheit ein eigenes Geschäftsmodell. „Der eigene Platz auf der Warteliste wurde quasi weiterverkauft. Wenn der Autokauf kurz bevor stand, konnte man dafür genauso viel Geld verlangen wie das Auto selbst kostete“, so der Historiker. Ähnliches gab es auch bei anderen Waren, für die man sich in eine Warteschlage einreihen musste.

Deutsche haben keine Ahnung von Finanzen
Geldanlagen werden nicht hinterfragtObwohl die Zinsen aktuell auf extrem niedrigen Niveau herumkrebsen, hinterfragt die Mehrzahl der deutschen Anleger ihre bestehenden Geldanlagen nicht (69 Prozent). Lediglich 31 Prozent nehmen das Niedrigzinsumfeld zum Anlass, ihre Anlageformen zu überprüfen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Union Investment. Analysten der Bank haben das Anlageverhalten der Deutschen im zweiten Quartal des laufenden Jahres untersucht. Quelle: dpa
Desinteresse und mangelnde KenntnisseDie allgemeine Zurückhaltung beruht zum einen auf Desinteresse und zum anderen auf mangelnden Kenntnissen. Nur 19 Prozent der Befragten setzen sich aus eigenem Antrieb mit Finanzangelegenheiten auseinander. Rund 53 Prozent setzen sich überhaupt nicht mit Finanzfragen auseinander. Nur jeder Fünfte glaubt sich mit Geldanlagen gut auszukennen. Satte 39 Prozent halten ihre Finanzkenntnisse für unzureichend. Quelle: dpa
Junge Erwachsene schätzen Kenntnisse am schlechtesten einBesonders schlecht um den Wissensstand in Sachen Geldanlagen steht es bei den jungen Erwachsenen. In der Altersgruppe der 20- bis 29-jährigen glauben lediglich 14 Prozent über gute Finanzkenntnisse zu verfügen. 59 Prozent halten ihr Wissen für nicht ausreichend. In der höheren Altersgruppe der 40- bis 49-jährigen sieht die Lage nicht viel besser aus. Hier sind nur 16 Prozent davon überzeugt gute Kenntnisse in Finanzfragen zu besitzen. Bei den Menschen im Alter zwischen 50 und 59 Jahren sind es immerhin 24 Prozent, die glauben, ausreichendes Wissen über Geldanlagen zu haben. Quelle: IMAGO
Je höher das Einkommen, desto mehr Finanzwissen ist laut eigener Einschätzung vorhandenBefragte mit einem monatlichen Einkommen unter 1300 Euro schätzen ihr Finanzwissen besonders schlecht ein. Hier glauben nur drei Prozent über ausreichende Kenntnisse zu verfügen. In der Einkommensklasse über 2300 bis 3100 Euro steigt dieser Wert auf 14 Prozent, bei Menschen mit einem Einkommen über 4100 Euro liegt die Schätzung bei 34 Prozent, „Das Ergebnis der Studie zeigt, wie groß der Nachholbedarf bei diesem wichtigen Thema ist. Selbst unter den lebenserfahrenen älteren Menschen und denjenigen mit höheren Einkommen fühlt sich nur eine Minderheit in Finanzangelegenheiten sattelfest“, sagt Giovanni Gay, Geschäftsführer bei Union Investment. Quelle: dpa
Nur wenige SelbstentscheiderDie fehlenden Finanzkenntnisse sorgen für einen hohen Bedarf an Finanzberatung. 40 Prozent der Deutschen sind laut eigener Aussage bei ihren Anlageentscheidungen auf konkrete Empfehlungen ihres Bankberaters angewiesen. Besonders großen Wert auf die Beratung legen die 20- bis 29-jährigen (47 Prozent). Selbstentscheider hingegen gibt es nur wenige. Nur 33 Prozent der Haushalte investieren genügend Zeit, um eine möglichst treffende Anlageentscheidung zu treffen. Quelle: dpa
BauchgefühlIn erster Linie wollen sich die Deutschen mit ihren Finanzentscheidung wohlfühlen. 71 Prozent der Befragten geben an, dass ihnen ein gutes Bauchgefühl dabei wichtig ist. „Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Bankberatern im Kundengespräch eine bedeutende Aufgabe zukommt. Sie müssen ihren Kunden die Vorteile einer breit gestreuten Geldanlage aufzeigen und Brücken zu chancenreicheren Investments bauen. Nur wer sein Vermögen ausgewogen strukturiert und einschätzbare Risiken eingeht, kann bei langfristig niedrigen Zinsen auskömmliche Erträge erzielen“, erläutert Gay. Quelle: dpa
Starke SicherheitsorientierungIm Vordergrund jeder Entscheidung steht die Sicherheitsorientierung. 63 Prozent der Befragten steht der Aspekt der Sicherheit an erster Stelle. Rund 25 Prozent legen Wert auf größtmögliche Flexibilität der Geldanlage. Nur jeder Zehnte hat hohe Gewinnziele im Blick. Quelle: dpa

Ein beliebtes Wertaufbewahrungsmittel war auch die D-Mark. „Es gibt Schätzungen, dass sich die in der DDR gehaltenen D-Mark-Bestände bis auf über 60 Prozent des insgesamt umlaufenden Bargelds beliefen. Diesen Wert halte ich für etwas überhöht, richtig ist aber, dass die D-Mark in der DDR offenbar sehr beliebt war.“ Der größte Teil dieser Devisen dürfte als Wertaufbewahrungsmittel beispielsweise unter den Matratzen gelagert haben. „Das war besonders in den 80er-Jahren zu beobachten und zeigt, dass das Vertrauen in die eigene Währung extrem gelitten hatte.“

Die andere Hälfte zirkulierte als Zahlungsmittel. „Bis Mitte der 70er konnte man noch mit D-Mark direkt im Intershop zahlen – einer Einzelhandelskette der DDR, wo es auch Waren aus dem Westen gab“, berichtet Steiner. „Später musste man die Devisen der Staatsbank anbieten und bekam dafür sogenannte Forumschecks für den Einkauf im Intershop“, so Steiner.


Besonders beliebt war die West-Mark aber wohl auf dem Schwarzmarkt. „Es war häufig schwierig, einen Handwerker zu bekommen. Wenn man D-Mark hatte, ging das viel schneller. Das zog auch besser, als wenn man ein höhere Summe DDR-Mark angeboten hätte“, so der Historiker. Auch die Preise für Handwerkerleistungen waren staatlich vorgegeben. „Die DDR sollte ja ein Arbeiter- und Bauernstaat sein, Millionäre waren unerwünscht“, sagt Steiner. Insbesondere Handwerker und auch einigen Künstler sei es aber unter diesen Bedingungen trotzdem gelungen, zu Reichtum zu kommen.

Als Quelle für seine Forschung nutzt Steiner nicht nur Berichte von Zeitzeugen, sondern vor allem die umfangreichen Archive staatlicher Institutionen, wie der Staatssicherheit (Stasi), aber auch der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED). „Es liegt in der Natur der Sache, dass illegale Geschäfte sich in den Akten nicht immer niederschlagen, aber manches lässt sich dazu in den Archiven doch finden“, so Steiner.

Beliebter Teil der Anlagestrategie sind heute auch Immobilien. Für DDR-Bürger war es jedoch nicht so einfach eine Immobilie zu bekommen. „Schließlich sollte der Boden nicht zum Spekulationsgeschäft werden. Eigentumswohnungen in Mehrfamilienhäusern gab es praktisch gar nicht“, sagt Steiner. „Und wer ein Eigenheim bauen oder kaufen wollte, erwarb häufig nur Nutzungsrechte an dem Grundstück.“ Beim Hausbau ergab sich zusätzlich die Schwierigkeit, dass Baumaterial nur begrenzt verfügbar war.

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